Immer wieder wurde in den letzten Jahren vor fatalen Auswirkungen extremen Ausdauersports auf das Herz gewarnt. Und tatsächlich ist die Frage gerechtfertigt, ob das wiederholte Herangehen an sportliche Grenzen noch als physiologisch oder gar gesund zu werten ist. Angeheizt wird diese Debatte durch plötzliche, medienwirksame Todesfälle prominenter Sportler und durch wissenschaftliche Studien, die auf eine Herzschädigung durch Sport hindeuten.

"Sport ist gesund" – diese Grundthese ist durch unzählige Daten belegt. Die WHO empfiehlt wöchentlich mindestens 150 Minuten Training mäßiger Intensität oder 75 Minuten hoher Intensität, da so eine Reduktion der Sterblichkeit um durchschnittlich 10 % zu erreichen ist (WHO 2011). Wenn die Intensität weiter gesteigert wird – auf 300 Minuten mäßiger bzw. 150 Minuten hoher Intensität – , ist sogar eine Reduktion um 20 % möglich [1]. Gibt es aber eine "Höchstdosis Sport"? Für den protektiven gesundheitlichen Nutzen scheint dies tatsächlich zu gelten: Ab einer täglichen hochintensiven Trainingsbelastung über 60 Minuten ist ein zusätzlicher Nutzen quoad vitam nicht mehr nachweisbar [2].

Unklar ist jedoch, ob eine deutliche Steigerung über diese Grenze hinaus zu kardialen Schäden führen kann. Laborchemisch gibt es dafür gewisse Hinweise. So lassen sich nach einem Marathonlauf erhöhte Werte von Markern der Myozytenschädigung (Troponin) und der Herzschwäche (NT-proBNP) nachweisen [3].

Herzveränderungen durch Sport

Nachgewiesen ist auf der anderen Seite, dass das gesunde Herz auf regelmäßiges und intensives Ausdauertraining mit Anpassungsmechanismen reagiert, die derzeit als physiologisch gelten und von Vorteil für die Leistungsfähigkeit sind: Neben einer vagal getriggerten Sinusbradykardie in Ruhe kann sich das Bild des "Sportherzens" ausbilden. Dieses zeichnet sich durch eine symmetrische Vergrößerung aller vier Herzhöhlen aus. Am Beispiel des linken Ventrikels lässt sich die Reaktion des Herzens auf wiederholte Volumenbelastungen unter intensivem Training gut darstellen. Um den gesteigerten Bedarf an Blutvolumen auswerfen zu können, dilatiert der Ventrikel. Dadurch steigt aber nach dem Laplace-Gesetz die Wandspannung des Myokards. Um diese auszugleichen, nimmt die Wanddicke zu; es entsteht eine exzentrische Hypertrophie.

Auch der linke Vorhof dilatiert abhängig von der Trainingsintensität und der Zahl der Trainingsjahre. Eine Dilatation des linken Vorhofs prädestiniert jedoch für das Auftreten von Vorhofflimmern. Daher ist es nicht verwunderlich, dass Ausdauersportler bis zu fünfmal häufiger Vorhofflimmern entwickeln als die Vergleichsbevölkerung. In einer Studie zu einem bekannten norwegischen Skimarathon, dem Birkebeiner-Rennen, die seit 1976 dessen Teilnehmer nachverfolgt, entwickelten 16,7 % der Sportler paroxysmales oder permanentes Vorhofflimmern. Das Durchschnittsalter bei Erstmanifestation lag bei 57,8 Jahren, ohne dass sich eine strukturelle Herzerkrankung nachweisen ließ. Prädiktoren waren eine lange PQ-Zeit im EKG, eine Bradykardie in Ruhe und die Vorhofgröße [4]. Diese Tendenz zu gehäuftem Vorhofflimmern konnte in mehreren Studien nachgewiesen werden [5, 6 u. a.]. Indes ist die pathologische Bedeutung dieser "lone atrial fibrillation" noch unklar und eine gehäufte Rate an kardiovaskulären Ereignissen wurde noch nicht publiziert. Interessanterweise scheint es allerdings neben der Dilatation des Vorhofs auch zu strukturellen Veränderungen der Vorhofwand zu kommen (sogenanntes atriales Remodeling). Darauf deuten zumindest Daten aus einem Rattenmodell von Guasch und Mitarbeitern aus 2013 hin: Ausdauertrainierte Ratten entwickelten vermehrt Vorhofflimmern und fibrotische Einlagerungen in der Vorhofwand [7]. Diese fibrotischen Einlagerungen müssen als Schädigung der Vorhofmuskulatur gewertet werden.

