Durch neue Erkenntnisse in der Krebstherapie muss auch das Kolonkarzinom heute viel differenzierter gemanagt werden. Vor allem für die Systemtherapie ist die Zahl der Behandlungsoptionen – aufgrund neuer Chemo-, Kombinations- und Antikörpertherapien – rasant gestiegen. Ähnlich sieht es bei den heute sehr viel komplexeren, operativen Verfahren aus. Eine große Herausforderung beim Dickdarmkrebs bleibt die ambulante Betreuung der betroffenen Patienten.

Kasuistik
Eine damals 53-jährige Patientin mit einem Zökumkarzinom hat sich Anfang 2006 in unserer Klinik vorgestellt. Das Staging ergab zusätzlich vier resektable Lebermetastasen. Es wurde eine Hemikolektomie rechts mit simultaner Resektion der vier Lebermetastasen durchgeführt (Abb. 1). Anschließend erfolgte eine adjuvante Chemotherapie. 2012 wurde eine Rezidivlebermetastase vermutet. Bei der Resektion fand sich aber nur Narbengewebe. Die Patientin ist noch immer tumorfrei.

Das Lebenszeitrisiko für Darmkrebs beträgt bei Männer 7,0 % und bei Frauen 5,7 %. Durch die Vorsorgekoloskopie sinkt dieses Risiko in Deutschland seit zehn Jahren ab. Dies gilt aber nur für linksseitige Kolon- und Rektumkarzinome, die in der Regel aus koloskopisch gut sichtbaren Polypen entstehen (klassische Adenom-Karzinom-Sequenz). Anders sieht es bei Karzinomen im rechtsseitigen Kolon aus, für die bislang kein wesentlicher Rückgang erreicht werden konnte. Eine Ursache dürfte in der häufig andersartigen Karzinomentstehung über flache, schlecht sichtbare Adenome mit einer rascheren malignen Transformation liegen (sessil serratierte Adenome). Auch sind familiär bedingte Kolonkarzinome bei Lynch-Syndrom (circa 10 % aller Kolonkarzinome) meist im rechten Dickdarm lokalisiert. Diese unterliegen einer rascheren malignen Transformation und treten häufig auch vor dem 50. Lebensjahr auf. Die Vorsorgekoloskopie ab dem 55. Lebensjahr (Männer – wenn möglich– ab dem 50.) ist die wichtigste Maßnahme zur weiteren Reduktion des kolorektalen Karzinoms. Ein Test auf okkultes Blut ersetzt die Darmspiegelung nicht [16].

Diagnostik

Der histologische Nachweis des Karzinoms vor der Therapie ist obligat. Die dafür geforderten Parameter werden allerdings immer umfangreicher (von der Infiltrationstiefe bei Frühkarzinomen über Perineuralscheideninfiltration bis zu den molekularen Markern MMR bzw. MSI, BRAF, KRAS). Für das Staging des Kolonkarzinoms ist die Abgrenzung vom Rektumkarzinom essenziell. Entscheidend hierfür: die Höhe des Tumors – Kolonkarzinome sind alle oberhalb von 16 cm. Für Kolonkarzinome muss nach den Leitlinien noch eine Abdomensonographie (optional mit Kontrastmittel), ein Röntgen-Thorax und ein CEA-Spiegel gemacht werden [16]. Für eine differenzierte Therapie und die Wahl der Op. ist dies jedoch nicht mehr ausreichend. Eine CT erhöht die diagnostische Genauigkeit für die Detektion von Lebermetastasen [7]. Zudem kann man damit den Tumor präoperativ meist eindeutig lokalisieren und die Gefäßanatomie darstellen, was beim laparoskopischen Vorgehen extrem hilfreich ist. Unabdingbar bei kleinen Tumoren ist die Markierung der Tumorlokalisation durch eine koloskopische Tuscheinjektion [5]. Die meisten Kliniken werden heute eine möglichst frühzeitige Vorstellung des Patienten während des Stagingprozesses empfehlen, um spezifische Untersuchungen besser planen zu können.

Therapie

Die Therapieoptionen des Kolonkarzinoms lassen sich in fünf Kategorien einteilen (vgl. Kasuistik):

Koloskopische Therapie

Meist handelt es sich hier um abgetragene Polypen, in denen sich schon ein Karzinom entwickelt hat. Dieses muss histologisch komplett abgetragen sein und eine "Low-Risk"-Histologie vorliegen [16]. Durch neue Techniken der lokalen Abtragung (z. B. endoskopische Submukosadissektion, ESD) wird sich der Anteil für diese Therapieoption sicher weiter erhöhen. Cave: Bei ausgedehnten endoskopischen Abtragungen kann es nach Tagen noch zu einer Perforation mit Peritonitis kommen.

