Die meisten Kopfschmerzpatienten konsultieren zunächst oder ausschließlich den Hausarzt. Er hat dann die Aufgabe, idiopathische Kopfschmerzsyndrome von potenziell gefährlichen akuten intrakraniellen Erkrankungen zu unterscheiden. Hilfreich ist hierfür die Kenntnis einiger Warnsymptome. Hat man eine primäre Kopfschmerzerkrankung diagnostiziert, ist die Einleitung einer effektiven und kostenbewussten Therapie gefragt.

Man unterscheidet primäre (idiopathische) Kopfschmerzen von sekundären (symptomatischen) Kopfschmerzerkrankungen. Davon abzugrenzen sind die Gesichtsschmerzen und Neuralgien. Die wichtigsten Erkrankungen aus diesen Gruppen sollen zunächst im Folgenden dargestellt und anschließend die Differenzialdiagnostik erörtert werden.

Primäre Kopfschmerzsyndrome

1) Migräne

Etwa 6 – 8 % aller Männer und 12 – 14 % aller Frauen leiden unter einer Migräne.

Nach der Klassifikation der IHS (International Headache Society) wird eine Migräne ohne Aura von einer Migräne mit Aura abgegrenzt. Für beide Migräneformen sind prädisponierende genetische Faktoren beschrieben worden. Für die einfache Migräne ohne Aura sind zurzeit bereits vier verschiedene Genorte bekannt. Der typische Migräneanfall ist ein einseitig betonter, starker, pochender oder drückender Kopfschmerz, verbunden mit Begleitsymptomen wie Übelkeit, Erbrechen, Überempfindlichkeit gegen Lärm und helles Licht. Die Dauer einer Migräneattacke variiert zwischen vier und 72 Stunden.

In 10 – 15 % der Fälle geht dem eigentlichen Kopfschmerzanfall eine Aura voraus. Am häufigsten treten passagere visuelle Symptome wie Flimmersehen mit Skotomen oder auch Sehen von Blitzen oder hellen Flecken in einem Teil des Gesichtsfelds auf. Typisch ist eine wandernde Ausbreitung im Gesichtsfeld. Der oft gezackte Rand des Flimmerskotoms hat zu dem Namen "Fortifikationsspektrum" geführt, da er der Begrenzung einer Befestigungsanlage ähnelt. In ausgeprägten Fällen kann vorübergehend eine Amaurosis auftreten. Auren können auch mit motorischen oder sensiblen Symptomen oder einer Sprachstörung einhergehen. In seltenen Fällen kann eine Aura auch durch psychische Symptome geprägt sein. Im typischen Fall remittieren Aurasymptome innerhalb von 30 min vor dem Beginn der eigentlichen Kopfschmerzphase. Bleiben Aurasymptome über Stunden oder in seltenen Fällen sogar über Tage bestehen, spricht man von einer komplizierten Migräne. Diese kann erhebliche differenzialdiagnostische Probleme bereiten, da sie vaskuläre Erkrankungen des ZNS wie Ischämie oder Sinusvenenthrombose imitieren kann.

Eine Sonderform ist die vestibuläre Migräne, die sich klinisch durch Schwindelattacken und evtl. weitere Hirnstammsymptome äußert. Oft führt hier erst die gründliche Anamneseerhebung zur Diagnose, wenn rezidivierende ähnliche Attacken in der Vergangenheit mit einer typischen Kopfschmerzsymptomatik einhergingen.

Diagnostik: Es ist nicht immer einfach zu entscheiden, wann bei migräneähnlichen Kopfschmerzen bildgebende Untersuchungen indiziert sind. Während ein typisches Flimmerskotom als Aura eines Kopfschmerzanfalls keine weitere Diagnostik erfordert, sollten alle erstmals im Zusammenhang mit migräneähnlichen Kopfschmerzen auftretenden andersartigen neurologischen Symptome, insbesondere motorische Störungen, Sensibilitätsstörungen oder Sprachstörungen, Anlass zu einer Notfalldiagnostik zum Ausschluss eines zerebralen Gefäßprozesses sein.

