Seit mehr als einem Jahr kämpft Deutschland mit der Corona-Pandemie, und die Hausärzt:innen stehen dabei oft an vorderster Front. Ein Jahr voller Pleiten, Pech und Pannen war das, beklagte der Deutsche Hausärzteverband (DHÄV) auf seiner virtuellen Frühjahrsdelegiertenversammlung und forderte die Politik auf, die Hausarztpraxen noch stärker einzubinden, damit die Impfkampagne mehr Fahrt aufnehmen kann. Es sei längst Zeit, uns einzuwechseln, so der DHÄV.

Ich hätte vor einem Jahr noch nicht geglaubt, dass es in der kurzen Zeit bis zum Herbst tatsächlich wirksame Impfstoffe gegen das Coronavirus geben würde", stellte Ulrich Weigeldt, der Bundesvorsitzende des DHÄV, nüchtern fest. Damals habe man sich noch mit fehlender Schutzausrüstung und dem Kampf um eine elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auseinandersetzen müssen. Die Flut der Rechtsverordnungen sei damals hoch gewesen – und daran habe sich leider auch nichts geändert.

Hausärzt:innen wurden lange nicht beachtet

Immer wieder habe der DHÄV seine Expertise wie Sauerbier angeboten, aber in die Beratungs- und Entscheidungsgremien sei man nicht eingebunden worden. Und jetzt, wo der Impfstoff endlich in größeren Mengen verfügbar wäre, würden die Hausärzt:innen immer noch nicht ausreichend schnell und mit den notwendigen Mengen an Impfstoffdosen versorgt. "Hausärztinnen und Hausärzte sind nicht die Impf-Reservebank der Republik – wir sind die Top-Liga, wir erzielen die entscheidenden Treffer!", beklagt Weigeldt die schleppende Impfstoffverteilung.

Beklagt wurde zudem der im Vergleich zu anderen Impfungen viel zu hohe bürokratische Aufwand, der rund um die Corona-Impfung betrieben werden müsse. Seitenlange Aufklärungsbögen und komplizierte Abrechnungen hielten den Praxisbetrieb unnötig auf. Auch die täglichen Meldungen an das Robert Koch-Institut müssten passé sein, sobald die Anzahl der Geimpften ein gewisses Maß überschritten hat. Das sei Zeit, die die Hausärzt:innen nicht hätten. Ziel müsse es sein, dass auch die Corona-Schutzimpfung schnellstmöglich Teil der hausärztlichen Routine wird, so der Hausärzte-Chef.

Ansehen in der Öffentlichkeit ist gewachsen

Und Weigeldt legt noch nach: Die Hausärzt:innen seien am Beginn der Pandemie bereits der Schutzwall für die Krankenhäuser gewesen, und jetzt seien sie wieder die Gamechanger in der Pandemie. Dafür bräuchten die Hausarztpraxen allerdings den Impfstoff. Und zwar jeden zugelassenen Impfstofftyp. Es gebe keinen sachlich nachvollziehbaren Grund, Impfzentren gegenüber den Praxen zu privilegieren. Ganz abgesehen von den Kosten würden die Hausärzt:innen auch deutlich mehr schaffen. Derzeit würden die Hausärzt:innen in der Öffentlichkeit so stark wahrgenommen wie noch nie. In dieser Krisensituation seien sich jetzt viele der Bedeutung der hausärztlichen Versorgung bewusst geworden. Diese Aufmerksamkeit müsse man nutzen. Zum Beispiel gelte es, sich dafür einzusetzen, dass auch die Praxismitarbeiter:innen ihren verdienten Corona-Bonus erhalten sollten.

Wohin geht die Digitalisierung?

Aufgrund der Pandemie-Situation sei das Thema Digitalisierung etwas in den Hintergrund geraten, so Weigeldt. Das ändere aber nichts daran, dass man sich damit weiterhin beschäftigen werden müsse. Denn die Telematik-Infrastruktur (TI) befinde sich technisch immer noch im vorigen Jahrhundert. Alle bisherigen Komponenten der Gematik-TI, wie z. B. eAU oder eRezept, würden den Hausärzt:innen in der Praxis wenig nützen. Und beschäftigen müsse man sich auch mit den Konnektoren, deren Lebenszyklus dem Ende entgegengehen würde. Zwar gebe es gute Ansätze mit der sogenannten Gematik 2.0, bei der die Hardware-Basierung durch Software-Lösungen ersetzt werden soll. Doch dabei stelle sich gleich die Frage, ob man sich dann noch einen elektronischen Heilberufsausweis (eHBA) anschaffen soll oder nicht. Denn der würde bei der Gematik 2.0 überflüssig werden. Und wenn man nachschaue, wie viele solcher Arztausweise bisher bestellt werden, dann werde deutlich, wie gering die Akzeptanz dafür zu sein scheint, so Weigeldt. Die Ärzt:innen würden hier mit den Füßen abstimmen und zum eHBA gehe einfach keiner hin. Hier habe der DHÄV bessere Lösungen mit weniger Hardware-Aufwand anzubieten, wie die Arztvernetzung in der Hausarztzentrierten Versorgung (HzV) in Baden-Württemberg beweise. Ohnehin fühlt sich der Deutsche Hausärzteverband so gut aufgestellt wie noch nie, wie Ulrich Weigeldt zum Schluss nicht ohne Stolz verkündete.



Autor
Dr. Ingolf Dürr

Erschienen in: doctors|today, 2021; 1 (6) Seite 32-33