Die Zeit, in der niedergelassene Ärzte rund um die Uhr ihren Patienten zur Verfügung stehen, scheint Geschichte zu werden. Der Trend geht zur Teilzeitarbeit. Und dies ist nicht ausschließlich – wie es in unterschiedlichen Publikationen immer wieder zu lesen ist – ein Wunsch der jüngeren Generationen. An einem Workshop zum Thema "Arzt in Teilzeit – eine Frage der Organisation" anlässlich der practica 2016 in Bad Orb nahmen überwiegend ältere Kollegen teil: Nach vielen Jahren ärztlicher Tätigkeit mit 50 und mehr Wochenstunden wollen sie ihre Zeiten reduzieren.

Vielleicht fragen Sie sich, wie Teilzeitarbeit gelingen kann, wenn neben ärztlicher Tätigkeit und der vielen Bürokratie auch noch Besprechungen mit den Kollegen notwendig werden, wie Personalführung gelingt, wenn Sie nicht mehr Vollzeit anwesend sind, und wie in heterogenen Teams verlässliche Entscheidungen getroffen werden können, die nicht genauso schnell revidiert werden, wie sie getroffen wurden.

Ob Sie sich über Praxisarbeit in Teilzeit Gedanken machen, weil Sie Familie und Beruf vereinbaren wollen, nach langjähriger Tätigkeit kürzertreten wollen oder andere Gründe vorliegen: Mit transparenter Organisation und konsequenter Umsetzung sind auch in einer Arztpraxis unterschiedliche Teilzeitmodelle möglich.

Bei der Planung sollten auf jeden Fall folgende Aspekte berücksichtigt werden:

  • Struktur
  • Transparenz
  • Zuständigkeiten
  • Personalführung
  • tragfähige Entscheidungsfindung

Diese Punkte sind in jeder Praxis von Bedeutung. In Praxen, in denen ein(e) oder mehrere KollegInnen in Teilzeit arbeiten, sind sie Garant dafür, dass die Arbeit reibungsarm und zur Zufriedenheit aller Beteiligten funktioniert: von Ärzten, Mitarbeiterinnen und Patienten.

Strukturierter Dienstplan

Zunächst bedarf es eines klaren Dienstplans. Je klarer und schematischer die Zeiten sind, desto einfacher sind sie zu kommunizieren und einzuhalten. Am besten gelingt dies, wenn feste Praxisöffnungszeiten in einheitliche "Abschnitte" aufgeteilt werden. Vermeiden Sie Zeiten nach den jeweiligen persönlichen Vorlieben der Kollegen. Finden Sie einen Konsens, der für alle gilt. Einheitliche Öffnungszeiten am Morgen und einheitliche Schließzeiten am Abend, sowie einheitliche Stundenraster bei den Einsatzeinheiten. Je strukturierter die Schichten sind, desto einfacher sind auch die Dienste der Mitarbeiter und die Einbestellungen der Patienten zu planen.

Beispiel: Kollegin A und Kollege B wollen beide Teilzeit arbeiten. Diese Zeiten beziehen sich immer auf Sprechstunden in der Praxis. Hausbesuchszeiten und die Zeiten für die Bürokratie kommen auch bei Teilzeit noch hinzu. Ein mögliches Modell zur Sprechstundenaufteilung zeigt Abbildung 1.

Zugegeben, das oben beschriebene ist ein sehr einfaches Modell. Je mehr Kollegen und Kolleginnen eine Gemeinschaft bilden und je unterschiedlicher die Vorstellungen sind, desto genauer muss auf die Zeiten geachtet werden. Arbeiten Sie in einem größeren Team, sind eine Reihe weiterer Modelle denkbar.

Mit einem weiteren Kollegen in Vollzeit (Kollege V) könnte ein Plan aussehen, wie in Abbildung 2 dargestellt.

Bereits in diesen kleinen Beispielen wird deutlich: Sobald in Schichten gearbeitet wird, ist eine regelmäßige Übergabe gefragt. Eine tägliche kurze Besprechung klärt Fragen, ehe diese sich zu "Problemen" auswachsen können. Und die tägliche Frequenz hilft, die Besprechungen kurz und effizient zu gestalten. Wenn "kleine" Fragen schon in der Tagesbesprechung geklärt wurden, dienen Teambesprechungen den umfangreicheren Themen. Auch hier gilt: Regelmäßigkeit und gute Vorbereitung dienen der Transparenz.

Zur Transparenz gehören:

  • tägliche Kurzbesprechung
  • Teambesprechung im zweiwöchigen Rhythmus
  • regelmäßige Personalgespräche
  • jährliche Teambildungsmaßnahmen/Betriebsausflug
  • (halb-) jährliche Gesellschaftertreffen bei Gemeinschaftspraxen

Zuständigkeiten klar regeln

Bei unterschiedlichen Arbeitszeiten gehören klare Zuständigkeiten zur Transparenz. Sie sorgen dafür, dass alle Aufgaben zeitnah erledigt werden: Wer ist für das Personal verantwortlich? Wer für Finanzen, EDV, sonstige Hardware und Geräte? Wer übernimmt die Ausbildungsverantwortung?