Therapie: Der einfache Migräneanfall sollte zunächst durch Analgetika wie Paracetamol, NSAR oder Acetylsalicylsäure behandelt werden (vgl. Übersicht 1). Die zusätzliche Gabe von Metoclopramid wirkt nicht nur antiemetisch und verbessert die Resorption oraler Analgetika, sondern scheint eine synergistische analgetische Wirkung zu haben. Für die Kombination von 1000mg Acetylsalicylsäure i.v. mit Metoclopramid wurde eine Wirksamkeit ähnlich den Triptanen berichtet.

Ein Migräneanfall, der nicht auf diese Maßnahmen anspricht, ist eine Indikation für Triptane. Diese sind in verschiedenen Applikationsformen auf dem Markt (Tablette, s.c.-Spritze, Nasenspray). Triptane wirken in jedem Stadium eines Migräneanfalls. Grundsätzlich wirken alle Migränemittel jedoch besser, wenn sie in der Frühphase eines Anfalls gegeben werden. Ein Unterschied in der Wirksamkeit zwischen den verschiedenen Substanzen konnte bislang nicht überzeugend gezeigt werden. In ca. einem Drittel der Fälle kommt es nach initialer Wirkung zu einem Wiederauftreten des Kopfschmerzes innerhalb von 24 h. Dann kann eine zweite Dosis gegeben werden. Blieb die erste Gabe eines Triptans jedoch erfolglos, wirkt gewöhnlich auch eine erneute Gabe nicht. Dennoch kann das gleiche Präparat in einer späteren Migräneattacke wieder wirksam sein.

Geht eine Aura dem Migräneanfall voraus, sollte das Triptan erst nach der Auraphase eingenommen werden, da ein erhöhtes Risiko ischämischer Ereignisse in dieser Phase nicht ausgeschlossen ist. Gegen Aurasymptome sind Medikamente zur Attackenbehandlung nicht wirksam. Entwickelt sich zusätzlich eine chronische Kopfschmerzsymptomatik, sollte zunächst immer an die Möglichkeit eines medikamenteninduzierten Kopfschmerzes bei chronischem NSAR-Gebrauch gedacht werden.

Eine medikamentöse Prophylaxe kommt bei einer Attackenfrequenz von drei oder mehr im Monat, bei Neigung zu protrahierten Attacken und bei beeinträchtigenden Aurasymptomen infrage. Mittel der ersten Wahl sind Betablocker, am besten belegt ist eine Wirkung für Propranolol und Metoprolol, wahrscheinlich kann aber auch Bisoprolol eingesetzt werden (Übersicht 2). Als Alternativen kommen Flunarizin und Topiramat infrage. Auch Valproinsäure ist wirksam, zurzeit ist der Einsatz aber off-label. Belegt sind darüber hinaus auch Verhaltensmaßnahmen wie Ausdauersport.

2) Kopfschmerz vom Spannungstyp

Der Spannungskopfschmerz kommt als episodischer oder chronischer Kopfschmerz vor. Er ist charakterisiert als ein bilateraler, eventuell holozephaler Schmerz drückender Qualität, der typischerweise eine leichte bis mittlere Intensität aufweist, nicht wesentlich durch körperliche Aktivität beeinflusst wird und ohne vegetative Begleitsymptomatik einhergeht (vgl. Tabelle 1). Eine Episode eines Spannungskopfschmerzes kann Stunden oder Tage andauern. Von einem chronischen Spannungskopfschmerz spricht man, wenn Kopfschmerzen an mindestens 15 Tagen pro Monat auftreten. Ein typischer Befund ist eine erhöhte Schmerzempfindlichkeit kranialer Muskeln. Eine manuelle Palpation der Kopf- und Nackenmuskeln sollte daher in der Praxis immer Bestandteil der Untersuchung bei Patienten mit rezidivierenden oder chronischen Kopfschmerzen sein.

Die Diagnose kann meist nach Anamnese und körperlichem Untersuchungsbefund gestellt werden. Warnsymptome, die eine weitergehende Diagnostik erfordern, sind Auffälligkeiten im neurologischen Befund, eine zunehmende Intensität der Schmerzen und Sehstörungen. In diesen Fällen kann eine Liquoruntersuchung mit Messung des Liquordrucks zum Ausschluss eines Pseudotumor cerebri indiziert sein.

