Bei Kondylomen der Vulva kann je nach Ausprägung und Beeinträchtigung der Patientin durchaus zugewartet werden, weil die Möglichkeit der Spontanheilung besteht. Der Verdacht auf eine Vulvadysplasie solle dagegen auf jeden Fall Anlass für eine Biopsie sein. Die Therapie von Dysplasien und Vulvakarzinomen erfolgt individuell je nach Stadium.

Die internationale Vereinigung zum Studium vulvärer Erkrankungen (ISSVD = international society for the study of vulvar diseases) veröffentlichte 2003 eine Klassifikation vulvärer Erkrankungen, die sich bis heute kaum durchsetzen konnte. Danach wurden die vulvären Dysplasien in VIN (vulväre intraepitheliale Neoplasie) Grad I = leicht, Grad II = mäßig und Grad III = schwer eingeteilt. Unter dem Begriff VIN I fanden sich die HPV-bedingten Condylomata acuminata, unter VIN II und III die durch die onkogenen HPV-Typen induzierten Dysplasien und unter VIN simplex die nicht HPV-induzierten Dysplasien der Vulva. Die neue Einteilung kennt kein VIN I mehr, d. h. die Condylomata acuminata werden nicht zu den Dysplasien gezählt. VIN II und III werden unter dem Begriff „usual VIN“ (uVIN) zusammengefasst. Die nicht HPV-induzierten Vulvadysplasien heißen jetzt „differentiated VIN“ (dVIN).

Vulväre Kondylome

Vulväre Kondylome (Abb. 1) entstehen infolge einer Infektion mit zumeist sexuell übertragenen HPV-Typen 6 und 11. Die Inkubationszeit kann unterschiedlich lang sein (Monate), so dass der Zeitpunkt der Diagnose von Kondylomen nicht mit einem stattgefundenen Seitensprung gleichgesetzt werden sollte. Die Verwendung von Kondomen bietet einen gewissen, aber keinen absoluten Schutz vor einer HPV-Infektion. Kondylome sind gelegentlich unangenehm, jedoch nie ein ernsthaftes gesundheitliches Problem, so dass bei oligo- oder asymptomatischen Patientinnen durchaus zunächst beobachtet und die Spontanheilung abgewartet werden kann. Entschließt man sich zu einer Therapie der Kondylome, bestehen medikamentöse (Trichloressigsäure = TCA, Podophyllotoxin, Imiquimod, Sinecatechine = Grüntee-Extrakt, Interferon, HPV-Impfung) und chirurgische Therapieoptionen (CO2-Laser, Kryoablation, Exzision mittels Messer oder elektrischer Schlinge, Ultraschallablation). Allen Therapieformen ist gemeinsam, dass die Rezidivrate hoch ist (20 – 30 %, in Abhängigkeit des Immunstatus der Patientin und der Ausdehnung der Läsion) und die Infektiosität auch im Falle des Verschwindens der Kondylome erhalten bleibt. Im Gegensatz zu anderen „sexually transmitted diseases“ müssen bei Kondylomen nicht zwingend andere STDs ausgeschlossen werden, auch ist die Behandlung asymptomatischer Partner nicht notwendig.

Vulvadysplasien

Vulvadysplasien uVIN und dVIN sind Präkanzerosen für das Plattenepithelkarzinom der Vulva, welches für rund 90 % aller Malignome an der Vulva verantwortlich ist. Das Melanom der Vulva steht an zweiter Stelle (5 – 10 %), gefolgt vom Basalzellkarzinom (2 %) und vom vulvären M. Paget, dem Karzinom der Bartholin’schen Drüse und dem Weichteilsarkom, die alle unter 1 % der Vulva-Malignome ausmachen.

Zwei Formen des Plattenepithel­karzinoms sind zu unterscheiden:

  1. Das meist unilokuläre, HPV-negative Karzinom der alten Frau (70 – 80 Jahre), entstanden auf dem Boden einer chronischen Irritation bei lange vorbestehendem Lichen sclerosus über die Vorstufe dVIN und typischerweise vergesellschaftet mit Diabetes mellitus.
  2. Das häufig multifokale Karzinom der jüngeren Frau (45 – 50 Jahre) auf dem Boden einer Infektion mit onkogenen humanen Papilloma-Viren (z. B. HPV-Typen 16, 18, 31) über die Präkanzerose uVIN, wobei eine Immunschwäche und Nikotinabusus Risikofaktoren sind.

uVIN macht über 90 % aller VIN aus, daraus entsteht aber „nur“ ein Drittel aller Platten­epithelkarzinome der Vulva. dVIN ist deutlich seltener, macht maximal 2 – 5 % aller VIN aus, hat aber ein deutlich höheres onkogenes Potenzial (p53-Mutation) und führt zu zwei Drittel aller Plattenepithelkarzinome an der Vulva.

Die uVIN-Dysplasie (Abb. 2) ist gekennzeichnet durch multiple Hautveränderungen, bestehend aus Leukoplakien, erythematösen Plaques, pigmentierten Läsionen und Kondylomen. Die Patientinnen klagen über Pruritus, Brennen bei der Miktion und Schmerzen, wobei aber 20 % asymptomatisch sein können. uVIN in der Schwangerschaft kann sich nach der Entbindung spontan zurückbilden, weswegen ein exspektatives Vorgehen unter engmaschiger Nachkontrolle gerechtfertigt sein kann. Beim dVIN liegen meist unilokuläre, diskrete Läsionen vor, die grau-weißlich oder erythematös sein können. Zusätzlich finden sich lokal Fissuren, Synechien, eine Introitusstenose, eine deutliche genitale Atrophie und Exkoriationen. Anamnestisch besteht oft ein langjähriger Pruritus, 30 % der Betroffenen sind aber asymptomatisch. dVIN zeigt im Verlauf keine spontane Regression. Zur Diagnose der VIN ist die Histologie einer Stanzbiopsie unerlässlich. Grundsätzlich sollten Hautläsionen an der Vulva großzügig bioptisch abgeklärt werden, da das klinische Bild durch vorangegangene Lokalbehandlungen und durch Sekundäreffekte (z. B. Infektionen) verändert sein kann, zumal oft anamnestisch bereits eine länger bestehende Symptomatik angenommen werden muss.

