Menschen stürzen oder stoßen sich den Kopf. Das ist so alltäglich, dass in der Ambulanz oder der Praxis keine Unklarheiten bestehen sollten, ob und wie diagnostische Maßnahmen bei einem solchen Ereignis eingeleitet werden sollten. Leider sieht der Alltag in deutschen Kliniken anders aus. Selbst in der überwiegenden Anzahl von spezialisierten Krankenhausabteilungen gibt es keine klaren Regelungen, bei welchem Schweregrad der Symptomatik Diagnostik gemacht wird und wann nicht. Sieht man die Gesamtheit der Patienten mit Schädel-Hirn-Trauma (SHT), so ist noch nicht einmal erkennbar, welche Art von bildgebender Diagnostik dafür eingesetzt werden soll. Dieser Artikel soll hier für mehr Klarheit sorgen.

Wenn wir mit unseren Studenten in der Vorlesung über das Schädel-Hirn-Trauma diskutieren, dann berichten sie durchgängig, dass sie bei Famulaturen in Notfallkrankenhausabteilungen noch die Praxis kennengelernt haben, dass beim leichten SHT eine Röntgen-Schädelübersichtsaufnahme in zwei Ebenen und eine Röntgen-Halswirbelsäulenaufnahme in zwei Ebenen mit Denszielaufnahme durchgeführt wird. Bei der Diskussion der Frage, um was es denn eigentlich beim SHT wirklich geht, wird selbst den Studenten klar, dass es bei der Diagnostik des SHT eigentlich auf die Hirnschädigung ankommt, die auf einer konventionellen Röntgenaufnahme naturgemäß nicht dargestellt werden kann.

Röntgen nicht indiziert

Also folgt daraus, dass die Anfertigung einer konventionellen Röntgenaufnahme beim SHT eine nicht gerechtfertigte Indikation zur Anwendung von Röntgenstrahlen in der Medizin darstellt. Zudem ist die konventionelle Röntgenaufnahme des Schädels eine auch für Könner sehr schwierig zu interpretierende Aufnahme, da sich zahlreiche anatomische Strukturen überlagern und somit etwa 30 % der Frakturen übersehen werden.

Die Sensitivität der Diagnose aus dieser Aufnahme ist also gering. Findet man auf einer Röntgenübersichtsaufnahme eine Fraktur, muss man eine Computertomographie (CT) des Schädels anschließen, um eine Hirnschädigung auszuschließen. Ist ein Patient neurologisch auffällig und man findet keine Fraktur auf der konventionellen Röntgenaufnahme, muss man auch ein CT durchführen.

CT auch bei Kindern notwendig

In der Änderung der Röntgenverordnung 2003 ist die Anwendung von Röntgenstrahlung bei Kindern eingeschränkt worden, indem das Verfahren benutzt werden muss, das die geringste Röntgenstrahlung appliziert. In der bildgebenden Diagnostik ist dies der Ultraschall und die Magnetresonanztomographie (MRT). Diese Anweisung wird dadurch bestätigt, dass jüngste Publikationen gezeigt haben, dass CT-Untersuchungen bei Kindern signifikant mehr Tumorerkrankungen auslösen. Diese Anweisung nehmen wir als Neuroradiologen und Kinderärzte sehr ernst, indem wir grundsätzlich bei Kindern den Ultraschall und die MRT einsetzen, beispielsweise zur Kopfschmerzabklärung, bei der Kontrolle eines Hydrozephalus, bei demyelinisierenden Erkrankungen und bei Tumoren des ZNS.

Beim SHT haben aber diese Methoden Grenzen. Hier müssen selbst kleine Epiduralhämatome sicher ausgeschlossen werden, was gerade beim Ultraschall nicht immer möglich ist. Selbst beim nicht-traumatisierten Kind ist im Alter von unter sechs Jahren eine MRT-Untersuchung ohne Sedierung nicht möglich. Die Sedierung erschwert jedoch die spätere Überwachung der Kinder. Zudem benötigt die MRT-Untersuchung wesentlich mehr Zeit als die CT-Untersuchung, schon wegen der Vorbereitung der Kinder. Bei Verwendung des CT kann der Rettungsdienst mit der Rettungstrage den CT-Raum betreten, das Kind kann sofort umgelagert werden und zwei bis drei Minuten später kann man aufgrund der Bildinformation die Entscheidung zur weiteren Therapie treffen. Diese Geschwindigkeit ist beispielsweise beim raumfordernden epiduralen Hämatom gehirn- und lebensrettend. Daher ist auch bei Kindern mit SHT das CT die bildgebende Methode der Wahl in der Akutdiagnostik eines SHT.

Indikation nach Glasgow Coma Score stellen

Somit ist letztlich in der Akutdiagnostik nicht mehr die Frage des Wie (es muss CT sein), sondern nur die Frage der Indikation zu beantworten. Das ist leider nicht so einfach. Es gibt hier zahlreiche Empfehlungen, die allerdings in der Praxis nicht so einfach umzusetzen sind. Wer entscheidet denn beispielsweise, ob es sich um einen Hochgeschwindigkeitsunfall gehandelt hat? Ist das ein Sturz aus 2 m oder nur 1,50 m Höhe? Muss das Auto 50 km/h schnell gewesen sein oder doch 70 km/h? Empfehlenswert ist eine Klassifikation, die von Rieger et al. in "Der Radiologe" 2002 publiziert worden ist. Diese Klassifikation orientiert sich am GCS (Glascow Coma Score), der in der Notfallmedizin durchgängig verwendet wird. Der GCS hat zwar Schwächen bei neurologischen Symptomen, wird aber im Notfall von den Notärzten immer erhoben und ist im klinischen Alltag gebräuchlich. Rieger et al. empfehlen bei einem GCS von 15 keine bildgebende Diagnostik durchzuführen, mit Ausnahme zweier Kollektive: Patienten über 65 Jahre und Patienten mit blutgerinnungshemmender Therapie oder unter Thrombozytenaggregationshemmern. Bei Patienten mit einem GCS von 14, die sich innerhalb von zwei Stunden auf einen GCS von 15 wieder verbessern, wird auch keine bildgebende Diagnostik durchgeführt.

