Die Praxismanagerin übernimmt komplexe Aufgaben, um Praxis-Chef und Mitarbeiter organisatorisch wie inhaltlich zu entlasten. Eigeninitiative und ein hohes Maß an Verantwortung stehen dabei im Mittelpunkt. Der folgende Beitrag beleuchtet das Tätigkeitsprofil, die wünschenswerten Eigenschaften und Qualifikationen einer Praxismanagerin.

Was muss die Praxismanagerin können? So sieht ihr Kompetenzspektrum von A–Z aus

Change-Management und Change-Mentalität:

Schon Heraklit wusste 500 vor Christus, dass nichts beständiger ist als der Wandel. Dies bekommen Sie als Praxismanagerin ganz besonders zu spüren, denn Arztpraxen müssen ihre Arbeitsprozesse immer wieder hinterfragen und optimieren. Die erforderliche Veränderungsmentalität muss von der Praxisleitung vorgelebt werden. Change-Mentalität bedeutet an Ihrem Arbeitsplatz:

  • die eigenen Arbeitsprozesse ständig zu hinterfragen,
  • den Chef in seiner Funktion als Veränderer zu unterstützen,
  • die wesentlichen Schritte eines Veränderungsprozesses zu kennen und
  • Change-Management zu leben.

Coaching-Funktion:

Sie decken Schwachstellen bei Kollegen auf oder diese bitten Sie um Unterstützung – und schon sind Sie in der Rolle eines Coachs, der Kollegen bei ihren persönlichen Entwicklungsprozessen unterstützt. Deshalb sollten Sie die wichtigsten Schritte eines Coaching-Prozesses kennen:

  • die Situation analysieren, die verbessert werden soll,
  • gemeinsam mit den Kollegen Ziele setzen,
  • Maßnahmen zur Weiterentwicklung durchführen,
  • den Nutzen für die Arztpraxis herausstellen,
  • die erreichten Ziele bewerten.

Fachwissen

erlangen Sie während Ihrer Tätigkeit. In einer Zahnarztpraxis ist es ein anderes als bei einem Allgemeinarzt. Wesentlich ist, dass Sie sich so schnell wie möglich mit den speziellen Gegebenheiten Ihrer Praxis vertraut machen und Ihre Informationen stets aktuell halten:

  • Wie ist die Praxis organisiert?
  • Welche Vorgaben und Richtlinien müssen beachtet werden?
  • Wie sehen die Arbeitsprozesse in Ihrem Arbeitsbereich aus?

Frustrationstoleranz:

Das Office ist häufig die erste Anlaufstelle für unzufriedene Mitarbeiter, verärgerte Patienten oder Geschäftspartner, die etwas zu bemängeln haben. Für Sie geht es hier darum, diesen Ärger und Frust aushalten zu können. Frustrationstoleranz heißt, dass Sie wissen, dass Sie nicht jedes Problem lösen können. Aber Sie sollten Ihrem jeweiligen Ge-sprächspartner das Gefühl geben können, bei Ihnen mit seinem Ärger "in guten Händen" zu sein. Es bedeutet auch, dass Sie Ärger und Frust abends im Office lassen und nicht als "Ärgerpaket" mit nach Hause nehmen.

Informationstechnologien:

Ob beim Handy, das als Smartphone zum Alleskönner wird, ob im internen und externen E-Mail-Verkehr oder der Informationssteuerung durch Internet und Intranet: Es gehört zu Ihren Kompetenzen, diese sich rasch wandelnden Technologien zu beherrschen und Ihren Praxis-Chef in der optimalen Ausnutzung zu unterstützen. Sicher beherrschen Sie einige EDV-Programme, welche Sie mehr oder weniger täglich nutzen. Und darüber hinaus? Da Sie zur Unterstützung Ihrer Arbeit nur die EDV-Programme anwenden können, die Sie auch kennen, müssen Sie sich auch hier auf dem Laufenden halten:
  • Sie kennen alle Tricks und Kniffe Ihres Textverarbeitungsprogramms,
  • Sie beherrschen sämtliche Tools Ihres Terminplan-Systems (z. B. Outlook, Lotus Notes),
  • Sie können Tabellen mit Excel problemlos erstellen,
  • Abrechnungsprogramme stellen für Sie kein Hindernis dar,
  • Patienten-Datenbank-Programme beherrschen Sie im Schlaf,
  • Sie gestalten den Praxisauftritt im Internet als Redakteurin.