Onkologische Resektion

Mit dieser Option werden lokal resektable Tumoren ohne Fernmetastasen behandelt. Die Art der Operation ist gegenwärtig in intensiver Diskussion: 2009 wurde das Konzept der Complete mesocolic excision (CME) publiziert [10]. Dieser Eingriff ist zumindest für rechtsseitige Kolonkarzinome sehr viel komplexer als die Standardhemikolektomie (Abb. 2 und 3). Die bisherigen Daten legen nahe, dass dadurch eine Verbesserung des Fünf-Jahresüberlebens von etwa 10 % erzielt werden kann [4]. Allerdings steht das Ergebnis der weltweit einzigen prospektiven Studie noch aus [3]. Eine weitere Frage ist, ob der Eingriff in offener oder in laparoskopischer Technik durchgeführt werden sollte. Die Datenlage dafür ist relativ klar: Bei adäquater Expertise ist die laparoskopische Operation mit einem geringeren Risiko und einer schnelleren Rekonvaleszenz bei gleichem Langzeitergebnis verbunden [2, 18]. Dies gilt insbesondere für ältere und komorbide Patienten [15]. Damit muss derzeit die Kombination von CME und Laparoskopie als die beste Option angesehen werden. Im Stadium III (positive Lymphknoten im Op.-Präparat) ist eine adjuvante Chemotherapie über sechs Monate indiziert. Der Effekt auf das Fünf-Jahresüberleben liegt bei etwa plus 20 % [8, 19]. Im Stadium II ist dies fakultativ [16]. In Deutschland erreicht man mit diesem Vorgehen derzeit für die Stadien I, II und III Fünf-Jahresüberlebensraten von 83,0 %, 76,4 % und 67,0 % [1].

Für die ambulante Nachbehandlung ist die körperliche Aktivität des Patienten das wichtigste Therapieziel. Eine formale Schonung oder eine Restriktion der Belastung (z. B. Heben von Lasten< 10 kg) sind obsolet. Sinnvoll ist eine Vorgabe für die tägliche Belastung, z. B. ein Spaziergang, der in Intervallen von drei bis sieben Tagen erweitert werden kann. Postoperative Wundschmerzen sollten mit Metamizol oder Paracetamol (Patienten unter ASS) behandelt werden. NSAR sind wegen der negativen Wirkung auf die Anastomosenheilung ungünstig [9]. Bei Durchfällen nach Rechtshemikolektomie sollte an eine chologene Diarrhoe gedacht werden, die mit Colestyramin behandelbar ist.

Multimodale Therapie in kurativer Intention

Eine begrenzte (Oligo-) Metastasierung kann häufig noch kurativ behandelt werden. Eine Limitation auf solitäre Metastasen oder solche in einem Organsystem gilt dabei nicht mehr. Entscheidend ist vielmehr, ob sämtliche Tumorlokalisationen primär oder nach einer Chemotherapie reseziert werden können.

Statt einer operativen Entfernung können auch lokal destruierende Verfahren wie Mikrowellenablation oder stereotaktische Bestrahlungen eingesetzt werden. Bei einer limitierten Peritonealkarzinose kann der Arzt eine chirurgische Entfernung der Metastasen und eine intraoperative Chemoperfusion (HIPEC) erwägen [20]. Die Prognose hängt natürlich vom Ausmaß der Metastasierung ab und liegt bei isolierter Lebermetastasierung um die 50 % beim Fünf-Jahresüberleben [6]. Bei Metastasierung in mehr als ein Organsystem werden aber immerhin noch 28 % erreicht [11]. Patienten in einer oligometastasierten Situation müssen regelmäßig, besonders nach gutem Ansprechen auf eine Chemotherapie, in einer interdisziplinären Konferenz besprochen werden, um mögliche kurative Therapieansätze zu evaluieren.

