Diabetespatient:innen mit einem AID-System (sogenanntes Closed-Loop-System), welches Insulin automatisch gesteuert abgibt, werden in der Regel in einer diabetologischen Schwerpunktpraxis betreut. Dennoch ist es für die Hausärzt:in nützlich, über die Funktionsweise und die Schwachstellen dieser Technologien informiert zu sein, z. B. um im Notfall Erste Hilfe leisten zu können.

Seit 2016 sind in den USA und seit 2019 auch in Deutschland Systeme zur automatisierten Zufuhr von Insulin (AID-Systeme) im Gebrauch, überwiegend genutzt von Menschen mit Typ-1-Diabetes. Die Grundlage solcher Systeme besteht in der Regulierung des Glukosestoffwechsels über die kontinuierliche Messung der Glukose mit einem CGM, die Umrechnung dieser Daten mittels Algorithmus in eine Insulindosis und die Abgabe dieser mit einer Mikrodosierpumpe (Abb. 1).

Für die Insulintherapie speziell entwickelte Insulinpumpen gab es schon in den 1970er-Jahren, seit den 1990er-Jahren in der auch heute noch verwendeten Form, also in der Größe etwa einer Scheckkarte und der Dicke einer Streichholzschachtel. Die damit realisierte kontinuierliche Insulininfusion (CSII) zeichnet sich dadurch aus, dass über die Abgabe von ausschließlich kurzwirksamem Insulin der nahrungsunabhängige Insulinbedarf individuell angepasst werden kann, ein Vorteil, der mit der Injektion von langwirksamem Insulin unter der ICT nicht gegeben ist. Dazu wird eine Basalrate programmiert und in kurzen Zeitintervallen automatisch abgegeben. Zu den Mahlzeiten oder bei erhöhten Glukosewerten ruft sich der Anwendereinen Insulinbolus per Knopfdruck aus dem gleichen Reservoir ab. Abgesehen von einem besseren Diabetesmanagement profitieren Insulinpumpenträger:innen von einer vergleichsweise zur ICT besseren Stoffwechseleinstellung [1–4]. Heute nutzen in Deutschland schätzungsweise 30% der Menschen mit Typ-1-Diabetes eine Insulinpumpe (ca. 110.000).

Bereits zur Zeit der ersten Insulinpumpen wurde die Entwicklung eines sogenannten geschlossenen Systems (Closed Loop) vorgeschlagen [5, 6]. Um die Steuerung der Insulinabgabe zu realisieren, bedurfte es aber der Entwicklung einer weiteren Hardware, des CGM. Diese Messmethode kam zwar erstmals 1999 mit dem CGMS der Firma MiniMed auf den Markt [7], jedoch standen erst nach 2014 CGM-Sensoren zur Verfügung, welche die für die Steuerung der Insulinabgabe notwendige Genauigkeit über einen Zeitraum von 1 – 2 Wochen aufwiesen. Als Genauigkeitskriterium gilt eine Messwertabweichung von weniger als 10 % gegenüber einem Blutglukosemessgerät, wenn in einer stabilen Glukosesituation gemessen wird [8]. Über die Kopplung von Insulinpumpen und CGM erfolgte schrittweise die Entwicklung hin zu AID-Systemen. Mittlerweile sind mehrere Systeme verfügbar, die sich zwar bezüglich Technologie, Algorithmen und einzugebender Werte unterscheiden [9, 10] (Abb. 2), weniger jedoch bezüglich der erzielten klinischen Ergebnisse [11]. 2022 wenden in Deutschland schätzungsweise 25% der Insulinpumpenpatienten (ca. 30.000) ein AID-System an.

Limitierungen von AID-Systemen

Grundsätzlich betreffen die Limitierungen das ganze System, also die Insulinpumpe, das CGM und den Algorithmus. Dabei lassen sich die drei Komponenten separat betrachten, aber die Auswirkungen betreffen dann das gesamte AID-System.