Bei über 90 % der Patienten geht einem chronischen Kopfschmerz ein episodischer Kopfschmerz voraus. Häufig begünstigt ein regelmäßiger Gebrauch von NSAR zur Kopfschmerzbehandlung die Chronifizierung. In der hausärztlichen Praxis sollte daher bei Patienten mit chronischem Kopfschmerz immer auf die Medikamentenanamnese und die in der Mehrzahl der Fälle gleichzeitig vorliegenden psychiatrischen Komorbiditäten wie Depressionen und Angststörungen besonders geachtet werden.

Therapie: Ein gelegentlich auftretender episodischer Spannungskopfschmerz kann mit einfachen Analgetika behandelt werden. Bei höherer Frequenz oder Entwicklung chronischer Beschwerden sollten Verhaltensmaßnahmen wie Initiierung einer sportlichen Aktivität mit Ausdauertraining oder Entspannungsübungen mit einer medikamentösen Prophylaxe kombiniert werden (Übersicht 3). Am besten belegt ist hier die Wirkung von Amitriptylin, positive Studien liegen auch für eine Reihe weiterer Thymoleptika (Mirtazapin, Venlafaxin u. a.) und für das Muskelrelaxans Tizanidin vor. Die besten Behandlungsergebnisse zeigen Kombinationen von Stressbewältigungsstrategien mit Antidepressiva.

3) Clusterkopfschmerz

Der Clusterkopfschmerz ist der häufigste Vertreter einer Kopfschmerzgruppe, die unter dem Namen "trigeminoautonome Kopfschmerzen" zusammengefasst wird. Gemeinsam ist dieser Gruppe die Kombination heftiger einseitiger episodischer Schmerzen, die häufig peri- oder retroorbital lokalisiert sind, mit Trigeminusreizerscheinungen wie Tränenfluss, konjunktivaler Injektion, nasaler Kongestion, Lidschwellung oder auch einem Horner-Syndrom, die streng ipsilateral zum Schmerz auftreten. Die verschiedenen Kopfschmerzsyndrome dieser Gruppe unterscheiden sich besonders in Dauer, Frequenz und Schmerzqualität.

Der Clusterkopfschmerz besteht aus nächtlich betonten 30 bis 180 min anhaltenden stärksten bohrenden retroorbitalen Schmerzen, die zeitlich gehäuft über einen Zeitraum von einigen Wochen bis Monaten auftreten ("Cluster") und von monate- bis jahrelangen beschwerdefreien Intervallen unterbrochen sein können. Die Attacken können mehrmals am Tag auftreten. Männer überwiegen deutlich gegenüber Frauen. Die Betroffenen sind im Anfall so gequält, dass sie eine motorische Unruhe zeigen.

Die Diagnose wird durch die Anamnese gestellt. Nach dem ersten Auftreten sollte jedoch eine MRT des Gehirns veranlasst werden, um eine symptomatische Genese auszuschließen.

Therapie: Eine Attackenkupierung ist durch Inhalation von 100 % Sauerstoff über 15 – 20 min per Gesichtsmaske möglich (7 l/min). Für die Akutphase ist die s.c.-Applikation von Sumatriptan zugelassen, wahrscheinlich sind auch andere Triptane wirksam.

In einer Clusterphase sollte eine Attackenprophylaxe angestrebt werden. Hierfür gibt es eine Reihe in Studien als wirksam erwiesene Medikamente, für die aber keine Zulassung in dieser Indikation besteht (Verapamil, Topiramat). Eingesetzt werden können auch orale Steroide oder Lithium. Eine neue Studie beschrieb zudem eine positive Wirkung von Steroidinfiltrationen in der Umgebung des N. occipitalis major.

Sekundäre Kopfschmerzerkrankungen

Bei einer akuten Kopfschmerzsymptomatik stellt sich immer die Frage, wie eine ernsthafte intrakranielle Erkrankung ausgeschlossen werden kann. Es sollen daher zunächst wichtige mit akuten Kopfschmerzen einhergehende Erkrankungen besprochen werden.