Palliative Therapie

Die palliative Therapie beim Kolonkarzinom beschränkt sich nicht ausschließlich auf Symp-tomkontrolle. Mit den neuen Chemo- bzw. Immuntherapien kann eine substanzielle Verlängerung des Patientenüberlebens erreicht werden. Das mediane Überleben hat sich zwischenzeitlich bei optimalem Management von acht auf aktuell 30 Monate verlängert [12]. Patienten mit über zehnjährigen Verläufen sind keine Seltenheit. Entscheidend ist die richtige Weichenstellung am Anfang. So ist z. B. zu klären, ob zunächst eine palliative Tumoroperation zur Verhinderung eines Ileus durchgeführt werden muss. Dabei zeichnet sich die Tendenz ab, zuerst eine Chemotherapie einzuleiten, um diese nicht durch chirurgische Komplikationen zu gefährden. Zudem scheint es auch in der Palliativsituation prognostisch günstig zu sein, Lebermetastasen zu resezieren oder zu abladieren [17]. Die Systemtherapie ist inzwischen sehr komplex geworden. Sie setzt sich in der Regel aus einer Kombination von 5-Fluoruracil/Folinsäure bzw. Capecitabin mit Oxaliplatin oder Irinotecan zusammen. Hinzu kommen häufig – je nach Mutationsstatus im RAS-Gen – Antikörper gegen EGRF (Cetuximab, Panitumumab) oder VEGF (Bevacizumab, Ramucirumab, Aflibercept). Neu ist die Kombination von Trifluridin und Tipiracil [14]. Für Patienten mit einem Lynch-Syndrom bzw. Mikrosatelliteninstabilität scheint eine Immunmodulation mit Checkpoint-Inhibitoren (PD-1-Blocker) wie Nivolumab und Pembrolizumab sehr erfolgversprechend [13].

Best supportive Care

Neben einer suffizienten Schmerztherapie kann bei einer malignen intestinalen Obstruktion die Anlage einer Ablauf-PEG oder/und eine heimparenterale Ernährung sinnvoll sein, um die Lebensqualität zu verbessern. In die Weiterversorgung nach der Klinik sollten Kooperationspartner wie SAPV, Palliativstationen oder Hospize einbezogen werden. In der Regel sollten dies die Sozialdienste und die Überleitungspflege der Kliniken in die Wege leiten.

Nachsorge

Eine strukturierte Nachsorge ist für das Kolonkarzinom in den Stadien II und III empfohlen (Stadium I nur optional) [16]: in den ersten zwei Jahren halbjährlich und danach – bis zum fünften Jahr – jährlich. Neben der Evaluation sind Sonographie, CEA-Spiegel und Röntgen-Thorax-Aufnahme gefordert. Eine Koloskopie sollte nach einem Jahr und nach fünf Jahren erfolgen. Die Kontrollen im Stadium IV legt der behandelnde Onkologe individuell fest.


