Ein Thema sorgt unter Hausärzten immer wieder für Diskussionen: Darf einem gesetzlich versicherten Patienten seine Dauermedikation, etwa im Falle eines längeren Urlaubs oder Auslandsaufenthalts, "auf Vorrat" verordnet werden – und wenn ja, für wie lange?

Es kommt immer wieder vor, dass sich Patienten für längere Zeit aus dem "Einzugsbereich" ihres Hausarztes entfernen: Der eine muss oder darf beruflich für Wochen oder Monate ins Ausland, der andere ist Rentner und will vor dem Winter in den Süden flüchten – vielleicht auch, weil er von dort stammt und die Verwandtschaft sowieso dort lebt. Damit verbunden ist häufig der Wunsch, ausreichende Mengen einer Dauermedikation verschrieben zu bekommen, damit im Ausland kein Arztbesuch nötig wird.

Arzneimittelverordnung für Urlaub im Ausland ist zulässig

Für den Hausarzt stellt sich damit die Frage: Ist das erlaubt – und innerhalb welcher Grenzen? "Grundsätzlich ist die Arzneimittelverordnung für einen kurzfristigen Urlaub im Ausland zulässig", erläutert Birgit Grain, Pressereferentin der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns. Dabei gibt es auch keine Maximalmenge für die Verordnung. "Allerdings hat der Arzt eine Sorgfaltspflicht bei der Verordnung von Medikamenten, die regelmäßige Kontrollen erfordern", so Grain. Das bedeutet, dass maximal eine bis zur nächsten Kontrolluntersuchung ausreichende Menge verordnet werden darf.

Kontrollintervalle liegen im Ermessen des Arztes

Für den Zeitraum bis zum nächsten Kontrolltermin gibt es keine festen Vorgaben und auch keine festgeschriebene Obergrenze. "Wann der Arzt die nächste Kontrolluntersuchung für notwendig hält, liegt in seinem Ermessen", sagt Grain. Den Rahmen dafür setzen die ärztliche Sorgfaltspflicht und der individuelle Patient – etwa die Stabilität seines Zustands und seine Compliance. Kennt der Arzt seinen Patienten als gut eingestellt und therapieadhärent, so darf er eine Dauermedikation durchaus auch für längere Zeiträume verschreiben. Denn eine Abgrenzung, wie lange ein Auslandsaufenthalt sein darf, um noch zu Kassenlasten versorgt zu werden, kann im Einzelfall schwierig sein, da es hierzu keine eindeutigen Festlegungen gibt. Keinesfalls mehr zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gehen Fälle, in denen der Auslandsaufenthalt nicht den Charakter einer Reise oder eines Urlaubs hat und die Patienten für einen längeren Zeitraum im Ausland leben. Verordnungen für beispielsweise ein halbes Jahr oder länger sind – auch mit dem Zusatz "Urlaubsbedarf" – nicht zulässig und können zu Regressforderungen der jeweiligen Krankenkasse führen. Nicht zuletzt auch wegen der Gefahr akuter Erkrankungen während eines Auslandsaufenthaltes sollte sich ein Versicherter rechtzeitig bei seiner Kasse erkundigen, welchen Leistungsanspruch er im jeweiligen Reiseland hat und was seinerseits zu unternehmen ist, um auch bei einem Auslandsaufenthalt ausreichend mit Medikamenten versorgt zu sein.

Natürlich müssen sich die Medikamente auch für längere Aufbewahrung eignen. "Bei einer Kühlpflicht ist ein solches Vorgehen normalerweise nicht möglich", erklärt Grain. "Wenn ein Medikament von der Apotheke gekühlt abgegeben werden muss, darf die Kühlkette nicht unterbrochen werden." Der Kühlschrank zu Hause oder die Kühltasche auf Reisen reichen dafür definitiv nicht.

Die typische Reiseapotheke

Nicht verordnungsfähige Medikamente werden auch für eine Reise nicht von der Kasse übernommen. Es gibt allerdings Ausnahmen, denn manche Versicherer übernehmen die Kosten für Reiseschutzimpfungen oder Malariaprophylaxe. Das muss aber in jedem Einzelfall mit dem Versicherer geklärt werden.

Patienten-Flyer: Der Quartalsbedarf genügt
In Patienteninfos weisen die kassenärztlichen Vereinigungen darauf hin, dass Ärzte nicht mehr als einen Quartalsbedarf verordnen sollen. Mehr ist aber grundsätzlich möglich, wenn es sich medizinisch begründen lässt: "Um eine sichere Behandlung – zu der auch Ihre Medikation gehört – zu gewährleisten, sollte Ihr Arzt demnach nicht über einen Quartalsbedarf hinaus verordnen! Nur so kann er bei Bedarf eine Anpassung der Therapie an den aktuellen Gesundheitszustand durchführen. Ein Vielfaches der größten Packung – dem Bedarf für 100 Behandlungstage – darf nur abgegeben werden, soweit medizinische Gründe diese rechtfertigen, sagt der Gesetzgeber." So heißt es im Patienten-Flyer der KVB.

Restriktiver argumentiert die KVBW: "Bei einer Reise, die nicht länger als drei Monate geht, kann der Arzt bei dauerhaft notwendiger Arzneimitteltherapie die erforderlichen Medikamente im Vorfeld verordnen, sofern keine weitere ärztliche Kontrolle Ihres Gesundheitszustands notwendig ist. Anders sieht es aus, wenn der Auslandsaufenthalt länger als drei Monate dauert. Eine Verordnung durch den Arzt als Kassenrezept ist dann nicht zulässig und kann zu Regressforderungen Ihrer Krankenkasse an Ihren Arzt führen. Nach § 16 des Sozialgesetzbuches V ruht nämlich der Anspruch auf Leistungen für Sie als gesetzlich Versicherte/Versicherten grundsätzlich, wenn Sie sich im Ausland aufhalten. Vor einer längeren Reise ins Ausland sollten Sie daher mit Ihrer Kasse abklären, wie die Verordnung im jeweiligen Reiseland für dieses Medikament geregelt ist und wie Sie es am Reiseort beziehen können." Ob es sich bei einer so engen Interpretation um einen Ausfluss schwäbischer Sparsamkeit handelt? WE



Autor:
Werner Enzmann

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2016; 38 (2) Seite 66-67