Sollten Sie einer dieser Aussagen nicht zustimmen können, gibt es verschiedene Möglichkeiten, die eigene Kompetenz zu steigern. Sie können sich einen EDV-Coach nehmen – einen Fachmann, der sich z. B. an Ihrem Arbeitsplatz neben Sie setzt und Ihnen die wichtigsten Abläufe eines EDV-Programms zeigt.

Oder Sie halten selber eine kleine Präsentation vor Kollegen aus Ihrer Praxis, um ihnen gute Tricks und Kniffe darzustellen. Damit vermeiden Sie, dass Sie immer wieder um Hilfe gebeten werden, weil die Kollegen nicht weiterwissen.

Integrationsvermögen

bedeutet für Sie einerseits, sich selbst in neuen Teams einzubringen und eine positive Arbeitsatmosphäre zu schaffen. Andererseits bedeutet es auch, neue Kollegen in einem Team zu integrieren, Patenschaften für neue Mitarbeiter für einen gewissen Zeitraum zu übernehmen oder Ansprechpartnerin für die Auszubildenden zu sein.

Kommunikationsfähigkeit:

Sie beherrschen die Grundregeln der zwischenmenschlichen Kommunikation, weil Sie wissen,
  • wie Sie zwischen Sach- und Beziehungsebene unterscheiden und Ihre Botschaften auf den entsprechenden Ebenen ansiedeln,
  • wie Sie Ihre eigene Rolle im Dialog berücksichtigen und steuern können,
  • welche Rolle der Sender und der Empfänger im Gespräch einnehmen. Sie wissen auch,
  • dass man nicht nicht kommunizieren kann und Sie mit Ihrer Körpersprache stets eine Botschaft senden.

Konfliktfähigkeit und Kooperation:

Konflikte sind im Berufsleben wie das Salz in der Suppe. Eine konfliktfreie Zusammenarbeit kann es auf Dauer nicht geben. Die Frage ist nur: Wie gehen Sie mit einer Konfliktsituation um? Ziehen Sie sich in Ihr Schneckenhaus zurück und erdulden Sie den Konflikt oder preschen Sie forsch voran und tun Ihre Meinung lautstark kund? Beides wäre sicherlich der falsche Weg. Konfliktfähigkeit in der Arztpraxis bedeutet, dass Sie die Methoden kennen, wie Sie jemandem ein negatives Feedback geben, ohne dass dadurch die Zusammenarbeit gestört wird. Die Kunst liegt darin, Kritik so zu formulieren, dass der andere sie annehmen kann und sich nicht beleidigt oder angegriffen fühlt.

Stress-Stabilität:

Stress lässt sich nicht vermeiden, er bedeutet allerdings für jeden Menschen etwas anderes. Mit Stress positiv umgehen zu können, gehört zu Ihren Kernkompetenzen. Dies gelingt Ihnen, wenn Sie
  • Ihre Prioritäten kennen und "Nein" sagen können,
  • Ihren Perfektionismus im Griff haben und nicht immer nach 200 %iger Erledigung Ihrer Aufgaben streben,
  • Ihre Grenzen kennen und sie anderen gegenüber deutlich vertreten.

Zeitmanagement:

Damit Sie Ihren Arbeitsalltag optimal beherrschen, wissen Sie,
  • wie Sie sich Zeitfenster schaffen und diese verteidigen, um wichtige Aufgaben konzentriert abzuarbeiten,
  • wie Sie Prioritäten setzen und diese nach Wichtigkeit abarbeiten,
  • wie und wo Sie "Nein" sagen können, wenn es notwendig ist,
  • wie Sie Checklisten optimal einsetzen und nutzen,
  • wie Sie mit Zeitdieben umgehen und sie nachhaltig beseitigen,
  • wie Sie Ihre Ziele schnell und effektiv erreichen,
  • wie Sie Zeitplansysteme sinnvoll einsetzen und nutzen.

Wünschenswerte Eigenschaften einer Praxismanagerin

Zu den beschriebenen Kompetenzen kommt noch eine Reihe von Persönlichkeitseigenschaften ("Soft skills"), welche die Praxismanagerin aufweisen sollte:

Selbstbewusstsein:

  • Sie kennen Ihre Stärken und Schwächen,
  • Sie können Ihre Wünsche durchsetzen und sich behaupten,
  • Sie können, wo nötig, "Nein" sagen,
  • Sie kommunizieren Ihre eigenen Fähigkeiten positiv,
  • Sie glauben an sich und hängen in Sachen Perfektionismus die "Messlatte" nicht zu hoch.