Subarachnoidalblutung

Ein akuter heftigster Kopfschmerz, der typischerweise als schlagartig einsetzend und so stark wie kein früherer Kopfschmerz geschildert wird, ist verdächtig hinsichtlich einer Subarachnoidalblutung. In manchen Fällen kann das Einsetzen mit einer kurzen Bewusstlosigkeit einhergehen. Bei der klinischen Untersuchung kann der Patient verlangsamt wirken, meningeale Reizerscheinungen wie Erbrechen sind typisch, ein Meningismus ist jedoch besonders in der Frühphase nicht konstant vorhanden. Ursache ist in der überwiegenden Zahl der Fälle ein rupturiertes Aneurysma der Hirnbasisarterien, seltener eine Blutung aus einem Angiom.

Bei jedem Verdacht auf Subarachnoidalblutung ist umgehend eine CCT-Untersuchung erforderlich. In Zweifelsfällen kann bei nicht eindeutigem CCT-Befund eine Liquoruntersuchung die Diagnose bestätigen oder ausschließen. Neuere Studien zeigen, dass mit den heutigen CCT-Geräten die Detektionswahrscheinlichkeit einer frischen SAB bei nahezu 100 % liegt (Abb.1).

Differenzialdiagnostische Probleme können sich ergeben, wenn der Patient den akuten Kopfschmerz bei SAB zunächst mit Analgetika selbst behandelt hat und sich erst einige Tage später wegen anhaltender Kopfschmerzen in der Praxis vorstellt. Daher sollte bei jedem Patienten, der sich wegen neu aufgetretener Kopfschmerzen vorstellt, der Zeitpunkt und die Umstände des Auftretens in der Anamnese möglichst genau erfragt werden. Da das CCT einige Tage nach der Blutung durch Resorption und Umverteilung des Bluts negativ sein kann, wird man bei Angabe eines zurückliegenden akuten Einsetzens der Schmerzen eine Liquoruntersuchung veranlassen.

Meningitis

Kopfschmerzen bei einer bakteriellen Meningitis entwickeln sich über Stunden. Die Patienten gelangen schnell in einen schwer beeinträchtigten Zustand mit Bewusstseinstrübung, Übelkeit, Erbrechen und Lichtscheu. Nackensteife ist ein wichtiges diagnostisches Zeichen, das im frühen Stadium aber fehlen kann. Die Kombination von Kopfschmerzen, Fieber und qualitativen oder quantitativen Bewusstseinsstörungen ist hier wegweisend. Weniger charakteristisch kann die Kopfschmerzsymptomatik bei einer viralen Meningitis sein. Die klinische Abgrenzung von einem unkomplizierten Infekt mit Kopfschmerzen kann schwierig sein. Eine Liquoruntersuchung ist indiziert, wenn bei einem fieberhaften Infekt die Kopfschmerzsymptomatik das klinische Bild bestimmt. Auch hier gilt, dass das Vorhandensein von Nackensteife zwar wegweisend ist, das Fehlen aber diagnostisch nicht verwertet werden kann.

Da eine bakterielle Meningitis innerhalb von Stunden zu einem lebensbedrohenden Krankheitsbild werden kann, gilt die Empfehlung, dass bei Verdacht bereits der einweisende Arzt eine erste Antibiotikagabe (Ceftriaxon 2 g i.v. oder Penicillin G i.v.) applizieren sollte.

Intrakranielle Raumforderungen

Entgegen der Befürchtung vieler Patienten, die als Ursache einer protrahierten Kopfschmerzsymptomatik einen Tumor befürchten, finden sich intrakranielle Tumoren nur selten bei bildgebenden Untersuchungen wegen Kopfschmerzen. Umgekehrt werden nicht selten große Meningeome, aber auch Gliome oder Hirnmetastasen in CCT-Untersuchungen entdeckt, ohne dass der Patient unter Kopfschmerzen gelitten hat. Da das Gehirn selbst nicht schmerzempfindlich ist, treten Kopfschmerzen bei Raumforderungen oft erst dann auf, wenn eine Hirndrucksymptomatik vorliegt, also als Spätsymptom (Abb. 2).

