Patienten mit Schmerzen, Brennen oder sonstigen Missempfindungen im Bereich von Zunge oder Mundhöhle finden sich auch regelmäßig in Hausarztpraxen. Als Burning-Mouth-Syndrom wird der Beschwerdekomplex bezeichnet. Allerdings ist dieser Begriff keine Diagnose. Dahinter verbergen sich eine ganze Reihe möglicher Ursachen, die im Folgenden behandelt werden sollen.

Das Burning-Mouth-Syndrom (BMS) wird von der International Headache Society dem idiopathischen Gesichtsschmerz zugeordnet und umfasst eine Vielzahl möglicher Missempfindungen: Kribbeln, Stechen oder Brennen der Zungen- und/oder der Mundschleimhaut. Schmerzen, Störungen des Speichelflusses, des Geschmacks oder des Schluckens können sich dazugesellen [1]. Bei der Zunge sind vor allem die vorderen zwei Drittel betroffen, häufig nehmen die Beschwerden im Lauf des Tages zu und sind am frühen Abend am stärksten.

Wer ist am häufigsten betroffen?

Studienabhängig wird in der Allgemeinbevölkerung eine BMS-Prävalenz von 1 bis 8 % angenommen. Dabei leiden deutlich mehr Frauen als Männer (Verhältnisse von 3:1 bis 7:1 werden beschrieben) unter diesem Symptom, eine verstärkte Prävalenz (um 15 %) findet man bei Frauen in der Perimenopause zwischen dem 45. und 60. Lebensjahr [1, 2, 3, 4, 8].

Ursachen in der Mundhöhle

In der Hausarztpraxis hat es sich bewährt, zuerst im Mundhöhlenbereich und an der Zunge nach BMS-assoziierbaren objektiven Veränderungen zu suchen. In der Gruppe der infektiösen, irritativ-toxischen oder allergisch induzierten Glossitiden (Tabelle 1) nimmt die gut erkennbare Soorglossitis eine führende Position ein. Nicht selten entsteht sie auf dem Boden eines ösophago-pharyngealen Refluxes (Abb. 1), übertriebener mundhygienischer Maßnahmen (Abb. 2) sowie antimikrobieller oder antineoplastischer Chemotherapien. Anatomische Zungenvarianten (z. B. Lingua plicata) oder Zahnprothesen können zusätzlich die Infektion begünstigen. Allergisch oder toxisch wirkende Bestandteile aus zahnärztlichen Restaurationen, Mundpflegemitteln oder Kosmetika (Lippenstift) können über eine Cheilitis, Glossitis oder eine "Prothesenstomatopathie" zu akuten oder chronischen Mundhöhlenmissempfindungen oder Zungenbrennen führen [5]. Ruinöse Gebisse (Abb. 3) und eine chronische Mundtrockenheit können verschiedenste Probleme im Mund wie Schmerzen, Brennen, Dysgeusien, fortschreitenden Zahnverlust, Läsionen und Entzündungen bewirken. Einer Speichelverminderung können mannigfache Erkrankungen (Sialadenosen, Sialadenitiden, Sialolithiasis) zugrunde liegen. Im hausärztlichen Alltag scheint aber eine pharmakogene Salivationsverminderung am wichtigsten zu sein. Mehr als 400 verschiedene Medikamente mit möglichen speichelhemmenden Nebenwirkungen sind bekannt [6, 7], wobei Parasympatholytika (periphere Wirkung) und trizyklische Antidepressiva (zentrale Wirkung) offensichtlich den stärksten Effekt haben. Unabhängig davon ist auch ein Glossodynie-auslösender Effekt von ACE-Hemmern [1] bekannt (Tabelle 2).

Gerade bei entsprechender Konsumnoxenanamnese müssen suspekte Veränderungen im Zungenbereich (Abb. 4) oder in der Mundhöhle bis zum Beweis des Gegenteils als Malignome angesprochen werden, die BMS-assoziierte Symptome auslösen können. Zu den gut erkennbaren, häufigeren Veränderungen im Mund zählt der orale Lichen planus (Abb. 5), der in seiner erosiven Form auch ein malignes Geschehen konditionieren kann [9]. Er ist hauptsächlich an der Wange lokalisiert. Subjektiv leidet der Patient unter einem stark beeinträchtigenden und schmerzhaften Brennen der Schleimhaut.

Funktionsstörungen und Patientengewohnheiten

Dentale Parafunktionen des Kauapparates (Myoarthropathiesyndrom des Kiefergelenkes, okklusale Disharmonien), Patientenhabits wie intensives Wangenbeißen (Morsicatio), Wangensaugen, Knirschen (Bruxismus), Mahlen oder übermäßiges Zähne- oder Gingivaputzen (Tabelle 2) können an der Zunge, den Zähnen oder in der Mundhöhle ihre Spuren hinterlassen und Wegweiser für entsprechende Missempfindungen sein. Buchstäblich eindrucksvoll: die "Girlandenzunge" (Abb. 6). Sie entsteht, wenn die Zunge vor allem nachts mit hohem Druck gegen den Gaumen und die obere Zahnreihe gepresst wird. Dies findet sich häufig bei den psychisch besetzten Funktionsstörungen der Kiefergelenke und des Kauapparates, denn das multifunktionale Kausystem ist eng mit dem zentralen Nervensystem verknüpft [10].

Eine vom Hausarzt eher selten bedachte Ursache von Mundhöhlenproblemen ist die chronisch behinderte Nasenatmung. Weil der Patient dadurch zu einer überwiegenden Mundatmung gezwungen wird, kommt es zu einer chronischen Rachenentzündung mit den entsprechenden Folgesymptomen.

