Ein Abdominaltrauma bei kindlichen Unfällen ist häufig. Jedoch kommt es dabei selten zu relevanten Organverletzungen. In mehr als 95 % der Fälle ist auch bei hochgradigen Organverletzungen eine konservative Therapie mit Überwachung, Schmerztherapie und Flüssigkeitsersatz möglich. Operationsindikationen sind hypovolämischer, hämorrhagischer Schock und Darmperforationen. Man sollte immer daran denken, eine Kindesmisshandlung auszuschließen.

Prinzipiell wird zwischen stumpfem und penetrierendem Abdominaltrauma unterschieden. Beim stumpfen Bauchtrauma bleibt die Integrität der Bauchdecke erhalten, beim penetrierenden Bauchtrauma wird die Bauchdecke verletzt. Bei beiden Unfallmechanismen kann es zu intraabdominellen und/ oder retroperitonealen Organschäden kommen.

Häufigkeit und Ursachen

Der Anteil von Bauchtraumata wird bei kindlichen Unfällen mit 10 – 15 % angegeben [2]. Dabei überwiegen im Kindesalter die stumpfen Bauchtraumata mit ca. 90 – 95 % der Fälle eindeutig. Am häufigsten ereignen sich Bauchtraumata bei Kindern im Alter von 6 – 8 Jahren sowie 14 – 16 Jahren, wobei Jungen deutlich häufiger betroffen sind. Meist handelt es sich um Folgen von Verkehrs-, Spiel- oder Sportunfällen. Typische Unfallmechanismen für stumpfe Bauchtraumata sind z. B. Stürze auf den Lenker von Fahrrädern, Stürze von Klettergerüsten, Reitunfälle oder stumpfe Gewalteinwirkung im Rahmen von PKW-Unfällen. Perforierende Bauchverletzungen entstehen z. B. durch Pfählungsverletzungen.

Ein besonderes Augenmerk ist auf die Möglichkeit eines Zusammenhangs zwischen stumpfem Bauchtrauma und Kindesmisshandlung zu legen [5].

Tödlicher Verlauf ist selten

Milz und Leber haben bei Kindern eine relativ schwächer ausgeprägte Kapsel und sind deshalb anfälliger für Verletzungen, die aufgrund der sehr guten Durchblutung beider Organe zu teilweise erheblichen Blutverlusten führen können. Der noch relativ elastische Thorax schützt die vergleichsweise großen Organe weniger gut als im Erwachsenenalter. Die Mortalität liegt bei operierten Abdominaltraumata zwischen 6 und 12 % und bei konservativ behandelten (stumpfen) Bauchtraumata bei 3 %. Dabei ist die Mortalität in der Regel abhängig von Begleitverletzungen [4].

Typische Symptome

Die Symptome eines Bauchtraumas bestehen typischerweise aus Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Tachykardie, verlängerter Re-kapillarisierungszeit, Blässe und Blutdruckabfall. Klinisch fallen reflektorisch gespannte Bauchdecken und äußere Verletzungszeichen an der Bauchdecke auf. Typische äußere Verletzungszeichen sind Hautabschürfungen im Unterbauch (z. B. Gurtmarken durch Sicherheitsgurt) oder ringförmige Prellmarken (z. B. Lenker-Prellmarke, Abb. 1). Zusätzlich können Schulterschmerzen (linke Schulter bei Milzverletzung = Kehr´sches Zeichen) oder eine Hämaturie (Nierenverletzung) auftreten. Eine Besonderheit des kindlichen Bauchtraumas ist die sehr lange Toleranz des Blutverlustes. So können Kinder bis zu 45 % des zirkulierenden Blutvolumens verlieren, bis sie eine klinisch relevante Hypotonie zeigen. Das erste und manchmal einzige sichere Zeichen einer erheblichen intraabdominellen Blutung ist die Tachykardie [2].

Die Symptome werden grundsätzlich durch zwei Mechanismen ausgelöst:
  • Freies Blut in der Bauchhöhle und insbesondere ausgetretenes Pankreassekret oder Darminhalt führen zur Peritonitis und Darmatonie mit den entsprechenden Beschwerden wie Schmerzen, Übelkeit oder Erbrechen.
  • Ein relevanter Blutverlust aus den verletzten parenchymatösen Organen führt zur Tachykardie, Hypotonie und möglichem hämorrhagischem Schock.

