Pro-Bono-Ärzt:innen wie Dr. Annett Kleinschmidt engagieren sich neben ihrem Beruf. Sie leisten z.B. Aufklärungsarbeit und helfen, Krankheiten vorzubeugen, zu lindern oder Heilungschancen zu verbessern.

Ein neues, besseres Leben für Kinder und Jugendliche ohne Stigmatisierung und Ausgrenzung: Das ist der Antrieb für das ehrenamtliche Engagement von Dr. Annett Kleinschmidt. Seit über zehn Jahren operiert die Fachärztin für Plastische und Ästhetische Chirurgie und Allgemeinchirurgie mit dem Team von "Interplast Germany" in Paraguay v. a. Kinder, die z. B. Gesichtsfehlbildungen oder schwere Verbrennungen mit daraus resultierenden funktionellen Einschränkungen ihrer Extremitäten haben. Insgesamt konnten so bereits rund 650 Operationen ehrenamtlich durchgeführt werden.2022 wurde Dr. Annett Kleinschmidt für dieses Engagement von der Stiftung Gesundheit mit dem Pro-Bono-Siegel ausgezeichnet.

Die durchgeführten Operationen haben für die betroffenen Kinder und Jugendlichen enorme Bedeutung, so Dr. Kleinschmidt: "Lippen-Kiefer-Gaumenspalten sind die dritthäufigste angeborene Fehlbildung bei Kindern. Die Familien leben oft in abgeschiedenen Dorfgemeinschaften, wodurch die Wahrscheinlichkeit, dass Lippen-Kiefer-Gaumenspalten-Träger auf Merkmalsträger treffen, höher ist. Diese Fehlbildung verursacht schwere funktionelle Einschränkungen von Beginn des Lebens an: Säuglinge sind häufig nicht in der Lage, an der Mutterbrust zu saugen, und auch die Sprachentwicklung ist stark beeinträchtigt. Die Kinder sind im sozialen Miteinander eingeschränkt und werden häufig ausgegrenzt." Die Spalte kann in mehreren Schritten vollständig korrigiert werden: "Es ist aber wichtig, die erste OP rechtzeitig durchzuführen. Der erste Schritt ist der Lippenverschluss, in der Folge-OP wird der harte Gaumen verschlossen und abschließend der weiche Gaumen."

Gearbeitet wird in einem internationalen Team: Der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurg Dr. Dr. Jürgen Ervens fungiert als Spezialist für diese speziellen Fehlbildungen. Vor Ort bildet er den Oral-Chirurgen Dr. Juan Mateo Duarte Rienzi aus, der gemeinsam mit ihm die Nachsorge vor Ort betreut. "Ohne unser Team würden die Kinder nicht behandelt werden, da diese Operation nur in wenigen, meist privaten Krankenhäusern in Paraguay möglich ist. Langfristig ist unser Ziel, dass wir vor Ort nicht mehr benötigt werden. Das wird aber noch dauern," erklärt Dr. Kleinschmidt. "Im Bereich der plastischen Chirurgie lösen wir v. a. Narben über Gelenken auf, damit die Kinder ihre Gliedmaßen wieder bewegen können und diese nicht versteifen. In Paraguay wird noch viel am offenen Feuer gekocht und die Aufsicht ist oftmals nicht gewährleistet, da beide Eltern arbeiten. Deswegen haben wir viel mit schweren Verbrennungen zu tun. Wir führen nur funktionelle und keine kosmetischen Operationen durch. So ermöglichen wir den Kindern, ohne Schmerzen und Missbildung aufzuwachsen."

Soziales Engagement ist ihr wichtig: "Manchmal wissen wir nicht, wie gut es uns eigentlich geht, trotz vieler kleiner und großer Sorgen. Im Rahmen der eigenen Möglichkeiten Gutes zu tun, ist wichtig und erdet einen selbst. Ich bin der festen Überzeugung, dass man alles Gute, was man tut, mehrfach zurückerhält. Als Arzt beziehungsweise Fachkraft im Gesundheitswesen hat man berufsbedingt mehr Möglichkeiten, wirklich sinnvoll zu helfen. Ob im Großen oder Kleinen: Ein bisschen besser wird die Welt, mit jeder Person, die sich engagiert!" Kolleg:innen, die sich in organisierter Form einbringen möchten, sich aber bisher nicht an das Thema herangetraut haben, rät sie: "Einfach machen! Sei es Interplast, WHO, German Doctors, Ärzte ohne Grenzen: Es gibt viele Organisationen, bei denen man Erfahrungen sammeln kann und im Fall des Falles auch im Ehrenamt versichert ist."

