Arrhythmien gehören zu den häufigsten Gründen für die Vorstellung in einer Notaufnahme. Der Schnittstelle zwischen niedergelassenem Bereich, Notaufnahmen und Spezialambulanzen kommt bei diesen oft zeitkritischen Erkrankungen eine besondere Wichtigkeit zu. In diesem Artikel soll die Notfalltherapie für Patient:innen mit Arrhythmien behandelt werden, aber auch Langzeittherapieoptionen beleuchtet werden.

Vorhofflimmern ist die häufigste anhaltende Rhythmusstörung bei Erwachsenen und ist mit einem signifikanten Risiko für das Auftreten von Insulten und Herzinsuffizienz vergesellschaftet. Im Jahr 2020 wurden die Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie zur Diagnostik und Therapie bei Vorhofflimmern aktualisiert [1]. Um die Therapie von Vorhofflimmern anschaulich darzustellen, wurde das ABC-Schema eingeführt. Die Abkürzung steht für Antikoagulation, bessere Symptomkontrolle und das Management von Komorbiditäten und kardiovaskulären Risikofaktoren (vgl. Abb. 1).

Erster Schritt in der Therapie von Vorhofflimmern ist die Insultprophylaxe. Im Bereich der Antikoagulation steht unverändert der CHA2DS2-VASc-Score im Mittelpunkt der Therapieentscheidungen. Ab einem Score von ≥ 1 bei Männern und ≥ 2 bei Frauen sollte eine Antikoagulation, präferenziell mittels neuer Antikoagulanzien (NOAK), angeboten werden. Symptome sollen regelmäßig reevaluiert und die Therapie dementsprechend angepasst werden. Zur besseren Symptomenkontrolle stehen Frequenz- und Rhythmuskontrolle zur Verfügung. Bei Patient:innen, die im Vorhofflimmern symptomatisch sind oder bei denen eine Frequenzkontrolle nicht ausreichend ist, kann eine Rhythmuskontrolle erfolgen. Erstmals wurden in den Leitlinien Faktoren definiert, die für eine Rhythmuskontrolle sprechen. Hierzu zählen junges Alter, kurze Episodendauer, Tachykardie-induzierte Kardiomyopathie, nur geringe Vorhofvergrößerung und wenig Komorbiditäten bzw. das Fehlen einer strukturellen Herzerkrankung und letztlich auch der Patientenwunsch.

Im Bereich der Frequenzkontrolle kommen vor allem Betablocker und Ca-Antagonisten als First-line-Medikamente und Digitalis-Präparate als Zweitlinien-Medikament zum Einsatz (vgl. Abb. 2). Als Third-line- Therapie kann im Einzelfall Sedacoron verwendet werden. Im Rahmen der Frequenzkontrolle sollte im Tagesmittel eine Herzfrequenz von 80–110/min erreicht werden. Die akute Rhythmuskontrolle kann mittels elektrischer oder medikamentöser Kardioversion erfolgen. Neu in den ESC-Guidelines 2020 ist, dass nach Kardioversion auch bei Patient:innen mit geringem Insultrisiko (CHA2DS2-VASc-Score = 0 bei Männern und 1 bei Frauen) eine orale Antikoagulation für die Dauer von 4 Wochen zwar meist weiter notwendig ist, bei einer gesicherten Vorhofflimmerdauer <24 Stunden aber auf diese Kurzzeit-Antikoagulation verzichtet werden kann.

Im Bereich der Langzeit-Rhythmuskontrolle stehen die medikamentöse antiarrhythmische Therapie und die Katheterablation zur Verfügung. Aufgrund der immer besseren Erfolgsraten der Katheterablation wurde diese in den aktuellen Leitlinien aufgewertet. Bei Patient:innen mit symptomatischem Vorhofflimmern und Versagen der medikamentös- antiarrhythmischen Therapie sowie bei Patient:innen mit suspizierter Tachy-Kardiomyopathie oder bei Patient:innen mit Herzinsuffizienz mit reduzierter linksventrikulärer Auswurffraktion sollte eine Ablation erfolgen, wenn auch die sonstigen Voraussetzungen für einen potenziell hohen Ablationserfolg gegeben sind. Bei ausgewählten Patient:innen mit paroxysmalem Vorhofflimmern oder persistierendem Vorhofflimmern ohne Risikofaktoren für das Versagen einer Rhythmuskontrolle kann die Ablation generell als Erstlinientherapie angewandt werden. Hauptziel der Katheterablation bleibt die symptomatische Verbesserung.

