Beschwerden durch Divertikel, Ausstülpungen der Darmwand, sind auch beim Hausarzt immer wieder Thema. Die Kolondivertikulose, bei der solche Ausstülpungen in einem oder mehreren Abschnitten des Dickdarms auftreten, ist in der Regel harmlos, kann aber Schmerzen und bei akuter Entzündung auch Komplikationen hervorrufen. Den Patienten kann oft schon mit einer Ernährungsumstellung geholfen werden.

Die Prävalenz der Kolondivertikulose in Deutschland ist hoch, doch nur bei einem Drittel der Betroffenen treten Beschwerden auf. Die Therapie der Divertikelkrankheit erfolgt in Abhängigkeit von Symptomen, Labor- und bildgebenden Befunden. Die akute, unkomplizierte Divertikulitis wird konservativ behandelt. Bei komplizierter Divertikulitis (Abszess oder gedeckte Perforation) erfolgt in der Regel die elektive Resektion im symptomfreien Intervall. Als besondere Situationen gelten die Divertikelblutung, die akute Divertikulitis mit freier Perforation und die chronisch-rezidivierenden Verlaufsformen.

Epidemiologie, Risikofaktoren und Prävention

In Deutschland weisen etwa zwei Drittel der über 70-Jährigen eine Kolondivertikulose auf [1],
Symptome entwickeln jedoch nur 30 % der Betroffenen [2]. Das Risiko, an einer Divertikulitis zu erkranken, beträgt 1 bis 5 %. Pathophysiologisch spielen hierbei Störungen der enteralen neuromuskulären Aktivität und des enterischen Bindegewebes sowie die epitheliale Dysfunktion eine Rolle. Grundlage der Erkrankung ist die Entwicklung einer Hochdruckzone im betroffenen Darmsegment. Etwa 40 % des Erkrankungsrisikos sind auf genetische Faktoren zurückzuführen, die Hauptrolle spielen jedoch Adipositas, Lebens- und Ernährungsgewohnheiten [3]. Effektive Maßnahmen zur Prävention dieser Darmveränderungen stehen bis heute aus. Bei bekannter Divertikulose lässt sich jedoch durch eine rigorose Umstellung der Lebensgewohnheiten (Gewichtsreduktion auf BMI < 25 kg/m2, Ballaststoffzufuhr > 25 g/Tag, Verzehr roten Fleisches < 4 Portionen/Woche, Nikotinkarenz, 30 Minuten körperliche Aktivität/Tag) das Risiko einer symptomatischen Erkrankung um bis zu 50 % reduzieren [4].

Diagnose der akuten Divertikulitis

Linksseitige Unterbauchschmerzen stellen das Leitsymptom der akuten Divertikulitis dar ("Linksseitenappendizitis"). Zur hausärztlichen Initialdiagnostik gehören Auskultation, Perkussion und Palpation des Abdomens, die rektale Untersuchung, die Leukozyten- und CRP-Bestimmung sowie die Urinanalyse. Fieber und klinische Zeichen der lokalen Peritonitis (Loslassschmerz, Abwehrspannung) sind Indikatoren für einen komplizierten Verlauf.

Grundsätzlich ist die Sonografie ein geeignetes Verfahren zur Initial- und Verlaufsdiagnostik (Abb. 1). Bei typischer Klinik und aussagekräftigem sonografischem Befund kann die Therapie unmittelbar erfolgen [1]. Die Wertigkeit des Ultraschalls wird eingeschränkt durch die Untersucher-Abhängigkeit und durch die verminderte Beurteilbarkeit spezifischer Lokalisationen (z. B. tiefe Lage von Abszessen im unteren Sigma/kleinen Becken).