Myokardfibrose bei Sportlern

Ob Sport auch beim Menschen zu einer Myokardfibrose, nicht nur in den Vorhöfen, sondern auch in der Kammermuskulatur, führt, ist nicht bewiesen. Es gibt jedoch ernst zu nehmende Hinweise, dass dies möglich ist. Wilson und Mitarbeiter verglichen zwölf ältere (> 50 Jahre) und 17 junge (31 ± 5 Jahre) Ultra-Ausdauersportler mit 20 Kontrollpersonen (> 50 Jahre) mittels kardialer MRT. 50 % der älteren Sportler wiesen eine Myokardfibrose auf, keine der Vergleichspersonen. Zudem war das Ausmaß der Fibrose assoziiert mit der Zahl der Trainingsjahre (p < 0,001) [8]. Ein kausaler Zusammenhang ist hiermit aber mitnichten belegt. So könnten die fibrotischen Areale durch Ischämien oder entzündliche Einflüsse entstanden sein.

Rechtsherzschwäche und Koronarkalk

Die Daten fordern aber zu weiteren und differenzierteren Studien auf. Ganz besonders in den Fokus gerückt ist in der letzten Zeit der rechte Ventrikel, der gewissermaßen als "Achillesferse des Sportherzens" imponiert: La Gerche und Mitarbeiter konnten nachweisen, dass die rechtsventrikuläre Auswurffraktion kurz nach einer Ausdauerbelastung um bis zu 15 % abfallen kann und dass diese "cardiac fatigue" abhängig von der Dauer der Belastung ist. Im weiteren Verlauf normalisiert sich die Funktion vollständig [9]. Diese und andere Arbeiten postulierten eine Schädigung des rechten Herzens durch wiederholte Extremausdauerbelastungen und vermuteten proarrhythmische Effekte durch den Umbau der rechtsventrikulären Muskulatur [9, 10, 11].

Aber nicht nur die Herzmuskulatur, sondern auch Koronargefäße von Marathonläufern wurden in Studien näher untersucht. Möhlenkamp und Mitarbeiter verglichen deren koronaren Kalkgehalt mit dem eines gleichaltrigen Kollektivs und wiesen erstaunlicherweise mehr Kalk bei den Sportlern nach. Ein erhöhter Kalkscore (> 100) war zudem mit einer höheren kardiovaskulären Ereignisrate bei Marathonläufern assoziiert [12].

Herzschädigung durch freie Radikale?

Wieso sollte es aber unter wiederholten Extrembelastungen zu unterschiedlichen Formen der Herzschädigung kommen? James O’Keefe diskutierte in einer Übersichtsarbeit mögliche Ursachen [13]. Durch Extrembelastungen würden große Mengen freier Radikale gebildet, die die individuellen Kapazitäten der Pufferungssysteme überschreiten können. Dies könne zu oxidativem Stress und zu einer Funktionsstörung der Kardiomyozyten führen. Die Reaktion des Immunsystems mit u. a. Freisetzung von Zytokinen stimuliere Fibroblasten und bewirke die Produktion von (Pro)kollagen. Diese Effekte könnten letztendlich zur Myokardfibrose und Koronarsklerose führen. All dies sind lediglich Hypothesen. Doch sie sollten in weiterführenden Studien untersucht werden, damit wir Sporttreibende korrekt und individuell beraten können. Derzeit gibt es keine Daten, die auf eine höhere Mortalität von Ausdauersportlern hindeuten. Im Gegenteil: Eine Studie erfasste die Sterblichkeit aller französischen Teilnehmer der Tour de France seit 1947 (n = 786) und verglich diese mit der Normalbevölkerung. Es ließ sich eine um 41 % niedrigere Mortalität und eine um sechs Jahre höhere Lebenserwartung zeigen [14]. Dass Extrem-Ausdauersport lebensverlängernd wirkt, ist dadurch natürlich nicht bewiesen; immerhin handelte es sich bei diesem hochselektierten Kollektiv wohl mit um die psychisch, physisch und genetisch bestausgestatteten Menschen überhaupt.

Sportcheck für Extremsportler

Im klinischen Alltag ist bei der Frage, ob man Sportlern Extrem-Ausdauersport zumuten kann, daher weiterhin entscheidend, ob das Herz, das belastet wird, gesund ist. Dass intensives Training bei signifikanten Koronarstenosen gefährlich werden kann, ist unbestritten. Gleiches gilt für die Myokarditis oder eine Vielzahl seltener angeborener Herzerkrankungen, wie z. B. die hypertrophe Kardiomyopathie. Um unerkannten Gefährdungen vorzubeugen, sollten Sporttauglichkeitsuntersuchungen nach den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention (DGSP) durchgeführt werden. Ob die alte Erkenntnis "dosis facit venenum" auch für den Extremsport gilt, ist noch nicht abschließend geklärt. Auch wenn die vorhandenen Daten aufmerken lassen, ist es sicherlich nicht gerechtfertigt, generell gesunden Sportlern von Extrembelastungen abzuraten.


