Angstzustände, Hitzewallungen, Schweißausbrüche: Frauen in den Wechseljahren haben mit vielfachen Beschwerden zu kämpfen. Durch die Hormonschwankungen sind sie auch anfälliger für Begleitkomplikationen wie Osteoporose und Diabetes. Während die konventionelle Hormontherapie seit Jahren vielfach verteufelt wird, gilt ein sanfter Einsatz von Hormonen inzwischen als wirksame Waffe gegen die Folgen der Menopause. Man sollte diese Substanzen allerdings nur vorsichtig und zielgerichtet geben.
Heute ist bekannt, dass eine menopausale Hormontherapie (MHT, HRT) den Patientinnen nicht nur nutzt, sondern auch ernsthafte Risiken bergen kann [19, 25]. Dies hat weltweit zu einem drastischen Rückgang der Verordnung entsprechender Medikamente geführt [10, 14]. Mit dem vermeintlich "aufgeklärten" Verhalten geht jedoch auch ein Dilemma einher: Hilfesuchende Frauen bleiben hormonell oft unterversorgt, obwohl Anwendungen und Indikationen für eine risikoarme MHT verfügbar sind. Man muss sie allerdings kennen.
Ausfallserscheinungen und Nutzen menopausaler Hormongaben
- Estrogene sind systemisch wirkende Hormone. Sie beeinflussen funktionell und regenerativ nahezu alle Organsysteme und damit auch die Gesundheit und den reproduktiven Erfolg. Fallen sie, wie in der Peri- und Postmenopause, weitgehend aus, treten akut meist psycho-vegetative Entzugssymptome wie klimakterische Beschwerden auf, die durch Hitzewallungen, Schweißausbrüche, Schlaf- und Stimmungsschwankungen charakterisiert sind. Somatisch typisch sind vaginale Trockenheit, Dyspareunie und Harninkontinenz [25]. Hält der Estrogenmangel länger an, trägt er zu degenerativen Gewebsveränderungen bei, die dann z. B. in Bindegewebsschwäche und Hautatrophie, Arthrose, Osteoporose, Arteriosklerose, Diabetes mellitus und schließlich Altersdemenz münden können.
- Nutzen: Eine ausreichend dosierte, systemische Estrogensubstitution (oral oder transdermal) beseitigt innerhalb weniger Tage klimakterische Beschwerden, ebenso eine akute klimakterische Arthritis der kleinen Gelenke und urogenitale Beschwerden wie vaginale Trockenheit oder Blasenschwäche [25, 34]. Halten Schweißausbrüche dennoch an, sollte die Resorption des Estrogens mit einer Blutprobe kontrolliert werden. Es können aber auch andere Ursachen eine Rolle spielen, wie Stresseinschuss, Angststörungen oder Unterzuckerungen.
Durch längerfristige Estrogenanwendungen im Rahmen einer MHT – vorwiegend bei frühzeitigem Substitutionsbeginn gleich nach der Menopause bzw. der Ovarektomie – lassen sich an vielen Organsystemen allein durch eine Einzelmaßnahme degenerative Folgen um 30 bis 60 % vermindern. Diese umfassen osteoporotische Frakturen, die Entstehung arteriosklerotischer Plaques an den Karotiden und sogar die reduzierte Inzidenz kolorektaler Karzinome [8, 12, 15, 21, 34]. Günstige Auswirkungen auf die Lebenserwartung insgesamt sowie auf die Schlaf- und Stimmungslage, die Seh- und Hörfunktion, die diabetogene Stoffwechselentwicklung und die Gedächtnisleistung der Patientinnen sind weitere positive Effekte [19, 21, 34].
Bei allen Vorteilen bleibt aber – mit Blick auf mögliche Risiken – die Skepsis bei vielen Kollegen groß. Sie sollten jedoch zwischen den früheren "konventionellen" bzw. risikobehafteten Anwendungsformen und heutigen modernen Varianten einer MHT unterscheiden.
Risiken der "konventionellen" Hormontherapie und Abhilfen
Zu den Risiken zählt vor allem das vermehrte Auftreten von Schlaganfällen, tiefen Thrombosen, potenziell tödlichen Lungenembolien, Gallenblasenaffektionen und Mammakarzinomen [4, 15, 19, 25]. Solche Ereignisse können überwiegend entweder der estrogenen oder der gestagenen Komponente zugeordnet und dadurch gezielt beeinflusst werden.