Aktuell hat das Team die Nachsorge der operierten Personen weitestgehend abgeschlossen. Nun geht es wieder an die Spendengenerierung: "Wir finanzieren uns komplett selbsttätig, die Spenden kommen1:1 an. Allein an Flug- und Transportkosten haben wir das letzte Mal 24.000 € aufgewendet. Hinzu kommen Medikamente und Verbrauchsmaterialien und das ein oder andere medizinische Gerät. Dann müssen wir Einladungen, Arbeitserlaubnisse und Patienten für 2024 koordinieren. Langweilig wird es also nie."

Vor 13 Jahren hat Dr. Kleinschmidt gemeinsam mit zwei Kollegen eine Unterorganisationseinheit der auf plastische Chirurgie spezialisierten Hilfsorganisation "Interplast Germany" gegründet. Daraus ergibt sich ein beständiges Team aus elf Ärzt:innen und Pflegekräften. Bisher sind acht Einsätze in "Presidente el Franco" am Rande des Dschungels von Paraguay (an der Grenze zu Brasilien) erfolgt, mit rund 650 ehrenamtlich durchgeführten Operationen. Operiert werden zu 85% Kinder mit Folgen von Brandverletzungen, Lippen-Kiefer-Gaumenspalten, sonstigen angeborenen Fehlbildungen wie doppelten Gliedmaßen oder Tumoren. Ein großer und unabdingbarer Kooperationspartner des Projekts ist Salesforce (www.salesforce.com). Die Software unterstützt das Team beim Management vor Ort. "So haben wir eine elektronische Patientendatei, mit der wir später die Bilddatenbank koppeln können, und daraus erstellen wir die Operationspläne. Ein IT-Spezialist von Salesforce war bisher jedes Mal zur Etablierung der offline-kompatiblen Patienten-Management-App mit in Paraguay," soDr. Kleinschmidt.

Ein separates Ukraine-Projekt, dassie direkt nach Kriegsausbruch gestartet hatte, ist mittlerweile weitestgehend abgeschlossen (mit medizinische nHilfsgüter im Wert von 200.000 €). Ihren Berliner Partner, die Ukraine Hilfe Berlin e.V., unterstützt sie weiterhin aktiv.

Dr.-Pro-Bono-Siegel: Das steckt dahinter
Die Stiftung Gesundheit verleiht seit 2018 engagierten Ärzt:innen wie Dr. Annett Kleinschmidt das Siegel "Dr. Pro Bono" und gibt ihren Projekten damit eine Plattform: In Interviews berichten die Dr. Pro Bono-Ärzte von ihrem Engagement und ihren Einsätzen. Mittlerweile tragen über 1.000 Ärzt:innen die Auszeichnung der Stiftung Gesundheit. Damit können Mediziner:innen öffentlich zeigen, dass sie sich ehrenamtlich engagieren. Das Siegel können sie in ihre Praxis-Website einbinden, sodass Patient:innen direkt erkennen, dass sie sich auch in ihrer Freizeit für das Gemeinwohl einsetzen. Es wird zudem automatisch im persönlichen Eintrag in der Arzt-Auskunft der Stiftung Gesundheit angezeigt. Die Arzt-Auskunft wird als Such-Verzeichnis anhand von Diagnose- und Therapieschwerpunkten von Patient:innen und nahezu allen Krankenversicherungen genutzt. Darüber hinaus gibt die Stiftung der ehrenamtlichen Arbeit auf ihrer Website eine Bühne. Dort stellt sie engagierte Ärzt:innen und ihre Projekte im Interview vor. Neue Beiträge verbreitet die Stiftung auch über ihre Social-Media-Kanäle wie LinkedInund Twitter: https://www.stiftung-gesundheit.de/arzt-auskunft/dr-pro-bono/



Autor:innen
Alexandra Köhler (Stiftung Gesundheit), Yvonne Perdelwitz, Sabine Mack

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Erschienen in: doctors|today, 2023; 3 (5) Seite 52-54