Von den höfischen Tafeln ist überliefert, dass demjenigen, der "über dem Salzfass" sitzt, eine wichtige Rolle zukommt. Auch heute noch ist Salz für den Geschmack von Speisen nahezu unentbehrlich. Ob wir dennoch gut daran tun, es mit dem Würzen nicht zu übertreiben – dazu ist man sich nach wie vor nicht ganz einig.

2008 und erneut 2012 erklärte das Bundesministerium für Risikobewertung BfR Salz mit einer "hinreichend bis guten" Evidenz als schädlich für Bluthochdruck und als eigenständigen Risikofaktor für kardiovaskuläre Mortalität und Morbidität, sowie auch für Magenkrebs, Osteoporose und Nierenerkrankungen. Es empfahl, die Salzzufuhr nach Analyse der Datenlage auf 3,5 – 6 g Kochsalz am Tag zu beschränken. Die WHO schätzt, dass die Senkung von 50 mmol/d Natriumausscheidung die Anzahl der Medikamente einer hypertensiven Therapie um 50 %, das Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden, um 22 % und kardiovaskuläre Ereignisse um 16 % reduzieren könnte [1].

Kochsalz und Herz-Kreislauf-Effekte

Die Daten, auf die sich die Forderungen von WHO und BfR stützen, basieren auf Studien wie z. B. einer Metaanalyse von 13 Studien mit 177.025 Teilnehmern über fünf bis neun Jahre. Das Ergebnis: Erhöhung des NaCl um 5 g/d hat eine Zunahme an Schlaganfällen von 23 %, an kardiovaskulären Ereignissen um 17 % zur Folge und zwar unabhängig vom Blutdruck. Die große finnische Studie mit 1.173 Männern und 1.263 Frauen brachte das Ergebnis: Eine um 100 mmol (~ 5,8 g NaCl) pro Tag erhöhte Natriumausscheidung hat eine Zunahme kardiovaskulärer Ereignisse um 51 % und eine Steigerung der Gesamtmortalität um 26 % zur Folge. Bei einer Reduktion von Salz zeigte sich eine Reduktion des systolischen Blutdrucks bei 15- bis 19-Jährigen um 5 mmHg und bei 60- bis 69-Jährigen um 10 mmHg [2, 4].

Was sagt das IQWiG?

So weit sollte eigentlich alles klar sein. Jedoch kam das IQWiG (Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit) mit seiner Bewertung (7 Übersichtsarbeiten mit 520 – 3.391 Teilnehmern aus insgesamt 62 RCTs zur nicht-medikamentösen Blutdrucktherapie) zwar zu dem Schluss, dass eine Kochsalzreduktion den Blutdruck senken kann (syst. BD -3,6 – 8 mmHg/diast. BD -2 – 3 mmHg – v. a. Patientinnen ohne Medikamente), dass aber die Studien keine Belege für einen positiven Einfluss auf Folgeerkrankungen der essenziellen Hypertonie liefern können. Zudem sei keine Aussage zu KHK oder Mortalität möglich und die Nachhaltigkeit sei ungewiss – eine Übersichtsarbeit zeigte einen nachlassenden Effekt nach sechs Monaten.

Auch eine Analyse aus der Cochrane-Bibliothek [3] von 2011 (Metaanalyse aus 2.649 Studien) mit dem Ziel, durch die Reduktion der Natriumausscheidung um 70 – 80 mmol/d Endpunkte wie Mortalität, KHK, Schlaganfall bzw. weichere Kriterien wie Blutdruck und Lebensqualität zu verbessern, zeigt ein ähnliches Bild. Die Autoren sehen keinen Zusammenhang zwischen Salz und harten Endpunkten [5, 6, 7].

Gefahr durch zu wenig Kochsalz?

2009 verunsicherte dann noch eine im JAMA publizierte Studie die Therapeuten wie Patienten. In einer Auswertung der FLEMENGHO- und EPOGH-Studie wurden 3.600 (3.681) Teilnehmer prospektiv ohne kardiovaskuläre Erkrankungen (2.096 normotensiv) über acht Jahre beobachtet. Das Fazit der Autoren: Wer wenig Salz zu sich nimmt, hat eine größere Gefahr, an Herz- oder Gefäßleiden zu sterben. In der Gruppe (30 %) mit der niedrigsten Natriumausscheidung (107 mmol) waren die meisten, nämlich 50 Todesfälle (4,1 %) zu finden. In der Gruppe (30 %) mit mittlerer Natriumausscheidung (168 mmol) 24 Todesfälle (1,9 %) und in der Gruppe mit höchster Natriumausscheidung (260 mmol) 10 Todesfälle (0,8 %). Jedoch konnte auch hier ein Anstieg des systolischen Blutdrucks um 1,71 mmHg je 100 mmol Zunahme in der Natriumausscheidung beobachtet werden. Diese Studie wurde jedoch sehr aufgrund methodischer Mängel kritisiert.

  • Die Gruppe mit der "niedrigen Zufuhr" nahm im Mittel mehr als 6 g auf.
  • Mängel im Sammeln (50 mmol, fehlerhaftes Kreatinin?).
  • Relativ junge Patienten (38/40 +/- 14/16) – die Gruppe der "niedrigen Aufnahme" war signifikant älter.
  • Die Gruppe mit der "niedrigen Aufnahme" hatte den signifikant niedrigsten Bildungsabschluss.
  • Relative schlanke Patienten (BMI 24 +/- 4).
  • 7 Jahre ist ein relativ kurzer Zeitraum (in anderen Studien sind Effekte erst nach mehr als 10 Jahren gesehen worden).
  • Keine Adjustierung nach anderen Ernährungsfaktoren, Stress, Einnahme von Medikamenten [8].

