Die Medien schüren unter jungen Ärzten die Angst vor der Niederlassung oder einer Tätigkeit in einer hausärztlichen Praxis, indem sie niedergelassene Ärzte am Rande des Existenzminimums zeigen, die mit 12- bis 16-stündigen Arbeitstagen eine Arztpraxis betreiben. Bei dieser Darstellung wird jedoch unterschlagen, dass ein zufriedenes, auskömmliches Leben als niedergelassener Arzt durchaus möglich ist.

Die Niederlassung bietet gerade jungen Ärztinnen und Ärzten eine Vielzahl von Chancen und versetzt sie in die Lage, wirklich eigenständig zu handeln und unabhängig arbeiten zu können. Auch im Angestelltenverhältnis bietet die Allgemeinmedizin mehr Möglichkeiten, Beruf und Lebensplanung unter einen Hut zu bringen, als eine Tätigkeit im Krankenhaus. So können z. B. Arbeitsverträge individuell ausgehandelt und so den eigenen Bedürfnissen angepasst werden. Damit ist eine Tätigkeit in der Allgemeinmedizin besonders familienfreundlich.

Rat und Hilfe für Praxisgründer

In Seminaren des hessischen Arms der Jungen Allgemeinmedizin Deutschland (JADE) werden die jüngeren Ärzte, die sich mit ihrer Praxis noch in der Start- und Aufbauphase befinden, auf die Niederlassung vorbereitet. Die JADE ist eine bundesweit vernetzte Arbeitsgemeinschaft junger Ärzte in Weiterbildung für Allgemeinmedizin. Ihren Interessen, von der Weiterbildung bis zur Niederlassung oder einer angestellten Tätigkeit, kommt in der Verbandsarbeit eine besondere Stellung zu, denn hier geht es um die Zukunft unseres Berufsstandes. Im Verlauf des Seminars wird die Struktur der GKV und der kassenärztlichen Abrechnung dargestellt und dann mit den Teilnehmern eine hausärztliche Praxis aufgebaut, an der die gesamte Organisation einer hausärztlichen Praxis und der Rahmen der GKV-Budgetierungen (Arbeitszeit, Verbandsmittel, Medikamente, Heilmittel, Labor) in allen Schritten transparent verfolgt werden kann.

Bei all diesen Ansprüchen zeigt sich, dass in einer eigenen Praxis nicht nur das medizinische Handwerk sitzen muss, die junge Ärztin oder der junge Arzt wird zum Praxischef und führt ein kleines Unternehmen. Entscheidend für einen gelungenen Start in die Selbstständigkeit sind Planung und Vorbereitung. Hierzu gehört neben der medizinischen Ausrichtung und Spezialisierung insbesondere ein betriebswirtschaftliches, ökonomisches, steuerrechtliches und individuelles Zusatzwissen, das sich die Niederlassungswilligen aneignen sollten. Hier muss der Arzt Eigeninitiative zeigen und Sorge dafür tragen, dass er das erforderliche Wissen erlangt.

Die meisten Menschen neigen dazu, nur auf die Risiken eines Vorgangs zu fokussieren. Dabei vernachlässigen sie oft die positiven Aspekte. Eine gut organisierte Arztpraxis kann der optimale Entfaltungsraum für eine junge Medizinerin oder einen jungen Mediziner sein, eine eigenständige, unabhängige und gesicherte Existenz auf hohem Niveau zu erlangen. Sie bietet genügend Spielraum für eigene Interessen und eine angemessene Freizeit, wenn es dem Praxischef gelungen ist, ein funktionierendes Zeit- und Praxismanagement zu integrieren.