Merke: Initialdiagnostik bei Verdacht auf akute Divertikulitis
  • Auskultation, Perkussion und Palpation des Abdomens
  • Rektale Untersuchung
  • Leukozytenbestimmung
  • CRP-Bestimmung
  • Urinanalyse

Ein stark erhöhter CRP-Wert (> 20 mg/dl) hat einen hohen positiven prädiktiven Wert für die Perforation [5] und sollte immer zur Durchführung einer CT-Untersuchung des Abdomens führen, ebenso bei unzureichender Beurteilbarkeit oder bei Verdacht auf das Vorliegen eines Abszesses in der Sonografie. Die Koloskopie spielt bei der Diagnose der akuten Divertikulitis eine untergeordnete Rolle, sollte jedoch im symptomfreien Intervall (6 bis 12 Wochen nach dem Akutereignis) zum Ausschluss einer kolorektalen Neoplasie erfolgen [2].

Stadienabhängige Therapie der Divertikelkrankheit

Die leitliniengerechte Therapie der Divertikelkrankheit orientiert sich am Erkrankungsstadium, das anhand der "Klassifikation der Divertikelkrankheit/Divertikulitis (CDD)" der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten festgelegt werden sollte (Tabelle 1) [1]. Diese klinisch ausgerichtete Klassifikation berücksichtigt Symptome und Befunde der Labor- und Schnittbilddiagnostik. Die Umsetzung der CDD-Klassifikation in eine stadiengerechte Therapie soll hier anhand dreier typischer klinischer Szenarien verdeutlicht werden.

Klinisches Szenario 1

  • 51-jähriger Patient, bisher gesund, Erstvorstellung in der Praxis mit seit drei Tagen bestehenden linksseitigen Unterbauchschmerzen
  • Fieberfrei, Druckschmerz im linken Unterbauch ohne Abwehrspannung
  • Leukozyten normal, Urinanalyse unauffällig, CRP 3 mg/dl (leicht erhöht)

Diskussion Szenario 1

Es besteht eine geringe Wahrscheinlichkeit (Klinik, Labor) für einen komplizierten (abszedierenden oder perforierenden) Verlauf. Dem Patienten wird Schonkost (z. B. flüssige Kost) empfohlen, eine zeitnahe Schnittbildgebung (Sonografie oder CT) veranlasst.

Bei bildgebendem Nachweis einer Divertikulitis Typ Ia/Ib sollte man eine orale Antibiotikatherapie (z. B. mit Breitspektrum-Penicillin, Gyrasehemmer oder Cephalosporin der 3. Generation) einleiten. Dabei muss auf die ausreichende Dosierung und auf das lokale Resistenzspek-
trum geachtet werden. Ab dem Stadium 2a (Abszess, gedeckte Perforation) muss eine stationäre Behandlung erfolgen [1].

Im Stadium 1a (Divertikulitis ohne Umgebungsreaktion oder Abszess) kann der Arzt auf die Einleitung einer Antibiotikatherapie verzichten, wenn ein guter Allgemeinzustand besteht, eine engmaschige klinische Verlaufskontrolle (Wiedervorstellung innerhalb von 48 Stunden) gewährleistet ist und keine Risikofaktoren (arterielle Hypertonie, Niereninsuffizienz, Diabetes mellitus, Immunsuppression) vorliegen [6, 7].

Die Stadien 1a und 1b werden grundsätzlich konservativ behandelt. Ab dem Stadium 2 sollte man die Indikation zur Resektion im entzündungsfreien Intervall prüfen. Bei günstiger Lokalisation (kleines Becken nicht betroffen) kann man auch im Stadium 2 auf eine Operation verzichten, da eine Verbesserung der Prognose und eine Steigerung der Lebensqualität zumindest im Stadium 2a nicht gesichert sind [8, 9].
Die Resektion des betroffenen Darmabschnitts sollte vorzugsweise in einem Darmzentrum mit hoher laparoskopischer Expertise stattfinden. Präoperativ sollte eine komplette Koloskopie erfolgen.