- Estrogene: Die konventionelle Vorgehensweise sieht die orale Darreichung eines Estrogens (Monotherapie) vor. Dieser Weg ist mit einem hepatischen First-Pass-Effekt verbunden, was bei einer relativ hohen anflutenden Dosis zu pharmakologischen Modulationen von Leberprozessen inklusive der Aktivierung von Gerinnungsfaktoren führt [25]. Dies erklärt die erhöhten Risiken thromboembolischer und biliärer Ereignisse. Daneben lassen auch zahlreiche hepatische Risikomarker im Blut die Estrogen-bedingte Leberaktivierung erkennen, was besonders aus Sicht der Allgemeinmedizin mit weiteren klinischen Nachteilen einhergeht (Tabelle 1). So steigen Angiotensinogen und C-reaktives Protein (CRP) deutlich an. Dieser Prozess kann sich nachteilig auf eine labile Hypertonie und Inflammation auswirken [25]. Auch sollten Anstiege diverser Bindungsproteine nicht unbeachtet bleiben, zu denen Thyroxin, Sexualhormone, Kortisol und Vitamin D gehören. Deren Substitution und Dosisanpassung können dadurch erforderlich werden. Gelegentlich wird auf den vermutlich "günstigen" Anstieg von HDL- und den Abfall von LDL-Cholesterin unter oralen Estrogengaben hingewiesen. Dieser kann klinisch aber kaum genutzt werden, da neben den anderen genannten Risiken gleichzeitig auch die Triglyzeridspiegel und Lipidremnants "risikobehaftete" Erhöhungen aufweisen (Tabelle 1). Schließlich wird das anflutende Estrogen (üblicherweise das potente 17ß-Estradiol) hepatisch zu dem biologisch schwächeren Estron metabolisiert, weshalb man die effektive Estrogendosis unter oraler Darreichung nicht beliebig absenken kann.
Während junge Frauen in der reproduktiven Lebensphase solche hepatischen Belastungen noch vertretbar wegstecken können (z. B. ein leicht erhöhtes Thrombose- und Lungenembolie-Risiko unter oralen hormonellen Kontrazeptiva), ist dies für Frauen in der Peri- und Postmenopause mit einem altersbedingten Risikoanstieg um vielleicht das Dreifache [2] kaum noch zu rechtfertigen. Einfache Abhilfe ist durch eine transdermale Darreichung des Estrogens zu schaffen, was heute auch in nationalen und internationalen Leitlinien sowie in den Empfehlungen von Fachgremien aufgenommen ist [3, 4, 17, 20, 31, 34].
- Gestagene: Bei der konventionellen MHT wird zum Endometriumschutz und gelegentlich auch aus systemischer Indikation ein Progestagen oral ergänzt (Kombinationstherapie). Die meisten dieser "synthetischen" Gestagene, die im Rahmen einer MHT unter bisher üblichen Vorgehensweisen eingesetzt werden, haben mögliche vaskuläre Nachteile und sind vor allem mit einem erhöhten Brustkrebsrisiko gegenüber Nichtanwenderinnen verbunden [21, 23, 25, 34].
Brustkrebsrisiken sind bei dieser Therapie ein schwerwiegender Nachteil – man kann ihnen aber abhelfen. So ist eine menopausale Frau durch das physiologische Progesteron und das ihm nahestehende Dydrogesteron einem solchen vermehrten Anstieg nicht mehr ausgesetzt [7, 11, 25, 35]. Auch zeigen diese Substanzen eine weitgehende Neutralität und damit Risikoarmut beim Stoffwechsel (z. B. bei Kohlenhydraten, Triglyzeriden, Gerinnungsfaktoren, Blutdruck) und sollten bei einer MHT bevorzugt werden [22, 28, 34]. Erwähnenswert sind auch die sich abzeichnenden Auswirkungen einer systemischen Gabe von Progesteron (mikronisiert oral), die sich zur Prävention zahlreicher Alterserscheinungen nutzbar machen lassen. Dazu zählen u. a. die Neuroprotektion (z. B. Myelinisierung), das affektive Verhalten (z. B. Beruhigung, Schlafförderung, Angstlösung) und die Osteoprotektion (z. B. Stimulierung der Osteoblasten) [25, 26, 28]. Wenn synthetische Gestagene zur MHT also weniger geeignet scheinen, können sie wegen ihrer speziellen Partialeffekte doch als kurzfristige, pharmakologische Therapeutika öfter indiziert sein. So reagieren manche Präparate am Ovar und am Endometrium mehr oder weniger suppressiv. Dies kann für die Therapie von ovariellen Funktionszysten und uterinen Blutungsstörungen hilfreich sein. Andere wiederum sind antiandrogen oder antihypertensiv, was für einige Problemfälle vorteilhaft ist. Unterschiede können zudem bei der intestinalen Resorption, der metabolischen Halbwertszeit sowie beim Nebenwirkungsprofil für weitere Sonderfälle relevant sein.