Sinusvenenthrombose

Eine Thrombose der Hirnvenen geht mit einem holozephalen Dauerkopfschmerz einher. Es können weitere Zeichen der intrakraniellen Druckerhöhung wie Erbrechen und Bewusstseinstrübung hinzutreten. Klinisch unterscheidet sich der Kopfschmerz von der SAB, da er nicht perakut einsetzt.

Arteriitis temporalis

Ein neu aufgetretener Dauerkopfschmerz, besonders bei älteren Menschen, sollte an die Arteriitis temporalis denken lassen. Die gravierendste Komplikation einer unbehandelten Temporalarterienarteriitis ist eine plötzliche Erblindung durch Beteiligung der A. centralis retinae. Einen Hinweis erhält man durch Palpation der Temporalarterien, die im positiven Fall verdickt tastbar sind. Finden sich darüber hinaus eine beschleunigte BKS und eine CRP-Erhöhung, ist die Symptomatik hochverdächtig. Da die Diagnose eine langfristige Steroidtherapie mit gerade auch bei älteren Patienten erheblichen Nebenwirkungen erfordert, sollte die Diagnose vorher durch eine Biopsie der Temporalarterien gesichert werden.

Alternativ können neuere Duplexsonographiegeräte eine fokale Verdickung der Arterienwand darstellen. Ein geübter Angiologe kann so die Diagnose zusammen mit dem klinischen Bild und der BKS auch ohne Biopsie sichern. Die Therapie besteht in einer oralen Steroidgabe (Beginn mit 50 mg/d), falls visuelle Symptome vorliegen auch in einer Hochdosis-Steroidpulstherapie.

Gesichtsschmerzen und Neuralgien

Neben den Kopfschmerzsyndromen gibt es eine Reihe von Schmerzsyndromen, die in das Ausbreitungsgebiet der Hirnnerven lokalisiert werden und daher als Gesichtsschmerzen von den Kopfschmerzen im engeren Sinne abgegrenzt werden. An dieser Stelle soll nur die Trigeminusneuralgie als klinisch wichtigste Erkrankung beschrieben werden. Andere wie die Glossopharyngeusneuralgie sind sehr selten. Darüber hinaus gibt es eine Reihe klinisch teils schlecht definierter Schmerzzustände im Kopfbereich wie die Karotidynie, Costen-Syndrom oder Sluderneuralgie, auf die hier nicht näher eingegangen wird.

Trigeminusneuralgie

Typisches Kennzeichen der Trigeminusneuralgie ist der scharfe, einschießende Schmerz im Versorgungsgebiet eines Trigeminusastes. Jede Schmerzattacke hält nur sekundenlang an, kann sich aber in schneller Folge wiederholen. Typisch sind zudem die Schmerzauslösung an Triggerpunkten im Gesicht oder an der Mundschleimhaut. Die ständigen Schmerzattacken während des Essens können dazu führen, dass die Patienten Essen und Trinken vermeiden. Ein typisches Bild in der Praxis sind die Patienten, die ein Tuch oder einen Schal um das Gesicht geschlungen haben und selbst das Sprechen vermeiden, um nicht Schmerzattacken auszulösen. Nach heutigen pathophysiologischen Vorstellungen liegt der Trigeminusneuralgie oft eine lokale intrakranielle Schädigung des Trigeminusnerven durch aberrierende Gefäßschlingen zugrunde. Andere Ursachen umfassen z. B. MS-Herde im Ganglion trigeminale oder an der Eintrittsstelle des Nerven im Kleinhirnbrückenwinkel.

Die Therapie ist immer zunächst eine konservative medikamentöse Behandlung. Zum Einsatz kommen Antiepileptika. Therapie der Wahl ist Carbamazepin. Als Mittel der zweiten Wahl kann Baclofen hinzugegeben werden, wenn eine Monotherapie nicht ausreicht. Häufig eingesetzt wird auch Gabapentin. Die Wirkung ist aber im Vergleich zu Carbamazepin deutlich weniger durch Studien belegt.