Ohne Zuständigkeiten kommt es zu Missverständnissen. Stellen Sie sich vor, ein Drucker funktioniert nicht mehr richtig. Bei ungleichem Arbeitsvolumen geschieht dann Folgendes: Die Teilzeitkraft sieht sich nicht in der Pflicht, weil sie sich "nicht um den Drucker kümmern kann". Es ist ja für alle klar, dass ihre Arbeitszeit begrenzt ist. Die Vollzeitkraft denkt: "Ich mache schon so viel, die Teilzeitkraft hat mehr Zeit, und kann sich um diese kleinen Dinge kümmern." Die Druckerprobleme werden nicht beseitigt und aus kleinen Aufgaben, die nicht schnell und professionell erledigt werden, erwachsen weitere Probleme. Deshalb: klare Zuständigkeiten definieren. Wer ist für das jeweilige Aufgabengebiet verantwortlich? In der obligatorischen Übergabe wird das Druckerproblem angesprochen und der Zuständige löst es unmittelbar!

Personalführung in eine Hand legen

Ein besonderes Augenmerk ist auf die Personalführung zu legen, denn eine gelungene Führungskultur unterstützt die Mitarbeiterinnen, sich mit der Praxis zu identifizieren. Doch Führung will gelernt sein, und nicht jeder ist eine geborene Führungskraft. Benennen Sie einen Personalverantwortlichen, der die Mitarbeitergespräche führt und Entscheidungen vermittelt. Wer die Personalverantwortung hat, entscheidet nicht allein, sondern setzt um, was im Ärzteteam entschieden wurde. So, wie dies für alle weitreichenden Entscheidungen gilt.

Je größer das Team, desto genauer muss darauf geachtet werden, dass Vereinbarungen und Regeln oberste Priorität haben. Die Praxisbelange stehen im Vordergrund. Persönliche Wünsche können nur in Ausnahmefällen berücksichtigt werden. Wird beispielsweise von einer Mitarbeiterin der Wunsch nach Änderung ihres Stundenumfangs geäußert, so sagen Sie nicht gleich "Ja", auch wenn Sie überzeugt sind, dass einige Stunden mehr für das gesamte Team hilfreich wären. Nehmen Sie die Anfrage mit in die nächste Wochenbesprechung und sagen Sie der Mitarbeiterin, bis wann sie eine Antwort bekommt.

Führung heißt außerdem auch: Fehler als Fehler zu behandeln und nicht als Persönlichkeitsmerkmal zu interpretieren. Wo Fehler als "menschlich" gelten, wird in der Regel eine gute Lösung gefunden.

Richtig Entscheidungen treffen

Doch was, wenn wichtige Entscheidungen immer wieder infrage gestellt werden? Dann ist vermutlich die Art, wie Sie Entscheidungen treffen, nicht immer die geeignete. In kleineren und in dringenden Fällen kann durchaus mit Mehrheitsentscheid entschieden werden, oder Sie stimmen auch mal einem Kompromiss zu. In wichtigen Entscheidungsprozessen, in denen es um strategische oder andere weitreichende Entscheidungen geht, sind Mehrheitsentscheide und Kompromisse nicht tragfähig. Wer überstimmt wurde, hegt weiterhin Zweifel und spürt Widerstand. Dies führt bewusst oder unbewusst dazu, Mehrheitsbeschlüsse nicht mittragen zu können. Nehmen Sie sich für die wichtigen Dinge Zeit, um zu einem Konsens zu kommen. Entscheidungen, die über einen Konsens zustande kommen, sind langfristig tragfähig.

Hilfreich: Routine schaffen

Der Gefahr, dass aus Teilzeit "durch die Hintertür" Vollzeit wird, begegnen Sie mit Routine. Und Routine entsteht aus Wiederholungen. Also: keine Besprechung ausfallen lassen. Je häufiger und regelmäßiger sie stattfinden, desto kürzer und effektiver verlaufen sie.

Angepasst an die Rahmenbedingungen und die Anzahl der beteiligten Kolleginnen und Kollegen gewinnt Ihre Praxis an Mehrwert: für Sie, für Ihre (Teilzeit-) Mitarbeiterinnen und letztlich auch für die Patienten. Teilzeitbeschäftigung in einer Arztpraxis ist eine reine Frage der Organisation.



Autor:

Dipl.-Päd. Ingrid Belser-Schweigler

Zertifizierter Business- und Privatcoach
79117 Freiburg



Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2017; 39 (8) Seite 85-87