Supraventrikuläre Tachykardien (SVT)

Die ESC hat 2019 neue Leitlinien zur Behandlung von SVT veröffentlicht [2]. Vor allem die Katheterablation nimmt hier aufgrund der technologischen Fortschritte im Bereich der Elektrophysiologie eine zentrale Rolle bei der Behandlung von SVT ein. Diese Tachykardien mit klassischerweise schmalen QRS-Komplexen (≤ 120 ms) entstehen anatomisch oberhalb des His-Bündels und können sich aufgrund von aberranter Leitung, Schenkelblöcken oder z. B. unter antiarrhythmischer Therapie jedoch im Einzelfall auch als Breitkomplextachykardien (QRS ≥ 120 ms) präsentieren. Die häufigsten SVT sind die AV-Knoten-Reentry-Tachykardie, die AV-Reentry-Tachykardie bei akzessorischer Leitungsbahn, die atriale Tachykardie und das Vorhofflattern.

Akuttherapie von SVT ohne etablierte Diagnose

Im Rahmen einer akuten Tachykardie sollte so schnell wie möglich ein 12-Kanal-EKG dokumentiert werden. Das Ruhe-EKG kann Hinweis auf die zugrundeliegende Rhythmusstörung geben (z. B. Präexzitation). Bei hämodynamischer Instabilität sollte primär eine elektrische Kardioversion erfolgen. Bei hämodynamischer Stabilität sollte als Erstlinientherapie ein Vagusmanöver durchgeführt werden (vgl. Abb. 3). Bei weiterhin bestehender Tachykardie sollte Adenosin als Bolus i.v. (6 bis 18 mg) eingesetzt werden. Sollte auch dies nicht erfolgreich sein, wird die Gabe von Verapamil i.v. oder eines Betablockers empfohlen. Sollten diese Maßnahmen die Tachykardie nicht beenden, kann eine synchronisierte elektrische Kardioversion durchgeführt werden.

Akuttherapie von SVT in der Schwangerschaft

Im besonderen Fall einer schwangeren Patientin werden zur Akuttherapie ebenso Vagusmanöver und Adenosin i.v. bzw. die synchronisierte elektrische Kardioversion bei Therapieversagen oder hämodynamischer Instabilität als sicher angesehen. Amiodaron wird während der gesamten Schwangerschaft nicht empfohlen. Bei Patientinnen mit bekannten SVT besteht bei Kinderwunsch die Empfehlung einer Katheterablation noch vor der Schwangerschaft.

Akuttherapie von Breitkomplextachykardien

SVT können sich in Kombination mit Schenkelblöcken, unter Antiarrhythmikatherapie, bei antidromer Leitung über ein aberrantes Bündel oder bei ventrikulärer Schrittmacherstimulation als Breitkomplextachykardie manifestieren. Somit kann in diesem Fall analog zur Schmalkomplextachykardie nach EKG-Dokumentation ein Vagusmanöver versucht werden, die Gabe von Adenosin wird nur bei vorliegendem Ruhe-EKG ohne Präexzitation empfohlen. Als medikamentöse Therapieoption besteht die Möglichkeit der Gabe von Amiodaron. Bei persistierender Tachykardie oder hämodynamischer Instabilität soll eine elektrische Kardioversion durchgeführt werden.

Bei der Sonderform von Vorhofflimmern mit Präexzitation (einer sog. FBI ["fast-broad-irregular"] Tachykardie) kann eine medikamentöse Akutthe-
rapie mit i.v. Ibutilid oder i.v. Flecainid versucht werden. Häufig wird jedoch eine elektrische Kardioversion notwendig sein, die bei Versagen einer medikamentösen Therapie oder bei hämodynamischer Instabilität sofort empfohlen wird. Es sollte jedoch im Fall von präexzitiertem Vorhofflimmern auf Antiarrhythmika, die die AV-Überleitung beeinflussen (Digitalis, Betablocker, Verapamil, Diltiazem und Amiodaron) verzichtet werden. Durch die Hemmung der AV-Überleitung wird die Leitung über die akzessorische Leitungsbahn gefördert und es kann zu Kammerflimmern kommen.

Ventrikuläre Tachykardien

Die initiale Diagnose einer ventrikulären Tachykardie wird durch eine EKG-Aufzeichnung (z. B. anhand der Brugada-Kriterien) gestellt. Idealerweise sollte hierfür jedenfalls ein 12-Ableitungs-EKG geschrieben werden, sofern es von der hämodynamischen Situation möglich ist. Dieses 12-Kanal-EKG erlaubt wichtige Rückschlüsse auf Lokalisation und Genese der ventrikulären Tachykardie und stellt somit eine wichtige Informationsquelle für eine etwaige Ablation dar [3]. Je nach hämodynamischer Stabilität der Patient:in kommt anschließend eine Defibrillation/Kardioversion oder eine medikamentöse Therapie infrage. Grundpfeiler der Akutmedikation sind nach wie vor Betablocker und Amiodaron, vor allem bei struktureller Herzerkrankung. Allerdings gibt es eine Reihe weiterer Antiarrhythmika, welche in spezifischen Situationen oder bei Versagen der Basistherapie eingesetzt werden können. So kann etwa bei Ineffektivität von Amiodaron bei struktureller Herzerkrankung die Therapie um Mexiletin oder Ajmalin erweitert werden. Bei durch Ischämie getriggerten polymorphen ventrikulären Tachykardien ist Lidocain ein wirkungsvolles Medikament.