Literatur
1. ADT (2016) Arbeitsgemeinschaft deutscher Tumorzentren e.V. personal communication.
2. Benz S, Barlag H, Gerken M, Furst A, Klinkhammer-Schalke M (2017) Laparoscopic surgery in patients with colon cancer: a population-based analysis. Surgical endoscopy 31:2586-2595
3. Benz S, Stricker I, Tam Y, Tannapfel A (2017) CME or traditional surgery for right-sided colon cancer? coloproctology:1-5
4. Bertelsen CA, Neuenschwander AU, Jansen JE, Wilhelmsen M, Kirkegaard-Klitbo A, Tenma JR, Bols B, Ingeholm P, Rasmussen LA, Jepsen LV, Iversen ER, Kristensen B, Gogenur I, Danish Colorectal Cancer G (2015) Disease-free survival after complete mesocolic excision compared with conventional colon cancer surgery: a retrospective, population-based study. The lancet oncology 16:161-168
5. Botoman VA, Pietro M, Thirlby RC (1994) Localization of colonic lesions with endoscopic tattoo. Diseases of the colon and rectum 37:775-776
6. de Jong MC, Pulitano C, Ribero D, Strub J, Mentha G, Schulick RD, Choti MA, Aldrighetti L, Capussotti L, Pawlik TM (2009) Rates and patterns of recurrence following curative intent surgery for colorectal liver metastasis: an international multi-institutional analysis of 1669 patients. Annals of surgery 250:440-448
7. Floriani I, Torri V, Rulli E, Garavaglia D, Compagnoni A, Salvolini L, Giovagnoni A (2010) Performance of imaging modalities in diagnosis of liver metastases from colorectal cancer: a systematic review and meta-analysis. Journal of magnetic resonance imaging : JMRI 31:19-31
8. Gill S, Loprinzi CL, Sargent DJ, Thome SD, Alberts SR, Haller DG, Benedetti J, Francini G, Shepherd LE, Francois Seitz J, Labianca R, Chen W, Cha SS, Heldebrant MP, Goldberg RM (2004) Pooled analysis of fluorouracil-based adjuvant therapy for stage II and III colon cancer: who benefits and by how much? Journal of clinical oncology : official journal of the American Society of Clinical Oncology 22:1797-1806
9. Gorissen K, Benning D, Berghmans T, Snoeijs M, Sosef M, Hulsewe K, Luyer M (2012) Risk of anastomotic leakage with non-steroidal anti-inflammatory drugs in colorectal surgery. British Journal of Surgery 99:721-727
10. Hohenberger W, Weber K, Matzel K, Papadopoulos T, Merkel S (2009) Standardized surgery for colonic cancer: complete mesocolic excision and central ligation--technical notes and outcome. Colorectal disease : the official journal of the Association of Coloproctology of Great Britain and Ireland 11:354-364; discussion 364-355
11. Hwang M, Jayakrishnan TT, Green DE, George B, Thomas JP, Groeschl RT, Erickson B, Pappas SG, Gamblin TC, Turaga KK (2014) Systematic review of outcomes of patients undergoing resection for colorectal liver metastases in the setting of extra hepatic disease. European journal of cancer 50:1747-1757
12. Kopetz S, Chang GJ, Overman MJ, Eng C, Sargent DJ, Larson DW, Grothey A, Vauthey J-N, Nagorney DM, McWilliams RR (2009) Improved survival in metastatic colorectal cancer is associated with adoption of hepatic resection and improved chemotherapy. Journal of Clinical Oncology 27:3677-3683
13. Le DT, Uram JN, Wang H, Bartlett BR, Kemberling H, Eyring AD, Skora AD, Luber BS, Azad NS, Laheru D, Biedrzycki B, Donehower RC, Zaheer A, Fisher GA, Crocenzi TS, Lee JJ, Duffy SM, Goldberg RM, de la Chapelle A, Koshiji M, Bhaijee F, Huebner T, Hruban RH, Wood LD, Cuka N, Pardoll DM, Papadopoulos N, Kinzler KW, Zhou S, Cornish TC, Taube JM, Anders RA, Eshleman JR, Vogelstein B, Diaz LA, Jr. (2015) PD-1 Blockade in Tumors with Mismatch-Repair Deficiency. The New England journal of medicine 372:2509-2520
14. Mayer RJ, Van Cutsem E, Falcone A, Yoshino T, Garcia-Carbonero R, Mizunuma N, Yamazaki K, Shimada Y, Tabernero J, Komatsu Y, Sobrero A, Boucher E, Peeters M, Tran B, Lenz HJ, Zaniboni A, Hochster H, Cleary JM, Prenen H, Benedetti F, Mizuguchi H, Makris L, Ito M, Ohtsu A, Group RS (2015) Randomized trial of TAS-102 for refractory metastatic colorectal cancer. The New England journal of medicine 372:1909-1919
15. Panis Y, Maggiori L, Caranhac G, Bretagnol F, Vicaut E (2011) Mortality after colorectal cancer surgery: a French survey of more than 84,000 patients. Annals of surgery 254:738-743; discussion 743-734
16. Pox CP, Schmiegel W (2013) [German S3-guideline colorectal carcinoma]. Deutsche medizinische Wochenschrift 138:2545
17. Ruers T, Van Coevorden F, Punt CJ, Pierie JE, Borel-Rinkes I, Ledermann JA, Poston G, Bechstein W, Lentz MA, Mauer M, Folprecht G, Van Cutsem E, Ducreux M, Nordlinger B, European Organisation for R, Treatment of C, Gastro-Intestinal Tract Cancer G, Arbeitsgruppe Lebermetastasen und tumoren in der Chirurgischen Arbeitsgemeinschaft O, and the National Cancer Research Institute Colorectal Clinical Study G (2017) Local Treatment of Unresectable Colorectal Liver Metastases: Results of a Randomized Phase II Trial. Journal of the National Cancer Institute 109
18. Schwenk W, Neudecker J, Haase O (2014) [Current evidence for laparoscopic surgery of colonic cancer]. Der Chirurg; Zeitschrift fur alle Gebiete der operativen Medizen 85:570-577
19. Shah MA, Renfro LA, Allegra CJ, Andre T, de Gramont A, Schmoll HJ, Haller DG, Alberts SR, Yothers G, Sargent DJ (2016) Impact of Patient Factors on Recurrence Risk and Time Dependency of Oxaliplatin Benefit in Patients With Colon Cancer: Analysis From Modern-Era Adjuvant Studies in the Adjuvant Colon Cancer End Points (ACCENT) Database. Journal of clinical oncology : official journal of the American Society of Clinical Oncology 34:843-853
20. Verwaal VJ, Bruin S, Boot H, van Slooten G, van Tinteren H (2008) 8-year follow-up of randomized trial: cytoreduction and hyperthermic intraperitoneal chemotherapy versus systemic chemotherapy in patients with peritoneal carcinomatosis of colorectal cancer. Annals of surgical oncology 15:2426-2432


Autor:

Prof. Dr. med. Stefan Benz

Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Kinderchirurgie
Klinikum Böblingen-Sindelfingen
71032 Böblingen

Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert.



Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2017; 39 (20) Seite 18-22