Klinisches Szenario 2

  • 75-jährige Patientin, bekannte Niereninsuffizienz und Diabetes mellitus Typ 2, Kolondivertikulose bekannt, Vorstellung mit diffusen Unterbauchschmerzen
  • Fieberfrei, Druckschmerz im gesamten Unterbauch ohne Abwehrspannung
  • Leukozyten 15 G/l, Urinanalyse unauffällig, CRP 21 mg/dl (deutlich erhöht)

Diskussion Szenario 2

Trotz Fehlen eines klinischen Korrelats (kein Fieber, keine Peritonitis-Zeichen) besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit (Risikofaktoren, Labor) für einen komplizierten Verlauf. Es muss daher eine umgehende Klinikeinweisung und die Durchführung einer CT-Untersuchung erfolgen. Bei bildgebendem Nachweis eines Stadium 1b oder 2 erfolgt neben supportiven Maßnahmen (intravenöse Rehydratation, Schmerztherapie) die umgehende Einleitung einer Antibiose, bei Nachweis eines Makro-Abszesses (> 1 cm; Stadium 2b) gegebenenfalls zusätzlich die bildgebend gesteuerte Einlage einer Drainage. Bei Vorliegen von Stadium 2c (freie Perforation) besteht die Indikation zur Notfall-Operation [1].

Klinisches Szenario 3

  • 65-jähriger Patient, Sigmadivertikulose bekannt, mehrmals im Jahr Episoden mit linksseitigen Unterbauchschmerzen, dabei kein Fieber, keine Peritonitis-Zeichen
  • Entzündungswerte (Leukozyten, CRP) zu keinem Zeitpunkt erhöht
  • Mehrfach Schnittbildgebung (CT) ohne Nachweis einer Divertikulitis

Diskussion Szenario 3

Im klinischen Alltag bereitet die adäquate Einschätzung und die Therapie der Stadien 3a–c nach CDD-Klassifikation nicht selten erhebliche Schwierigkeiten. Zunächst muss man bei bekannter Divertikulose mit rezidivierenden Beschwerden eine strukturelle Veränderung (Fistel, Stenose, Konglomerat) ausschließen. Hierzu ist neben der Bildgebung in der Regel auch eine komplette Koloskopie erforderlich. Bei gesichertem Stadium 3c besteht eine absolute Op.-Indikation.

Beachte: Ungünstige Prognosefaktoren bei akuter Divertikulitis
  • Schlechter Allgemeinzustand
  • Fieber
  • Klinische Zeichen der Peritonitis
  • Arterielle Hypertonie
  • Diabetes mellitus
  • Chronische Niereninsuffizienz
  • Immunsuppression
  • Leukozytose
  • CRP-Erhöhung > 5 mg/dl
  • CDD-Stadium ≥ 2a in der Bildgebung (Sono, CT)

Bei chronisch-rezidivierendem Verlauf der Divertikulitis (erhöhte Entzündungszeichen und typische Bildgebung bei akuten Beschwerden; Stadium 3b) ohne Nachweis von Komplikationen stellen häufige symptomatische Divertikulitis-Episoden allein keine zwingende Op.-Indikation dar. Allerdings kann nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung eine Operation zur Verbesserung der Lebensqualität erwogen werden [10]. Eine besondere Herausforderung ist die Abgrenzung des Stadiums 3a ("symptomatische unkomplizierte Divertikelkrankheit") vom Reizdarmsyndrom (mit zusätzlicher Divertikulose). Eindeutige Kriterien zur sicheren Unterscheidung der Krankheitsbilder liegen derzeit ebenso wenig vor wie gesicherte Empfehlungen zur medikamentösen Therapie im Stadium 3a.

Divertikelblutung

Grundsätzlich sollte bei Verdacht auf Divertikelblutung eine stationäre Behandlung erfolgen. Ein hoher Prozentsatz der Blutungen sistiert spontan. Dennoch ist eine definitive endoskopische Therapie vorrangig anzustreben [1]. Das Akut-Management folgt den allgemeingültigen Leitlinien der Diagnostik und Therapie gastrointestinaler Blutungen [11].

Zusammenfassung und Ausblick

Aktuelle Leitlinien legen die Standards zur Diagnose und zur stadiengerechten Therapie der Divertikelkrankheit fest [1]. Besonderen Stellenwert besitzen derzeit klinische Symptome und bildgebende Befunde im Akutstadium. Es deutet sich jedoch in neuesten Studien ein Paradigmenwechsel an, der in aktualisierte Leitlinien Eingang finden wird: So kann unter definierten Bedingungen bei akuter, unkomplizierter Divertikulitis auf eine antibiotische Therapie verzichtet werden [12].

