Im Januar 1929 wurde der mononyme Seemann Popeye als Nebenfigur amerikanischer Comics geboren. Sein Markenzeichen war der büchsenweise Verzehr von Spinat, weil er sich daraus ungeahnte Kräfte erhoffte. Er war der gleichen Falschinformation aufgesessen wie viele Erziehungsberechtigte seiner Generation. Aufgrund einer Fehlberechnung des Physiologen Gustav von Bunge wurde 1890 dem Spinat ein zehnfach zu hoher Eisengehalt zugeschrieben. Dadurch avancierte dieses Mitglied (Spinacia oleracea) der Fuchsschwanzgewächse zu einem vermeintlich idealen Stärkungsmittel mit enormen Konsequenzen für ganze Kindergenerationen.

Noch heute sehe ich meinen etwas schmächtigeren, blutarm scheinenden Zwillingsbruder (Abbildung) stundenlang am Esstisch vor einem Teller mit Spinat ausharren, ehe meine Mutter gegen Abend denerviert dieser Trotzattacke nachgab. Ähnliche Dramen spielen sich auch heute noch an vielen Esstischen ab. Also alles völlig sinnlose Quälereien? Kamen Popeyes monströse Muskeln gar nicht vom Spinat?

Das kann man so nicht sagen. Denn Berliner Wissenschaftler konnten mit ihrer Untersuchung "Ecdysteroids as non-conventional anabolic agents: performance enhancement by ecdysterone supplementation in humans" (Isenmann E et al. Arch Toxicol 2019; 93: 1807) Erstaunliches belegen: nämlich, dass die im Spinat enthaltenen Ecdysteroide beim Menschen Bemerkenswertes leisten können.

In dieser Doppelblindstudie wurde 46 Personen zehn Wochen lang Spinatextrakt in unterschiedlichen Mengen und ein Placebopräparat bei gleichen Trainingsbedingungen verabreicht. Probanden der Verumgruppe erzielten daraufhin eine signifikante Muskelmassenzunahme und einen deutlichen Kraftzuwachs beim Bankdrücken. Popeye hatte also doch recht, aber nicht wegen des Eisens. Der Pferdefuß an der Sache ist allerdings, dass die in der Studie per Kapsel verabreichte Ecdysteronmenge pro Proband 1/4 bis vier, im Höchstfall 16 kg Blattspinat pro Tag entspricht. Für den Dauer-Spinatfutterer Popeye mag das kein Problem sein, für den menschlichen Durchschnittssprössling eher schon.

Aber vielleicht motiviert ja kleine Spinatverweigerer schon der Hinweis, dass es in jedem Fall wirkungsvoller und gesünder ist, grünen Spinat zu essen, als das Trainingspensum bis zur Grünfärbung im Gesicht zu steigern.


Dies meint Ihr Fritz Meyer, Allgemeinarzt


Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2020; 42 (17) Seite 78