Erstmaßnahmen

Zunächst müssen bei einem Kind mit Bauchtrauma die Atmungs- und Kreislaufverhältnisse beurteilt und versorgt werden. Neben der allgemeinen körperlichen Untersuchung ist die adäquate Bildgebung von besonderer Bedeutung [1]. Unmittelbar nach Vorstellung bzw. Aufnahme des Kindes sollte eine Sonographie des Abdomens durchgeführt werden. Dabei geht es um die Darstellung bzw. den Ausschluss von freier intraabdomineller Flüssigkeit in vier bestimmten Regionen:

1) Morrison-Loge (Raum zwischen rechter Niere und Leber)
2) Milzregion
3) retrovesikaler Raum und
4) Perikard.

Beim Polytrauma schließt sich eine Trauma- Spiral-Computertomographie an. Beim isolierten Abdominaltrauma ist die Durchführung einer Computertomographie nur bei unklaren Befunden in der Sonographie erforderlich.

Laboruntersuchungen bestehen in der Regel aus Routineparametern (Blutbild, Elektrolyte, Gerinnung, Leber- und Pankreaswerte) und einer Urinanalyse (Hämaturie). Von den Laborparametern haben vor allem das Hämoglobin und der Hämatokrit initial eine entscheidende Bedeutung. Leberwerte und Pankreasenzyme haben nur einen limitierten Wert [5].

Paradigmenwechsel in der Therapie

Da bei Kindern eine Verletzung intraabdomineller Organe initial häufig wenig symptomatisch auftreten kann, ist eine stationäre Aufnahme zur Überwachung großzügig zu handhaben. Bei Rupturen der intraabdominellen parenchymatösen Organe hat bezüglich der operativen Therapie ein Paradigmenwechsel stattgefunden. Diese Organrupturen werden generell konservativ therapiert, d. h. die Kinder werden überwacht und bekommen eine angepasste Infusions- und Schmerztherapie [3].

Die nicht-operative Therapie ist bei mehr als 95 % der Kinder mit stumpfem Abdominaltrauma erfolgreich [6].

Bei konservativem Vorgehen besteht die Überwachung aus engmaschiger Kontrolle von Blutdruck, Herzfrequenz und Blutbild. Ein relevanter Blutverlust, der tatsächlich bis zum hypovolämischen Schock führen kann, tritt in der Regel in den ersten 24 Stunden nach dem Unfall auf. Zusätzlich können verzögerte klinische Symptome, wie zunehmende Bauchschmerzen, Übelkeit, Peritonitis und Ileus, ein Hinweiszeichen für Pankreas- oder Darmverletzungen mit Interventionsbedarf sein.

Milzruptur

Die Milzruptur ist die häufigste Organverletzung bei Kindern. Sie tritt in der Regel als Folge eines direkten Traumas im Bereich des linken Oberbauchs auf. Eine Verletzung der Milz wird dabei durch den noch unzureichenden Schutz der im Kindesalter noch elastischen Rippen begünstigt. Zusätzlich sind die Organe im Oberbauch in Relation zum kindlichen Körper größer und die muskulösen Bauchdecken schwächer ausgeprägt als bei Erwachsenen. Zusätzlich ist zu beachten, dass bei bestimmten Infektionen im Kindesalter die Milz anschwillt und damit auch bei Bagatelltraumen rupturieren kann.

Die operative Versorgung einer Milzruptur ist in der Regel nur indiziert bei einer relevanten Blutung, die zum hypovolämischen Schock oder Bluttransfusionen mit mehr als 40 ml/kg führt [7]. Tatsächlich sind bei weniger als 5 % der Patienten Bluttransfusionen notwendig [6]. Die Milz-Operationen sollten, wenn möglich, milzerhaltend durchgeführt werden.

Patienten, bei denen eine komplette Splenektomie durchgeführt wurde, müssen eine antibiotische Post-Splenektomie-Prophylaxe mit Penicillin zur Vermeidung eines "overwhelming post splenectomy syndrome" (OPSI) erhalten. Zusätzlich sind Impfungen gegen Pneumo- und Meningokokken notwendig.

Leberruptur

Auch Leberrupturen (Abb. 2) können in bis zu 90 % konservativ mit Volumentherapie und/oder Bluttransfusionen behandelt werden. Operationen bei massiven Leberrupturen stellen eine große Herausforderung dar. Deshalb ist initial meistens ein sogenanntes "Packing", d. h. eine Tamponade der blutenden Leber mit Bauchtüchern, erforderlich. Danach ist eine weitere Operation zur definitiven Versorgung indiziert [6].