Literatur:
1) Samitz G, Egger M, Zwahlen M. Domains of physical activity and all-cause mortality. Systematic review and dose-response meta-analysis of cohort studies. Int J Epidemiol 2011; 40(5): 1382-1400.
2) Wen CP, Wai JP, Tsai MK, Yang YC, Cheng TY, Lee MC, Chan HT, Tsao CK, Tsai SP, Wu X. Minimum amount of physical activity for reduced mortality and extended life expectancy: a prospective cohort study. Lancet 2011; 378(9798): 1244-53.
3) Scherr J, Braun S, Schuster T, Hartmann C, Moehlenkamp S, Wolfarth B, Pressler A, Halle M. 72-h kinetics of high-sensitive troponin T and inflammatory markers after marathon. Med Sci Sports Exerc 2011; 43(10): 1819-27.
4) Grimsmo J, Grundvold I, Maehlum S, Arnesen H. High prevalence of atrial fibrillation in long-term endurance cross-country skiers: echocardiographic findings and possible predictors--a 28-30 years follow-up study. Eur J Cardiovasc Prev Rehabil 2010; 17(1): 100-5.
5) Wilhelm M, Roten L, Tanner H, Wilhelm I, Schmid JP, Saner H. Atrial remodeling, autonomic tone, and lifetime training hours in nonelite athletes. Am J Cardiol 2011; 108(4): 580-5.
6) Elosua R, Arquer A, Mont L, Sambola A, Molina L, García-Morán E, Brugada J, Marrugat J. Sport practice and the risk of lone atrial fibrillation: a case-control study. Int J Cardiol 2006; 108(3): 332-7.
7) Guasch E, Benito B, Qi X, Cifelli C, Naud P, Shi Y, Mighiu A, Tardif JC, Tadevosyan A, Chen Y, Gillis MA, Iwasaki YK, Dobrev D, Mont L, Heximer S, Nattel S. Atrial fibrillation promotion by endurance exercise: demonstration and mechanistic exploration in an animal model. J Am Coll Cardiol 2013; 62(1): 68-77.
8) Wilson M, O‘Hanlon R, Prasad S, Deighan A, Macmillan P, Oxborough D, Godfrey R, Smith G, Maceira A, Sharma S, George K, Whyte G. Diverse patterns of myocardial fibrosis in lifelong, veteran endurance athletes. J Appl Physiol 2011; 110(6): 1622-6.
9) La Gerche A, Burns AT, Mooney DJ, Inder WJ, Taylor AJ, Bogaert J, Macisaac AI, Heidbüchel H, Prior DL. Exercise-induced right ventricular dysfunction and structural remodelling in endurance athletes. Eur Heart J 2012; 33(8): 998-1006.
10) Heidbüchel H, Hoogsteen J, Fagard R, Vanhees L, Ector H, Willems R, Van Lierde J. High prevalence of right ventricular involvement in endurance athletes with ventricular arrhythmias. Role of an electrophysiologic study in risk stratification. Eur Heart J 2003; 24: 1473-80.
11) Benito B, Gay-Jordi G, Serrano-Mollar A, Guasch E, Shi Y, Tardif JC, Brugada J, Nattel S, Mont L. Cardiac arrhythmogenic remodeling in a rat model of long-term intensive exercise training. Circulation 2011; 123(1): 13-22.
12) Möhlenkamp S, Lehmann N, Breuckmann F, Bröcker-Preuss M, Nassenstein K, Halle M, Budde T, Mann K, Barkhausen J, Heusch G, Jöckel KH, Erbel R; Marathon Study Investigators; Heinz Nixdorf Recall Study Investigators. Running: the risk of coronary events : Prevalence and prognostic relevance of coronary atherosclerosis in marathon runners. Eur Heart J 2008; 29(15): 1903-10.
13) O‘Keefe JH, Patil HR, Lavie CJ, Magalski A, Vogel RA, McCullough PA. Potential adverse cardiovascular effects from excessive endurance exercise. Mayo Clin Proc 2012; 87(6): 587-95.
14) Marijon E, Tafflet M, Antero-Jacquemin J, El Helou N, Berthelot G, Celermajer DS, Bougouin W, Combes N, Hermine O, Empana JP, Rey G, Toussaint JF, Jouven X. ortality of French participants in the Tour de France (1947-2012). Eur Heart J 2013; 34(40): 3145-50.


Autor:

Dr. med. H. Christian Rost, Würzburg

Facharzt für Innere Medizin/Kardiologie/Sportmedizin
Kardiologische Praxis main-herz, Sportmedizinische Untersuchungsstelle des BSAEV
97070 Würzburg

Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert.


Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2015; 37 (7) Seite 24-26