Insulinpumpen

Die bekannten Limitierungen betreffen Pumpen und die Verbrauchsmaterialien und können sein:

  • Technische Probleme mit der Insulinpumpe selbst bis hin zu deren Ausfall. Dies ist eher selten, aber eben möglich ("es ist Technik").
  • Probleme mit der Handhabung der Insulinpumpe ("blinde Bedienung"). Ein durch Schulung und Erfahrung ebenfalls eher seltenes Problem.
  • Probleme mit dem Infusionsset (Lecks, Abknicken, Verstopfungen etc.).
  • Die Kanüle des Infusionssets wurde in Lipodystrophien/Verhärtungen gelegt, dadurch verringert sich die Insulinresorption (tritt auch auf bei zu langer Liegedauer des Infusionssets).
  • Probleme mit dem Reservoir (z. B. Undichtigkeiten), Probleme beim Befüllen (auftretende Luftblasen etc.).

Vernachlässigbar ist dagegen die Dosierungsgenauigkeit von Insulinpumpen. Wie verschiedene Untersuchungen gezeigt haben, ist diese sehr hoch [12]. Auch werden geringe Abgabeungenauigkeiten beim Einsatz der Pumpe in einem AID durch den Algorithmus nivelliert. Direkte Fehldosierungen sind ausgesprochen selten.

CGM-System

Die Genauigkeit der CGM-Messung ist heute so hoch, dass der Einsatz in AID-Systemen möglich ist. Weiterhin ist die Reproduzierbarkeit der Messung zwischen verschiedenen Chargen meist gegeben. An AID-Systemen sind aktuell die Guardian 3 und 4bei den Medtronic-Pumpen und der Dexcom G6 bei Tandem t:slim X2 BASAL IQ, YpsoPump und Dana-Insulinpumpe im Einsatz. Dabei sind der Dexcom G6 und der Guardian 4 werkskalibriert. Das heißt, sie können angewendet werden, ohne dass der Anwendereine Kalibration zwingend durchführen muss. Allerdings sollte man bei Messwertabweichungen mit Hilfe einer Blutglukosemessung eine manuelle Kalibration in der Glukosestabilität vornehmen. Bei Glukoseanstiegen und -abfällen kommt es zu physiologisch bedingten Unterschieden. Wird in diesem Zustand kalibriert, können die Glukoseprofile zu höheren oder zu niedrigeren Glukosewerten verschoben sein. Generell sollte der Anwender das System täglich kontrollieren. Schließlich ist zu bedenken, dass die Glukosewerte des CGM die Steuergröße für das AID-System sind!

Algorithmus

Die verschiedenen Algorithmen [9, 10] sind robust, weisen allerdings Limitierungen auf. So regulieren sie steile Glukoseanstiege (z. B. nach schnell resorbierbaren Kohlenhydraten) nicht zuverlässig, weshalb die AID-Systeme aktuell "hybrid" sind, der Mahlzeitenbolus also manuell abzugeben ist. Weiterhin "lernen" die Algorithmen. Das heißt, sie beziehen verschiedene Daten wie z.B. die Tagesinsulindosis in ihre tägliche Insulindosisberechnung ein. Die Insulinempfindlichkeit entspricht damit dem Durchschnittswert der letzten Tage. So kann es vorkommen, dass Situationen wie ungeplante körperliche Aktivitäten (z.B. Haus- und Gartenarbeit), Stress, die kurzzeitige Einnahme von Kortison etc. durch den auf die Situation der letzten Tage ausgerichteten Algorithmus nicht hinreichend gut reguliert werden. Hier hilft die Achtsamkeit der Anwenderin:innen, die notfalls in den manuellen Abgabemodus übergehen können und ihren Stoffwechsel auf altbewährte Weise managen.

Bolusmanagement zu den Mahlzeiten

Grundlegende Beachtung gilt der Abgabe des Insulins zu den Mahlzeiten, also dem Bolusmanagement, denn alle aktuellen AID-Systeme sind Hybrid-Systeme. Dies ist nach wie vor eine Limitierung. Der Zeitpunkt der Insulinabgabe und die Insulindosis zu einer Mahlzeit sind so zu wählen, dass ein sogenanntes Molnar-Dreieck entsteht. Das heißt, dass bei Verwendung kurzwirksamer Insulinanaloga nach ca. 1,7 – 2,2 Stunden die Glukosewerte noch 30 – 40 mg/dl (1, – 2,0 mmol/l) über und nach ca. 3 Stunden auf dem Ausgangswert vor dem Essen liegen sollten. Limitierend für die Glukoseregulation des AID kann insbesondere eine Überdosierung des Insulins mit der Gefahr einer Hypoglykämie sein. Das System kann nachfolgend maximal auf die Abgabe des Insulins verzichten. War die Dosis für den Bolus deutlich höher gewählt, als im nachfolgenden Zeitraum bis zum Erreichen normoglykämischer Werte an Insulin eingespart werden kann, dann tritt eine Hypoglykämie auf.