Die Behandlung der VIN sollte individualisiert erfolgen unter Beachtung der Histologie (Mapping-Biopsien), der Fokalität, der Lokalisation an der Vulva, der Ausdehnung der Läsion(en), der klinischen Symptomatik, der Begleitumstände (Schwangerschaft) respektive der Komorbidität (Immunstatus) und des Alters sowie der Wünsche der Patientin. Als Therapieoptionen stehen zur Verfügung die Chirurgie (wide local excision, skinning (hemi-)vulvectomy, CO2-Laser-Ablation), die topische Behandlung mit Imiquimod (complete response: 51 %, partial response: 25 %, recurrence rate: 16 %) und experimentelle Therapieformen (photodynamische Therapie = PDT, Cidofovir, therapeutische Anti-(E6/E7)-HPV-Vakzine).

Bei der uVIN sind wiederholte chirurgische Interventionen mit eingeschränkter Radikalität möglich, mit dem Ziel, bei den meist jüngeren Frauen mutilierende Eingriffe an der Vulva zu vermeiden. Beim dVIN muss radikal („im Gesunden“) operiert werden.

Vulvakarzinom

Das 5-Jahres-Gesamtüberleben beim Vulvakarzinom beträgt in Abhängigkeit des primären Tumorstadiums (vgl. Übersicht) 78,5 % im Stadium I, 58,8 % im Stadium II, 43,2 % im Stadium III und 13,0 % im Stadium IV [FIGO 26th Annual report, 2006]. Therapieoptionen beim invasiven Vulvakarzinom sind die Chirurgie des Lokalbefundes und der regionären Lymphknoten, die alleinige Radiotherapie oder Radio-Chemotherapie, die Kombinationsbehandlung durch Chirurgie mit neoadjuvanter oder adjuvanter Radiotherapie/Radio-Chemotherapie oder die palliative Chemotherapie mit Cisplatin als Monotherapie respektive in Kombination mit 5-Fluoro-Uracil oder Mitomycin-C oder Gemcitabine. Welche Therapieform zur Anwendung kommt, wird bestimmt vom Tumorstadium, der Komorbidität der Patientin, dem Behandlungsziel (kurativ/palliativ) und von den Wünschen der Patientin. Bei der Wahl des Therapiekonzepts ist die hohe postoperative Morbidität der radikalen operativen Verfahren von bis zu 50 % (Lymphozelen, Infekte, Lymphödem, Erysipel) abzuwägen gegen die hohe Mortalität beim Auftreten eines Lokalrezidivs und besonders eines inguino-femoralen Lymphknotenrezidivs (5-Jahres-Gesamtüberleben: 27 %), wenn zu wenig radikal operiert wurde und/oder auf eine vollständige regionäre LK-Ausräumung anlässlich der Primärtherapie verzichtet wurde. Im Verlauf der letzten Jahrzehnte konnte dennoch die Radikalität der operativen Therapie beim Vulvakarzinom zunehmend reduziert werden.

Risikofaktoren für den Befall der inguino-femoralen LK sind das FIGO-Stadium und besonders der Tumordurchmesser und die Invasionstiefe. So finden sich im Stadium I in 8,9 % und im Stadium IV in 62,5 % metastatisch befallene inguino-femorale LK. Bei einer Invasionstiefe von ≤ 1 mm sind in 2,6 %, bei einer Invasionstiefe von 5 mm 33,3 % der inguino-femoralen LK tumorbefallen.

Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Sentinel-Technik beim Vulvakarzinom mit einer Falsch-Negativ-Rate von 2 – 3 % bei kleinen Tumoren (< 4 cm) behaftet ist [Levenback CF, 2012, van der Zee AG, 2008] bestehen zurzeit folgende Empfehlungen: Bei Patientinnen mit unilokulärem Plattenepithelkarzinom der Vulva (Abb. 3), Tumordurchmesser ≥ 2 cm und < 4 cm; Invasionstiefe von mehr als 1 mm, beschränkt auf die Vulva und klinisch ohne Verdacht auf inguino-femorale LK-Metastasen, soll die inguinale Sentinel-Lymphknoten-Technik in Zentren mit in dieser Technik vertrauten Operateuren angeboten werden. Dabei ist zu beachten, dass ein Risiko von 3 % für inguino-femorale LK-Rezidive besteht. Behandlungsrichtlinien, wie sie für die Sentinel-LK-Technik beim Mammakarzinom entwickelt wurden (z. B. Verzicht auf eine axilläre Lymphonodektomie bei Nachweis einer Mikrometastase im Sentinel-LK), dürfen nicht auf das Vulvakarzinom übertragen werden. Nur im Stadium IA kann auf die operative Exploration der inguino-femoralen LK-Stationen verzichtet werden.



Autor:

PD Dr. med. Edward Wight, Basel

Gynäkologie und gynäkologische Onkologie
Klinik für Geburtshilfe und Gynäkologie
Universitätsspital Basel
CH-4031 Basel

Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert.


Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2014; 36 (17) Seite 54-57