Systemerkrankungen

Vielfältige Allgemeinerkrankungen (Tabelle 3) können bei Patienten Missempfindungen in der Mundhöhle generieren, ohne dass erkennbare lokale Veränderungen vorliegen müssen. Bei Anämien unterschiedlichster Provenienz (Cave: hämatologische Systemerkrankungen) hat dies jeder Hausarzt schon erlebt. Auch bei psychischen Erkrankungen (z. B. Depressionen, Angsterkrankungen) können Patienten unter den unterschiedlichsten Mundhöhlenphänomenen leiden [11]. Besonders häufig tritt Mundbrennen bei Frauen in der Perimenopause auf. Diskutiert wird allerdings [8], ob die Hormonveränderung die Ursache darstellt oder die in dieser Zeit nicht seltene psychische Belastung Auslöser des Zungen- und Mundbrennens ist.

Therapeutische Optionen

Missempfindungen in der Mundhöhle sind wegen ihrer Variantenbreite eine besondere Herausforderung. Bei den lokalen Ursachen (Tabelle 1) stehen in der hausärztlichen Praxis sicherlich die Pilzinfektionen der Mundschleimhaut und Erkrankungen des Kauapparates im Vordergrund, bei denen aber unter dem Aspekt einer Ursachenkaskade die alleinige Symptombehandlung oft nicht ausreicht (Beispiel: Soorglossitis – Refluxkrankheit). Lassen sich in der Mundhöhle keine objektiven Ursachen finden, muss eine systemische Abklärung (Tabelle 3) erfolgen, weil gelegentlich auch onkologische Erkrankungen verantwortlich sein können. Ein breites Feld stellt die Analyse eingenommener Medikamente mit ihren Nebenwirkungen und vielfältigen Interaktionen dar. Der Hausarzt sollte sich zudem nicht scheuen, psychische und psychosomatische Aspekte (Beispiel: Funktionsstörungen des Kiefergelenkes) offen mit dem Patienten zu besprechen.

Sollten sich keine objektivierbaren und damit auch gezielt angehbaren Ursachen finden, gelten für das BMS Antidepressiva (vor allem Paroxetin) als Mittel der ersten Wahl [8]. Erfolge wurden aber auch für eine systemische Anwendung von Gabapentin [8], Alpha-Liponsäure, Clonazepam [12], Topiramat [1], Olanzapin und Levosulpirid [1] beschrieben, ebenso wie für eine Lokalbehandlung mit Capsaicin [1, 8, 12]. Alternativ zu einer Pharmakotherapie ist eine gute Wirksamkeit auch für kognitive Verhaltenstherapien belegt [12]. Beschriebene Lokalmaßnahmen wie Lidocaingel, Salbeitee oder Salzwasser sind rein empirisch, können durchaus lindernd wirken, haben aber keine wissenschaftliche Signifikanz [1].


Literatur
1. Zöllner M. Burning Mouth-Syndrom – ein komplexes Beschwerdebild in der Zahnarztpraxis. Deutsche Zahnärztliche Zeitschrift 2009; 64(10): 16-24
2. Slebioda Z, Szoponar E. Burning mouth syndrome – a common dental problem in perimenopausal women. Prz Menopauzalny 2014; 13 (3): 198-202
3. Yap t, McCullough M. Oral medicine and the ageing population. Aust Dent J. 2015; 60 (Suppl 1): 44-53
4. Spanemberg JC, Cherubini K et al. Aetiology and therapeutics of burning mouth syndrome: an update. Gerodontology 2012; 29(2): 84-89
5. Wirz J. Auswirkungen restaurativer Werkstoffe auf die Mundschleimhaut. zm-online.de 2002; Heft 22 (unter: www.zm-online.de/hefte zuletzt eingesehen am: 16. 11. 2016)
6. Grötz KA. Die trockene Mundhöhle: Ätiologie, Klinik, Diagnostik, Therapie. zm-online. de 2002; Heft 22 (unter: www.zm-online.de/hefte zuletzt eingesehen am: 16. 11. 2016)
7. Sreebny LM, Schwartz SS. A reference guide to drugs and dry mouth.Gerodontology 1986; 5: 75-99
8. Sommer C. Andauerndes Brennen auf der Zunge. Deutsche Apotheker Zeitung 2007; 21: 55 (Interview: K. Eberius) (unter: www.deutsche-apotheker-zeitung.de zuletzt eingesehen am: 17. 11. 2016)
9. Meyer F. Weißer Fleck im Mund. Ars Medici Schweizer Zeitschrift für Hausarztmedizin 2013; 103(8): 405-407
10. Meyer F. Blickdiagnose. Knubbel an der Zunge. Bayerisches Ärzteblatt 2009; 64 (7/8): 333
11. Davies SJ et al. Individual oral symptoms in burning mouth syndrome may be associated differentially with depression and anxiety. Acta Odontol Scand 2016; 74(2): 155-160
12. Kisely S et al. A systematic review of randomized trials for treatment of burning mouth syndrome. J Psychosom Res 2016; Jul: 39-46



Autor:

Dr. med. Fritz Meyer, Elisabeth Meyer

Facharzt für Allgemeinmedizin
Facharzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde
Sportmedizin - Ernährungsmedizin (KÄB)
86732 Oettingen/Bayern

Elisabeth Meyer
MSc Psychologie

Interessenkonflikte: Die Autoren haben keine deklariert.


Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2017; 39 (5) Seite 60-63