Nierenruptur

Nierenverletzungen sind meistens Folge einer direkten Gewalteinwirkung auf die Lendenregion. Diese ist anamnestisch zu erheben. Neben den typischen Symptomen eines stumpfen Bauchtraumas findet sich regelhaft eine Hämaturie. Die Diagnose bzw. die Grad-Einteilung der Nierenverletzung erfolgt radiologisch (Sonographie, Abdomen- CT, Abb. 3). Die Therapie von Nierenrupturen ist bei mehr als 90 % der Kinder konservativ. Operationen, die bei ca. 6 % der betroffenen Kinder erforderlich sind, sollten wenn möglich nierenerhaltend durchgeführt werden [6].

Pankreasruptur

Relevante Pankreasverletzungen sind im Kindesalter selten und sind die Folge eines direkten Traumas im Epigastrium. Die Pankreasenzyme (Lipase, Amylase) sind in der Regel erhöht, die endgültige Diagnose wird mit einer Computertomographie gestellt. Einen diagnostischen Stellenwert haben zusätzlich die Endoskopische Retrograde Cholangiopankreatikographie (ERCP) und die Magnetresonanz- Cholangiopankreatikographie (MRCP).

Im Gegensatz zu den oben aufgeführten Verletzungen parenchymatöser Abdominalorgane ist die Indikation zur Operation bei Pankreasverletzungen in mehr als 50 % gegeben [6].

Darmverletzungen

Darmverletzungen sind selten bei stumpfen Bauchtraumata im Kindesalter. Deshalb erfolgt die Diagnose meistens verzögert. Klinisch steht Übelkeit, Erbrechen und zunehmende Bauchdeckenspannung im Vordergrund. Der Nachweis von freier intraabdomineller Luft erfolgt mittels Röntgen oder Abdomen-Computertomographie. Eine operative Therapie ist immer erforderlich (Abb. 4). Dabei stellen die Verletzungen des Duodenums eine besondere Herausforderung dar, da z. B. auch Verletzungen des Pankreas oder der äußeren Gallenwege assoziiert sein können.

Fazit für die Praxis
  • Stumpfe Bauchtraumata im Kindesalter sind häufig.
  • Relevante intraabdominelle Verletzungen sind selten.
  • Kinder mit ausgeprägten Organverletzungen können lange klinisch stabil bleiben.
  • Diagnostik und Therapie von Bauchtraumata bei Kindern sollten in entsprechenden Zentren durchgeführt werden.
  • Diagnostische Methode der Wahl bei der Erstversorgung ist die Sonographie. Die Abdomen-Spiral-Computertomographie erfolgt bei polytraumatisierten Patienten und bei Patienten mit unklaren Befunden in der Sonographie.
  • Die Therapie der Verletzung parenchymatöser Organe (Milz, Leber, Pankreas, Niere) erfolgt bei über 95 % der Kinder konservativ.
  • Operationsindikationen ergeben sich beim hämorrhagischen Schock oder bei Darmverletzungen.


Literatur:
1. Eppich WJ, Zonfrillo MR (2007) Emergency department evaluation and management of blunt abdominal trauma in children. Curr Opin Pediatr 19:265-269
2. Gaines BA (2009) Intra-abdominal solid organ injury in children: diagnosis and treatment. J Trauma 67:S135-139
3. Nance ML, Holmes JHt, Wiebe DJ (2006) Timeline to operative intervention for solid organ injuries in children. J Trauma 61:1389-1392
4. Pariset JM, Feldman KW, Paris C (2010) The pace of signs and symptoms of blunt abdominal trauma to children. Clin Pediatr (Phila) 49:24-28
5. Schonfeld D, Lee LK (2012) Blunt abdominal trauma in children. Curr Opin Pediatr 24:314-318
6. Tataria M, Nance ML, Holmes JHt et al. (2007) Pediatric blunt abdominal injury: age is irrelevant and delayed operation is not detrimental. J Trauma 63:608-614
7. Wesson DE, Filler RM, Ein SH et al. (1981) Ruptured spleen--when to operate? J Pediatr Surg 16:324-326



Autor:

Dr. med. Till-Martin Theilen

Assistenzarzt in Weiterbildung
Klinik für Kinderchirurgie und Kinderurologie
Universitätsklinikum Frankfurt
60590 Frankfurt/M.

Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert.


Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2015; 37 (1) Seite 16-21