Budget ist kein Schicksal

Im unten stehenden Kasten zeigen wir einen Überblick über die Budgetierungen einer hausärztlichen Praxis. Diese oft gefürchteten Instrumente (vor allem die daraus resultierenden Regresse) haben mittlerweile in der medialen Darstellung den Charakter eines unabwendbaren Schicksals des niedergelassenen Arztes. Vor allem die Komplexität und die zum Teil nicht überblickbaren Steuerungsinstrumente bei der Verbands- und Arzneimittelverordnung und der Heilmittelverordnung wirken hier besonders abschreckend. Auch wenn diese Instrumente dringend reformiert oder gar ganz abgeschafft werden sollten – eine Beschäftigung mit diesen Rahmenbedingungen ist dringend erforderlich, um als Kassenarzt bestehen zu können.▪

Die Budgets: Rahmenbedingungen einer hausärztlichen Praxis

Arbeitszeit Jeder Arzt mit einer vollen Kassenzulassung hat ein Zeitbudget von 780 Stunden oder 46 800 Minuten pro Quartal. Alle Leistungen, die über die KV abgerechnet werden, sind mit einem Minutenvolumen belegt, so dass die Arbeitszeit kontrolliert werden kann. Die 780 Stunden würden bei einem zwölfstündigen Arbeitstag 65 Arbeitstagen im Quartal entsprechen.

Verbands- und Arzneimittel Die Volumen der einzelnen Budgets von Verbands- und Arzneimitteln und von Heilmitteln werden in den Bundesländern unterschiedlich zwischen KV und Krankenkassen verhandelt. Die Budgetgrenzen können bei der jeweiligen KV erfragt werden. Das Verbands- und Arzneimittelbudget ist das komplizierteste Budget, weil hier neben der Budgetierung der Gesamtausgaben noch zusätzliche Bestimmungen existieren. In Hessen beträgt das Verbands- und Arzneimittelbudget 44,64 Euro pro Mitglied und 147,12 Euro pro Rentner. Das ergibt bei einer Aufteilung von 50 % Mitglieder und 50 % Rentner bei 900 Patienten (durchschnittliche Fallzahl einer hessischen Hausarztpraxis) pro Quartal ein Budget von 86 292,00 Euro. Ab einer Überschreitung von 25 % kommt es zum Regress, der aber seit diesem Jahr zunächst in eine Beratung führt.

Zu dieser Budgetierung der Gesamtausgaben kommen noch weitere Bestimmungen. So werden vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) einzelne Medikamente von der Verschreibung über die Krankenkasse ganz ausgeschlossen oder an spezielle Bedingungen geknüpft. Verschreibungsfreie Medikamente dürfen eigentlich nicht mehr über die Kasse verordnet werden, aber auch hier gibt es wiederum Ausnahmen (siehe Arzneimittelrichtlinien des G-BA).

Heilmittel Auch hier verwenden wir der Einfachheit halber die hessischen Zahlen. Für andere Bundesländer wenden Sie sich bitte an Ihre jeweilige KV. In Hessen liegt das Budget für Heilmittel (Physiotherapie, Lymphdrainage, Massagen etc.) bei 7,22 Euro pro Mitglied und 19,49 Euro pro Rentner im Quartal. Das ergibt bei der oben genannten Aufteilung und 900 Patienten im Quartal ein Budget von 12 019,50 Euro pro Quartal.

Laboruntersuchungen Das Laborbudget wird in allgemeines und spezielles Laborbudget aufgeteilt. Hausärzte bekommen Punkte pro Patient (wieder aufgeteilt in Mitglieder und Rentner) und pro Quartal, daraus errechnet sich ein Euro-Betrag. Bei der oben beschriebenen Aufteilung und 900 Patienten pro Quartal ergibt das ein Laborbudget von 2,45 Euro pro Patient und Quartal. Zusätzlich zum Laborbudget bekommt jeder Arzt auch einen Laborbonus (dieser beträgt 48 Punkte oder 1,68 Euro pro Patient). Das macht bei unseren 900 Patienten einen Bonus von 1 514,07 Euro, die der Arzt ausbezahlt bekommt, wenn er mit seinen Laborleistungen in dem oben genannten Budgetrahmen bleibt. Bei Überschreitung des Laborbudgets werden die zusätzlichen Ausgaben vom Laborbonus abgezogen. Darüber hinaus kommt es hier zu keinen weiteren Regressen.



Christian Sommerbrodt


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Christian Sommerbrodt
Allgemeinmedizin, Ernährungsmedizin und Reisemedizin
65185 Wiesbaden

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2013; 35 (1) Seite 24-25