Das Gegenteil einer zu niedrig gewählten Insulindosis ist dagegen weniger kritisch. In der Regel gleicht das der Algorithmus etwas aus. Im Fall von Advance-Hybrid-AID-Systemen werden erhöhte Glukosewerte sogar automatisch mittels Insulinabgabe korrigiert.

AID-Systeme: Situationen in der Hausarztpraxis

Auswahl, technische Einweisungen, therapeutische Schulung und größtenteils auch die Betreuung von Diabetespatient:innen, welche ein AID benutzen, finden meist in diabetologischen Schwerpunktpraxen statt. Das heißt aber nicht, dass Hausarztpraxen nicht auch von diesen Patient:innen aufgesucht werden, zumindest im Zusammenhang mit akuten anderen Erkrankungen oder wenn Probleme auftauchen, ein Rezept benötigt wird usw.

Hausärzt:innen werden in der Regel nicht Spezialkenntnisse mit CSII, CGM und AID aufweisen. Sie müssen aber wissen, was in einem akuten Problemfall mit einem AID-System und seinen Komponenten zu tun ist. Bei einem Ausfall eines AID-Systems lautet eine der wichtigsten Prämissen: Der Organismus eines Menschen mit Typ-1-Diabetes benötigt nicht zwangsläufig Technologie, sondern er benötigt Insulin! Notfalls kann die Patient:in zu ihrer ursprünglichen ICT zurückkehren, falls sie Insulinpens oder Fertigspritzen mit kurzwirksamem und langwirksamem Insulin besitzt. Sie sollte auf den Übergang zu dieser Therapieform geschult sein. Das lebensnotwendige Insulin lässt sich aber auch einfach mit einer U-100-Insulinspritze verabreichen. Diese ist überall erhältlich. Das Insulin wird im Notfall aus dem Reservoir der Insulinpumpe aufgezogen, falls es nicht anders verfügbar ist.

Ein spezieller Fall dürfte ein Notarzteinsatz bei einem Menschen mit AID sein. Zunächst sollte dann immer die Blutglukose gemessen werden. Dies ist sowieso nötig und gibt auch Auskunft darüber, ob der Notfall ggf. durch einen falsch messenden Glukosesensor entstanden ist. Es ist unnötig, nach Problemen bei den einzelnen Komponenten des AID zu suchen. Falls man mit der Insulinpumpe nicht vertraut ist, sollte einfach der Schlauch des Infusionssets gekappt werden. Liegt eine Hyperglykämie vor, so erfolgt die weitere Behandlung mit kurzwirksamem Insulin per Injektion mit einer Spritze, bei Hypoglykämie mit Glukagon.

Zusammenfassung

Mit AID-Systemen werden Glukosestoffwechseleinstellungen erreicht, die so früher niemals denkbar waren. Das Risiko für akute diabetische Komplikationen und diabetische Folgeerkrankungen verringert sich damit enorm. Allerdings handelt es sich um technische Systeme, die folglich auch einmal ausfallen können. Solche Limitierungen kommen eher bei den einzelnen Komponenten des Systems vor, also z.B. bei der Insulinpumpe und deren Verbrauchsmaterialien. Hausärzt:innen sollten einen groben Überblick haben, welche Systeme es gibt. Die bekannten Maßnahmen in Notfällen sind i.d.R. ausreichend. CGM lässt sich durch vergleichende Messungen überprüfen. Im Zweifelsfall wird der Sensor aus dem Gewebe entfernt, was sehr einfach ist. Das Zusammenwirken mit einem diabetologischen Zentrum ist essenziell, sicher auch in den meisten Fällen gegeben.

