Oftmals werden Steigerungsfaktoren der GOÄ in der Praxis nicht angewendet. Damit sollen unliebsame Reklamationen seitens der Kostenträger umgangen werden. Doch das ist nicht notwendig, wenn die aktuelle Rechtsprechung und die Inhalte des Paragrafen 5 der GOÄ korrekt Anwendung finden. Unsere Abrechnungsexpertin Ursula Klinger-Schindler erklärt, worauf Sie achten müssen.

Paragraf 5 der GOÄ zur "Bemessung der Gebühren für Leistungen des Gebührenverzeichnisses" gibt den Gebührenrahmen vor und ist damit das wichtigste Instrument einer leistungsgerechten Abrechnung. Demnach bemisst sich die Höhe der einzelnen Gebühr "… nach dem Einfachen bis Dreieinhalbfachen des Gebührensatzes". Für technische Leistungen reicht der Gestaltungsspielraum vom einfachen bis 2,5-fachen Satz. Die Gebühren sind von der Ärzt:in innerhalb dieses Rahmens "unter Berücksichtigung der Schwierigkeit und des Zeitaufwandes der einzelnen Leistung sowie der Umstände bei der Ausführung […] zu bestimmen".

Die Bundesärztekammer weist im GOÄ-Ratgeber zum Thema Steigerungsfaktoren aber auch darauf hin, dass die Wiederholung der Bemessungskriterien wie etwa zeitaufwendig, schwierige Differentialdiagnose oder schwierige Technik nicht ausreichend ist, um einen Gebührensatz über dem Schwellenwert zu rechtfertigen [1]. Gemäß Landgericht Hamburg vom 29.06.16 "muss die Begründung der Steigerung auf die Einzelleistung verständlich nachvollziehbar sein".

Merke: Bei Überschreitungen des Schwellenwertes oder Regelfaktors beachten Sie bitte Folgendes:


  • Zeitaufwand so konkret wie möglich beschreiben und möglichst in Minuten angeben.

  • Schwierigkeit bei der Erbringung der Leistung so konkret wie möglich beschreiben und begründen, z. B. mit "außergewöhnlich schwierige…".

  • Fachbegriffe möglichst weglassen und Begründungen so formulieren, dass auch die Patient:in sie versteht.

  • Begründung immer auf die jeweilig individuell zutreffende Leistung beziehen.

  • Für unterschiedlich gesteigerte Leistungen jeweils auch unterschiedliche Begründungen angeben.

Die Begründungsbeispiele in Tabelle 1 stellen überdurchschnittliche Steigerungssätze in der Praxis dar. Die Leistungen werden in diesem Beispiel mit dem 3,5-fachen Steigerungsfaktor abgerechnet, eine entsprechende Begründung ist damit erforderlich.

Häufig werden die Ausschlüsse der Beratung Nummer 3 nicht beachtet. Dabei kann dieses Problem durch eine Steigerung der Ziffer 1 auf den 3,5-fachen Faktor behoben werden. Die nachfolgende Aufzählung zeigt Beispiele für die Begründung der Beratung nach GOP 1; sie wird mit einer tatsächlichen Zeitdauer von mindestens 10 Minuten durchgeführt.

Abrechnungsbegründungen:

Zeitintensives Gespräch wegen …


  • Schweregrad der Erkrankung + Diagnose

  • Therapieresistenz + Diagnose

  • beratungsintensiven Krankheitsbilds + Diagnose

  • ausführlicher Beratung mind. 10 Minuten

  • Phänotyp, Anzahl der Pigmente

  • Immunsuppression


Merke:


  • Entscheidend ist die Dokumentation des zeitlichen Umfangs und der Schwierigkeiten bei der Durchführung der Beratungsleistung.

  • Die Beurteilung, ob eine Leistung schwierig bzw. zeitaufwendig war und/oder die Ausführung unter besonderen Umständen erfolgte, obliegt immer der behandelnden Ärzt:in, nicht der Sachbearbeiter:in der Versicherung!



Quellen:
1. Deutsches Ärzteblatt 101, Heft 44 vom 29.10.2004
2. Urteil LG Hamburg vom 29.06.16 (AZ 322 S61/14)


Autorin

Ursula Klinger-Schindler

Fachdozentin ärztliches Abrechnungswesen und Fachbuchautorin,
Unternehmensberatung für Klinik und MVZ
Die Autorin Ursula Klinger-Schindler bietet zum Beitragsthema und auch zu vielfältigen anderen Abrechnungsthemen Seminare und Fortbildungen an. Die Termine und weitere Informationen finden Sie auf der Website http://www.abrechnungsseminare.de

Erschienen in: doctors|today, 2021; 1 (4) Seite 52-53