Künftig lässt sich neben klinischen und bildgebenden Befunden auch die zu erwartende Lebensqualität als Kriterium für die Indikationsstellung zur operativen Therapie heranziehen [9, 10].


Literatur
1. Leifeld L, Germer CT, Böhm S, et al. (2014) S2k-Leitlinie Divertikelkrankheit/Divertikulitis. Z Gastroenterol 52:663-710
2. Agarwal AK, Karanjawala BE, Maykel JA, Johnson EK, Steele SR (2014) Routine colonic endoscopic evaluation following resolution of acute diverticulitis: is it necessary? World J Gastroenterol 21:12509-12516
3. Schafmayer C, Harrison JW, Buch S, et al. (2018) Genome-wide association analysis of diverticular disease points towards neuromuscular, connective tissue and epithelial pathomechanisms. Gut 68:854-865
4. Strate LL, Keeley BR, Cao Y, Wu K, Giovannucci EL, Chan AT (2017)Western Dietary Pattern Increases, and Prudent Dietary Pattern Decreases, Risk of Incident Diverticulitis in a Prospective Cohort Study. Gastroenterology 152:1023-1103
5. Käser SA, Fankhauser G, Glauser PM, Toia D, Maurer CA (2010) Diagnostic value of inflammation markers in predicting perforation in acute sigmoid diverticulitis. World J Surg 34:2717-2722
6. Chabok A, Påhlman L, Hjern F, Haapaniemi S, Smedh K; AVOD Study Group (2012) Randomized clinical trial of antibiotics in acute uncomplicated diverticulitis. Br J Surg 99:532-539
7. Daniels L, Ünlü Ç, de Korte N, van Dieren S, Stockmann HB, Vrouenraets BC, Consten EC, van der Hoeven JA, Eijsbouts QA, Faneyte IF, Bemelman WA, Dijkgraaf MG, Boermeester MA; Dutch Diverticular Disease (3D) Collaborative Study Group (2017) Randomized clinical trial of observational versus antibiotic treatment for a first episode of CT-proven uncomplicated acute diverticulitis. Br J Surg 104:52-61
8. You K, Bendl R, Taut C, Sullivan R, Gachabayov M, Bergamaschi R; Study Group on Diverticulitis (2018) Randomized clinical trial of elective resection versus observation in diverticulitis with extraluminal air or abscess initially managed conservatively. Br J Surg 105:971-979
9. Brandlhuber M, Genzinger C, Brandlhuber B, Sommer WH, Müller MH, Kreis ME (2018) Long-term quality of life after conservative treatment versus surgery for different stages of acute sigmoid diverticulitis. Int J Colorectal Dis 33:317-326
10. Bolkenstein HE, Consten ECJ, van der Palen J, van de Wall BJM, Broeders IAMJ, Bemelman WA, Lange JF, Boermeester MA, Draaisma WA; Dutch Diverticular Disease (3D) Collaborative Study Group (2019) Long-term Outcome of Surgery Versus Conservative Management for Recurrent and Ongoing Complaints After an Episode of Diverticulitis: 5-year Follow-up Results of a Multicenter Randomized Controlled Trial (DIRECT-Trial). Ann Surg 269:612-620
11. Götz M, Anders M, Biecker E, et al. (2017) S2k-Leitlinie Gastrointestinale Blutung. Z Gastroenterol 55: 883-936
12. van Dijk ST, Daniels L, Ünlü Ç, et al. (2018) Long-Term Effects of Omitting Antibiotics in Uncomplicated Acute Diverticulitis. Am J Gastroenterol 113: 1045-1052



Autor:

Priv.-Doz. Dr. med. Marc Dauer

Klinik für Innere Medizin II/Darmzentrum St. Marien Amberg
Klinikum St. Marien
92224 Amberg

Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert



Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2020; 42 (6) Seite 37-41