Atypischer Gesichtsschmerz

Unter dieser Bezeichnung werden Schmerzsyndrome zusammengefasst, die keinem der bekannten Syndrome zugeordnet werden können. Die Patienten klagen über schlecht lokalisierbare ziehende oder brennende Schmerzen, die meist in die Kieferregionen ausstrahlen. Zahnärztliche, kieferchirurgische und HNO-ärztliche Abklärungen ergaben keine wegweisenden Befunde. Der neurologische Untersuchungsbefund ist unauffällig. In manchen Fällen ist eine somatoforme Störung anzunehmen, in anderen bleibt die Zuordnung unklar. Therapeutisch werden wie auch bei anderen neuropathischen Schmerzsyndromen trizyklische Antidepressiva, vorwiegend Amitriptylin, eingesetzt.

Fazit für die Praxis:
  • Kopfschmerzen können bei genauer Kenntnis der klinischen Charakteristika in den meisten Fällen durch eine gründliche Anamnese differenziert werden.
  • Erstmals aufgetretene Kopfschmerzen oder veränderte Charakteristika bei vorbestehenden Kopfschmerzerkrankungen erfordern eine weitergehende Diagnostik.
  • Häufige Medikamenteneinnahmen gehen mit dem Risiko der Entwicklung eines medikamenteninduzierten Kopfschmerzes einher.

Differenzialdiagnose der Kopfschmerzen in der Allgemeinpraxis

Bei der Differenzialdiagnostik der Kopfschmerzsyndrome kommt es in erster Linie auf die gründliche Erhebung der Anamnese an. Körperliche Untersuchungsbefunde spielen, wie die Übersicht gezeigt hat, nur eine untergeordnete Rolle.

Erfragt werden muss der Schmerzcharakter und die Lokalisation. Wichtig ist das erstmalige Auftreten und ob ähnliche Episoden bereits früher aufgetreten sind. Vier Kardinalfragen erlauben eine gute erste Einschätzung (Übersicht 4, S. 16). Studien konnten zeigen, dass die Angabe eines periodisch auftretenden schwer beeinträchtigenden Kopfschmerzes in über 90 % auf eine Migräne hinweist. Für die Diagnose einer Migräne ist auch die Information des familiären Vorkommens ein Hinweis. Schon die genaue Erfragung des Schmerzcharakters lässt oft die Differenzierung der häufigsten primären Kopfschmerzsyndrome zu.

Schwieriger kann die Abgrenzung zu sekundären Kopfschmerzursachen sein. Die Frage, wann bei Kopfschmerzen CCT- oder MRT-Untersuchungen oder auch eine Liquorpunktion indiziert sind, ist umstritten. Als einfache Regel kann gelten, dass jeder Kopfschmerz abgeklärt werden sollte, der vom Patienten als neu aufgetreten, so stark wie nie zuvor oder deutlich anders als üblich bezeichnet wird (Übersicht 5). Methode der Wahl ist bis heute wegen der schnelleren Verfügbarkeit die Computertomographie, die besonders bei intrakraniellen Blutungen der MRT mindestens ebenbürtig ist. Lässt die Klinik an eine Sinusvenenthrombose denken, kann eine CT-Angiographie angeschlossen werden. Die MRT ist überlegen, wenn neurologische Herdsymptome gleichzeitig mit einem migräneähnlichen Kopfschmerz einhergehen, um eine komplizierte Migräne von einer zerebralen Ischämie (migränöser Infarkt) zu differenzieren.


Literatur:
Ausführliche Informationen zur Klassifikation der Kopfschmerzerkrankungen finden sich auf der Webseite der IHS (International Headache Society) ihs-classification.org.
Weiterführende Literatur beim Verfasser

Interessenkonflikte:
keine deklariert

Dr. med. Carsten Isenberg


Kontakt
Dr. med. Carsten Isenberg
Sektion Neurologie
Klinikum St. Elisabeth Straubing GmbH
94315 Straubing

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2012; (12) Seite 12-17