Methodische und persönliche Risikoeinflüsse nicht kombinieren
Wie schon erwähnt, sind hepatische Risikobelastungen durch orale Estrogene bei perimenopausalen Frauen ausgeprägter als bei jüngeren [2]. Auch die vaskulären Risiken liegen höher, wenn zwischen dem Eintritt der Menopause und dem Beginn einer oralen MHT mehr als zehn Jahre verstreichen bzw. ein Lebensalter von 60 Jahren überschritten wurde (individuelle Timing-Hypothese) [1, 15, 29]. Nachteilige Auswirkungen der ersten Leberpassage und direkte Estrogeneffekte auf die Stabilität bzw. Instabilität von arteriosklerotischen Plaques im Alter werden hierfür verantwortlich gemacht. Eine Risikominderung ist durch eine transdermale statt einer oralen Darreichung des Estrogens sowie einen frühzeitigen Behandlungsbeginn zu erreichen [19, 20, 25].
Neben dem Timingaspekt [1, 16] tragen weitere persönliche Voraussetzungen zur Risikoerhöhung einer MHT bei [25]. Dazu zählen einige genetische Abweichungen im Fettstoffwechsel und im Gerinnungssystem sowie in der Brustkrebsregulation. Weitere ungünstige Faktoren sind eine ungesunde Lebensführung (Nikotin, Alkohol, chronischer Stress, Bewegungsarmut) und diverse Morbiditäten wie Hochdruck, Adipositas und Arteriosklerose [1, 15, 19, 23, 24, 34].
Entscheidend ist, dass solche individuellen Belastungen auch ohne Hormongaben mit gesundheitsrelevanten Komplikationen einhergehen. Deshalb sollten sie in der ärztlichen Beratung stets vom Hausarzt, Internisten oder Gynäkologen thematisiert werden. Treten sie noch dazu in Kombination mit einer risikobehafteten methodischen MHT-Variante auf (z. B. orale Estrogengaben; Kombination mit synthetischen Gestagenen), können sich manche Nebenwirkungen bzw. Krankheitsereignisse in ihrer Häufigkeit nicht nur addieren, sondern sogar potenzieren. Dies konnte z. B. bei postmenopausalen Frauen eindrucksvoll gezeigt werden. Verglichen wurden Normal- und Übergewicht sowie Adipositas bzgl. der Inzidenz thromboembolischer Ereignisse bei transdermaler versus oraler MHT; ebenso bei Frauen mit bzw. ohne Faktor-V-Leiden-Mutationen und bei unterschiedlichen Gestagenpräparaten in bisher üblicher Anwendung [4, 5, 6, 33].
Risikoarme MHT und klinische Belege
Es hat sich vielfach gezeigt, dass schon wenige Veränderungen der Anwendungsmethode einer MHT ausreichen, um das befürchtete und breit diskutierte Risikoprofil wesentlich günstiger zu gestalten. In erster Linie gehören dazu die transdermale statt der oralen Darreichung des Estrogens (Pflaster, Gel, Creme), aber auch die Bevorzugung des physiologischen Progesterons als orale Kapsel (mikronisiert) anstatt des synthetischen Gestagens [9, 13, 18, 24, 25, 27, 30, 31, 32, 34]. Unter einer so modifizierten und individuell dosierbaren MHT mit üblichen Pharmaprodukten (Tabelle 2 oben) sind thrombovaskuläre Ereignisse, Gallenblasenaffektionen mit operativem Eingriff und ein erhöhtes Brustkrebsrisiko – um nur die gravierendsten Risiken zu nennen – jetzt nicht mehr bzw. kaum noch vermehrt zu beobachten.
Solche risikoarmen Varianten der MHT gehören heute zum medizinischen Standard und sind auch in den Anwendungsempfehlungen der Fachgremien im In- und Ausland genannt. Eine sanfte MHT ist vorwiegend bei "risikobehafteten" Patientinnen (z. B. Adipositas, Diabetes, Thromboseneigung, Raucherinnen) zu bevorzugen [9, 13, 19, 31, 32, 34]. In der täglichen Sprechstunde wird die methodische Abgrenzung aber sicher fließend sein und sich nicht nur auf die oben beschriebenen, klar risikobehafteten Patienten beschränken können (Tabelle 2 unten). Denn nicht jede Patientin ist klinisch und biochemisch intensiv auf alle möglichen Risikofaktoren hin zu untersuchen. Schon allein Bewegungsarmut, Übergewicht, Alkohol- und Stressbelastungen sowie eine labile Hypertonie und ein fortgeschrittenes Lebensalter können in der Praxis relevant sein. Daher ist es ratsam, in der Allgemeinarztpraxis – wenn nicht sogar generell – eine risikoarme Hormonmethode, die "physiologische" Verhältnisse prämenopausaler Frauen annähernd wiederherstellt, mit behördlich zugelassenen Präparaten zu bevorzugen [25].
Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert.
Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2017; 39 (1) Seite 51-55