Wichtig für die Sprechstunde
  • Limitierungen von AID-Systemen betreffen die Insulinpumpe, das CGM und/oder den Algorithmus.
  • Die Patient:in sollte für den Notfall zum Übergang auf eine ICT geschult sein.
  • Im Notfall sollte immer die Blutglukose gemessen werden.


Literatur:
1. Henrichs HR, Liebl A, Reichel A, Quester W, Freckmann G, Fach EM, Thomas A für die Arbeitsgemeinschaft Diabetologische Technologie der DDG (AGDT) Experimentelle Untersuchungen und klinische Evidenz der Insulinpumpentherapie (CSII). Diabetologie und Stoffwechsel 2009; 4: 390–397.
2. Jeitler K, Horvath K, Berghold A, Gratzer TW, Neeser K, Pieber TR, Siebenhofer A. Continuous subcutaneous insulin infusion versus multiple daily insulin injections in patients with diabetes mellitus: systematic review and meta-analysis. Diabetologia. 2008;51(6):941-951.
3. Pickup J, Sutten AJ Severe hypoglycaemia and glycaemic control in Type 1 diabetes: meta-analysis of multiple daily insulin injections compared with continuous subcutaneous insulin infusion. Diabetic Medicine 2008; 25: 765- 774.
4. Bode BW, Steed RD, Davidson PC Reduction in severe hypoglycemia with long-term continuous subcutaneous insulin infusion in type 1 diabetes. Diabetes Care 1996; 19: 324 - 327
5. Kadish AH. Automation control of blood sugar a servomechanism for glucose monitoring and control. Trans Am Soc Artif Intern Organs 1963; 9: 363-367
6. Feedback-Controlled and Preprogrammed Insulin Infusion in Diabetes Mellitus.
Georg-Thieme Verlag Stuttgart, New York 1978
7. Gross TM, Bode BW, Einhorn D, Kayne DM, Reed JH, White NH, Mastrototaro JJ. Performance evaluation of the MiniMed continuous glucose monitoring system during patient home use. Diabetes Technol Ther. 2000 Spring;2(1):49-56.
8. Castle JR, Jacobs PG. Nonadjunctive Use of Continuous Glucose Monitoring for Diabetes Treatment Decisions. J Diabetes Sci Technol. 2016 Aug 22;10(5):1169-1173.
9. Thomas A, Deiss D, Gehr B, Braune K, Schlüter S, Freckmann G, Heinemann L. Algorithmen für die automatisierte Regulierung der Insulinabgabe (AID-Algorithmen). Diabetes, Stoffwechsel und Herz 2021; 30(2):118-127.
10. Thomas A. AID: So wird die Insulinabgabe berechnet. Diabetes-Forum 5/2021: 10-15.
11. Jiao X, Shen Y, Chen Y. Better TIR, HbA1c, and less hypoglycemia in closed-loop insulin system in patients with type 1 diabetes: a meta-analysis. BMJ Open Diabetes Res Care. 2022 Apr;10(2):e002633.
12. Freckmann G, Kamecke U, Waldenmaier D, Haug C, Ziegler R. Accuracy of Bolus and Basal Rate Delivery of Different Insulin Pump Systems. Diabetes Technol Ther. 2019;21(4):201-208.
13. Thomas A, Kolassa R, von Sengbusch S, Danne T. CGM interpretieren: Grundlagen, Technologie, Charakteristik und Konsequenzen des kontinuierlichen Glukosemonitorings. 2. Überarbeitete Auflage. Kirchheim-Verlag 2019; ISBN 978-3-87409-690-4


Autor

© privat
Dr. Andreas Thomas

01796 Pirna
Interessenkonflikte: A. Thomas ist selbstständiger wissenschaftlicher Berater von verschiedenen Firmen (EvivaMed, Roche Diabetes Care, Dexcom). Er erhielt Honorare der Firmen EvivaMed, Dexcom, Berlin-Chemie, Sanofi und Novo Nordisk. Bis 2020 war er Scientific Manager der Firma Medtronic, u.a. Hersteller von Insulinpumpen, CGM- und AID-Systemen.



Erschienen in: doctors|today, 2022; 2 (12) Seite 32-35