Bei allen Patienten mit einem GCS von 13 und weniger ist ein CT des Schädels indiziert. Natürlich kann diese Klassifikation nicht durchgängig verwendet werden (beispielsweise wenn eine Fraktur getastet wird oder wenn der Patient an der Unfallstelle längere Zeit bewusstlos war), aber sie ist doch eine relativ einfache Orientierungshilfe, nach der man sich im klinischen Alltag und bei akuten Entscheidungen richten kann.

Das Problem des Zeitpunkts

Neben den sehr leicht zu diagnostizierenden epi- und subduralen Hämatomen (Tabelle 1) stellen uns Neuroradiologen manchmal sehr frische Kontusionsblutungen in der Akutdiagnostik vor Probleme. Typischerweise dann, wenn das SHT nur sehr kurze Zeit zurückliegt (Patient vor dem Klinikum verunfallt) und das CT wenige Minuten nach dem Trauma angefertigt wird.

Vereinfachend gesagt ist frisches Blut im CT hell (hyperdens), aber ganz frisches Blut hat noch die Dichte von Hirngewebe (isodens) und ist daher nicht zu erkennen (besonders an Stellen, an denen Partialvolumeneffekte auftreten wie frontobasal). Wird also beim CT keine Blutung diagnostiziert und der Patient bietet neuropsychologische oder fokal neurologische Symptome, so sollte im weiteren Verlauf (in den Tagen danach) eine MRT-Untersuchung angeschlossen werden.

Seit Jahren verwenden Neuroradiologen T2*-gewichtete Sequenzen. In letzter Zeit haben sich jedoch SWI-Sequenzen (Susceptibility weighted images) bei dieser Fragestellung durchgesetzt, da sie noch eine höhere Sensitivität aufweisen als T2*-gewichtete Sequenzen. Mit SWI-Sequenzen lassen sich zudem diffuse axonale Verletzungen nachweisen, deren Diagnose für den Rehabilitationsprozess eine wichtige Rolle spielen. Da allerdings nur etwa 30 % der axonalen Scherverletzungen eine hämorrhagische Komponente aufweisen, muss die SWI-Sequenz mit der diffusionsgewichteten Sequenz (DWI) kombiniert werden, um auch die nicht-hämorrhagischen axonalen Verletzungen diagnostizieren zu können.

Indikationen zur HWS-Bildgebung

Wann soll beim SHT bildgebende Diagnostik der Halswirbelsäule durchgeführt werden? Auch dies ist seit längerer Zeit klarer. 2002 wurde in Neurosurgery eine Metaanalyse publiziert, die gezeigt hat, dass bei wachen Patienten mit isoliertem SHT und fehlenden klinischen Beschwerden an der Halswirbelsäule (HWS) keine therapiepflichtigen Befunde wie Frakturen oder Luxation bei der bildgebenden Diagnostik erhoben wurden.

Hat der Patient HWS-Beschwerden, so können eine konventionelle Aufnahme in zwei Ebenen und eine Denszielaufnahme angefertigt werden. Zur höheren Sicherheit kann man sie mit Schrägaufnahmen kombinieren. Besteht klinisch ein dringender Verdacht auf eine Fraktur, sollte ein CT der HWS vom Occiput bis BWK1 mit koronaren und sagittalen Rekonstruktionen durchgeführt werden. Weist der Patient ein neurologisches Defizit auf, das mit dem HWS-Trauma in Zusammenhang stehen könnte, ist auch in der Akutphase eine MRT der HWS indiziert.

Zusammenfassung

Wenn beim Schädel-Hirn-Trauma in der Akutsituation bildgebende Diagnostik indiziert ist, dann sollte eine Computertomographie des Schädels angefertigt werden. Die konventionelle Röntgenaufnahme des Schädels ist obsolet und kontraindiziert. Die Magnetresonanztomographie ist zwar mit keiner Röntgenstrahlenbelastung verbunden, dauert aber länger und bietet in der Akutdiagnostik wenig Zusätzliches. Im weiteren Verlauf hat sie allerdings Vorteile in der Sensitivität der Diagnostik von Hirnkontusionen und diffusen axonalen Verletzungen.


Literatur:
Rieger J, Linsenmaier U, Pfeifer K, Reiser M (2002) Radiologische Diagnostik des Schädel-Hirn Trauma. Der Radiologe;42: 547-555.
Guidelines for Management of acute cervical spinal injuries (2002) Neurosurgery; 50 Supplement: 30-35
Parizel P, Makkat S, Van Miert E, Goethem J, Hauwe L, Schepper A (2001) Intracranial hemorrhage. European Radiology;11: 1770-1783
Kidwell C. (2004) Comparison of MRI and CT for detection of acute intracerebral hemorrhage. JAMA; 292: 1823-1830
Soman S, Hoidsworth S, Barnes P, Rosenberg J, Andre J, Bammer R, Yeom K (2013) Improved T2* imaging without increase in scan time: SWI processing of 2D gradient echo. AJNR; 34: 2092-2097



Prof. Dr. med.Bodo Kress, Frankfurt/Main

Institut für diagnostische und interventionelle Neuroradiologie
Krankenhaus Nordwest
60488 Frankfurt/Main

Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert.


Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2015; 37 (5) Seite 45-48