Hat der Patient ein implantiertes intrakardiales Device (Herzschrittmacher, ICD, CRT), sollte dieses ehestmöglich mit einem Programmiergerät abgefragt werden (vgl. Abb. 4). Dadurch können die Arrhythmie näher beurteilt und inadäquate Schocks erkannt werden. Dann kann eine optimierte Programmierung vorgenommen werden, um die Anzahl der Schockabgaben auf ein absolut notwendiges Minimum zu reduzieren.

Nach erfolgreicher Initialtherapie erfolgt die weitere Abklärung im Hinblick auf auslösende Faktoren und Grundkrankheiten (wie z. B. akutes Koronarsyndrom, ischämische Kardiomyopathie, nichtischämische Kardiomyopathien, Elektrolytentgleisungen). Die Patient:in sollte sodann auf einer Überwachungsstation mittels EKG-Monitoring observiert werden. Falls es zu Frührezidiven der ventrikulären Tachykardie kommt, sollte mit einem Primärversorgungszentrum Kontakt aufgenommen werden, in welchem eine Katheterablation durchgeführt werden kann [4].

Zusammenfassung

Im Zentrum der Akuttherapie von tachykarden Rhythmusstörungen steht die Aufzeichnung eines 12-Kanal-EKGs, da die weiteren therapeutischen Schritte davon abhängen. Besondere Wichtigkeit kommt der leitliniengerechten Therapie zu, um Morbidität und Mortalität der Patient:innen zu reduzieren. Bei rhythmischen Schmalkomplextachykardien sind Vagusmanöver und Adenosin-Gabe die Therapie der Wahl. Bei Vorhofflimmern wird zwischen akuter medikamentöser Frequenzkontrolle und Rhythmuskontrolle mittels medikamentöser oder elektrischer Kardioversion unterschieden. Bei hämodynamisch nicht tolerierten ventrikulären Tachykardien sollte eine Kardioversion erfolgen, bei tolerierten ventrikulären Tachykardien kann ein Therapieversuch mittels Betablocker oder Amiodaron erfolgen.

Wichtig für die Sprechstunde
  • Im Zentrum der Akuttherapie von tachykarden Rhythmusstörungen steht die Aufzeichnung eines 12-Kanal-EKGs.
  • Bei rhythmischen Schmalkomplextachykardien sind Vagusmanöver und Adenosin-Gabe die Therapie der Wahl.


Literatur:
1. Hindricks G, Potpara T, Dagres N, Arbelo E, Bax JJ, Blomström-Lundqvist C, Boriani G, Castella M, Dan GA, Dilaveris PE, Fauchier L, Filippatos G, Kalman JM, La Meir M, Lane DA, Lebeau JP, Lettino M, Lip GYH, Pinto FJ, Thomas GN, Valgimigli M, Van Gelder IC, Van Putte BP, Watkins CL; ESC Scientific Document Group. 2020 ESC Guidelines for the diagnosis and management of atrial fibrillation developed in collaboration with the European Association of Cardio-Thoracic Surgery (EACTS). Eur Heart J. 2020 Aug 29:ehaa612. doi: 10.1093/eurheartj/ehaa612. Epub ahead of print. PMID: 32860505.
2. Calkins H. The 2019 ESC Guidelines for the Management of Patients with Supraventricular Tachycardia. Eur Heart J. 2019;40(47):3812-3.
3. Priori SG, Blomström-Lundqvist C, Mazzanti A, Blom N, Borggrefe M, Camm J, et al. 2015 ESC Guidelines for the management of patients with ventricular arrhythmias and the prevention of sudden cardiac death. Eur Heart J. 2015;36:2793–867.
4. Martinek, M; Manninger, M; Schönbauer, R; Scherr, D; Schukro, C; Pürerfellner, H; Petzl, A; Strohmer, B; Derndorfer, M; Bisping, E; Stühlinger, M; Fiedler, L. Expert consensus on acute management of ventricular arrhythmias - VT network Austria. Int J Cardiol Heart Vasc. 2021; 34: 100760-100760.


Autoren

© privat
Priv.-Doz. Dr. Martin Manninger-Wünscher, PhD

Department of Internal Medicine, Division of Cardiology
Medical University of Graz
A-8036 Graz

Univ.-Prof. Dr. Daniel Scherr
Medizinische Universität Graz
A-8010 Graz
Interessenkonflikte: Die Autoren haben keine deklariert



Erschienen in: doctors|today, 2022; 2 (11) Seite 32-37