Mögliche Folgen drastischer Salzrestriktion

Es gibt Hinweise, dass eine Kochsalzrestriktion auf 5 – 6 g/Tag in extremen Situationen (Straßenarbeiter, Leistungssportler) ungünstige Effekte haben kann. Vor allem angeführt wird hier die Förderung einer Herzschwäche durch vermindertes Blutvolumen, erhöhte Blutviskosität und verminderte Koronardurchblutung. Bei einer drastischen Absenkung auf 1 g/Tag sind ungünstige Effekte durch die Aktivierung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems, die Aktivierung des Sympathikus, den Anstieg von LDL und TG sowie den Anstieg der Harnsäure und eine Verminderung der Insulinsensitivität gegeben.

Salzsensitivität

Dennoch: Ca. 40 % der erwachsenen deutschen Bevölkerung haben einen erhöhten Blutdruck. Und Bluthochdruck ist in einem erheblichen Maße für die Krankheits- und Sterbelast verantwortlich. Eine moderate Salzreduktion führt zu einer Absenkung des Blutdrucks bei Kindern und Erwachsenen, sofern diese salzsensitiv sind. Untersuchungen von Melander 2006, Bönner 2003, Rocchini 2000, González-Albarrán 1998 haben ergeben, dass ca. 20 – 30 % der Bevölkerung salzsensitiv sind. Ältere sind empfindlicher als Junge, Schwarze mehr als Weiße, Frauen eher als Männer. Dabei sind ca. 50 % der Hypertoniker salzsensitiv. Laut BfR würden somit 20 % von einer allgemeinen Salzreduktion profitieren [10].

Praktische Probleme

Auch wenn die Studienlage uneinheitlich ist, in Deutschland liegt der Salzkonsum in allen Bevölkerungsgruppen über dem Bedarf und das Hauptproblem ist, dass wir die größten Salzmengen nicht freiwillig reduzieren können. Vor allem mit Brot und Brotbelag, wie Wurst und Käse, nehmen wir das meiste Salz auf. Eine Untersuchung von Stiftung Warentest hat gezeigt, dass bis zu 80 % der täglichen Salzmenge von 6 g über solche Lebensmittel aufgenommen werden. Weitere Quellen sind salzhaltige Mineralwässer und natürlich der Salzstreuer. Studien haben ergeben, dass eine bis zu 25 %ige stufenweise Salzreduktion vom Verbraucher nicht wahrgenommen wird. Auch würde eine 30 %ige Salzreduktion nicht dazu führen, dass Brot mikrobiell beeinträchtigt würde [11, 12].

Empowerment statt Zwang

Die Deutsche Diabetes-Hilfe [9] hat daher in ihrem Positionspapier zur freiwilligen Reduktion aufgefordert. Unter dem Aspekt einer schrittweisen geschmacklichen Anpassung der Bevölkerung an einen geringeren Salzgehalt ist das Ziel der Bundesregierung – -16 % auf Produktebene bis 2019 – vertretbar. Wie oft der Salzstreuer dann noch zum Nachsalzen benutzt wird, bleibt jedem selbst überlassen [1]


Literatur:
1. Albrecht, Harro; Böses Salz; DIE ZEIT 2010; 26
2. Stellungenahme des BfR zur Verringerung des Salzgehaltes in Lebensmitteln; 35/2009
3 Dr. Wendt, Isabelle; Blutdrucksenkung durch weniger Salz in Lebensmitteln; DGE info 2012; 4 59-60
4 Max Rubner-Insistut; Nationale Verzehrsstudie II; 127-28
5. Klaus, Dieter; Hoyer, Joachim; Martin, Middeke; Kochsalzrestriktion zur Prävention kardiovaskulärer Erkrankungen; Dtsch Arztebl Int 2010; 107(26): 457-62
6. Stellungenahme des BfR zur Verringerung des Salzgehaltes in Lebensmitteln; 35/200910: IQWiG; Bluthochdruck: Hilft es, weniger Kochsalz zu sich zu nehmen?; 2011
7. Taylor RS, Ashton KE, Moxham T, Hooper L; Ebrahim S; Reduced dietary salt for the prevention of cardiovascular disease; The Cochrane Collaboration 2011; 7
8. Stolarz-Skrzypek et. al; Fatal and Nonfatal Outcomes, Incidence of Hypertension, and Blood Pressure Changes in Relation to Urinary Sodium Excretion; JAMA 2011; 305 (17): 1777-85
9. Graudal, Nils; Hubeck-Graudal, Thorbjørn; Gesche, Jürgens; Effects of Low-Sodium Diet vs. High Sodium Diet on Blood Pressure, Renin, Aldosteron, Catecholamines, Cholesterol, and Triglyceride; American Journal of Hypertension 2012; 25 (1): 1-15
10. Garg, Rajesh et.al; Low-salt diet increases insulin resistance in healthy subjects; Metabolism-Clinical and Experimental 2011; 60(7): 965-68
11. Stiftung Warentest; Die größten Salzsünder; test 2012; 4:22-27
12. Busch et.al; Salt reduction and consumer perspective; New Food 2010; 2/10: 36-39
13. Gerlach, Stefanie; Joost Hans-Georg; Nationale Reduktionsstrategie 2016



Autorin:

Dr. oec. troph. Astrid Tombek

Diabetesberaterin DDG, Diabetes-Klinik Bad Mergentheim
97980 Bad Mergentheim

Interessenskonflikte:Die Autorin hat keine deklariert.


Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2017; 39 (4) Seite 20-23