Eigenverantwortung:

  • Sie sind es gewohnt, Verantwortung für Ihr Tun zu übernehmen,
  • Sie haben den Mut, auch einmal Fehler zu machen und dafür geradezustehen,
  • Sie wissen, dass Ihnen nicht alles gelingen kann,
  • Sie machen den gleichen Fehler nicht zweimal.

Intuition:

  • Sie verlassen sich auf Ihre Intuition und folgen ihr,
  • Sie sind damit ein guter Gegenpol zu Ihrem Chef, der häufig eher rational denkt,
  • Sie zweifeln nicht ständig, sondern verlassen sich auf Ihr Gefühl.

Gestaltungswille:

  • Sie finden sich nicht mit Dingen ab, weil sie nun einmal so sind,
  • Sie suchen selbst nach Lösungen und setzen diese auch durch,
  • Sie warten nicht auf Vorgaben von anderen, sondern werden selbst aktiv.

Selbstkontrolle:

  • Sie setzen sich realistische Ziele, die Sie auch wirklich erreichen können,
  • Sie ziehen regelmäßig Bilanz, um zu sehen, wo Sie stehen,
  • Sie wissen auch hier, dass Ziele nicht immer geradlinig und perfekt erreicht werden, sondern dass es manchmal Flexibilität braucht, um einen neuen Weg zum Ziel zu finden.

Teamfähigkeit:

  • Sie fügen sich reibungslos in ein Team ein und können sich und Ihre Prioritäten auch dort durchsetzen,
  • Sie nehmen Einfluss auf die Stimmung im Team und die Teambalance.

Vorurteilslosigkeit:

  • Sie haben gegenüber Patienten und Mitarbeitern keine Vorurteile, sondern nehmen sich Zeit, Ihr Umfeld richtig zu beurteilen,
  • Sie betrachten neue Ideen und Vorschläge zuerst einmal neutral, bevor Sie sich Ihre eigene Meinung bilden.

Ein Praxisbeispiel

Stellen Sie sich vor, Ihr Chef bittet Sie zu einem Gespräch, um Ihr Entwicklungspotential im Hinblick auf anstehende Veränderungen in der Praxis zu klären. Zu den Sie betreffenden Veränderungsprozessen gehört, dass Sie die drei Mitarbeiterinnen am Empfang betreuen sollen. Sie werden diesen gegenüber fachlich weisungsbefugt sein, der disziplinarische Vorgesetzte bleibt der Praxis-Chef. Zur Vorbereitung dieses Gesprächs erstellen Sie für sich eine Stärken-Schwächen-Analyse und ermitteln, wo und in welchen Bereichen der Mitarbeiterführung für Sie weiterer Handlungsbedarf zur Kompetenzerweiterung besteht. So gehen Sie vor:

1. Sie klären, wo Ihre Stärken bei der Mitarbeiterführung liegen:
  • Was bedeutet Stärke für Sie?
  • Was können Sie besonders gut?
  • Was fällt Ihnen leicht und wird schnell erledigt?
  • Welche Chancen und welcher Nutzen ergeben sich für Sie aus Ihren Fähigkeiten?

2. Nun beschäftigen Sie sich mit Ihren Schwächen:
  • Was bedeutet Schwäche für Sie?
  • Welche Aufgaben gelingen Ihnen weniger gut – wo versagen Sie vielleicht sogar?
  • Was schieben Sie gerne vor sich her, weil Sie es nicht so gut können?
  • Könnten aus Ihren Schwächen unter anderen Voraussetzungen sogar Stärken werden?

Berufliche Kenntnisse und Erfahrungen, soziale und kommunikative Eigenschaften,
persönliche Fähigkeiten, Denkfähigkeiten und Arbeitstechniken sind Bereiche, die Sie mit einer Stärken-Schwächen-Analyse gut fokussieren können. Wie das Ergebnis aussehen könnte, zeigt die Übersicht auf Seite 68.



Autor:

Sibylle May

Beraterin, Trainerin, Systemischer Coach, Mediatorin
40489 Düsseldorf
www.beratungsbuero-may.com

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2016; 38 (13) Seite 66-69