Am 19. Juli 2018 hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) sowohl Änderungen für die Gesundheitsuntersuchung als auch für die Darmkrebsfrüherkennung beschlossen. Was ändert sich hierdurch für Hausärzte und Patienten?

Einmaliger Check-up nun auch ab 18 Jahren

Die maßgeblichen Änderungen [1] betreffen den "Check-up 35", der nun im Hinblick auf die Anspruchsberechtigung erweitert wurde: So können künftig auch Versicherte zwischen 18 und 35 Jahren einmalig eine Gesundheitsuntersuchung (GU) beanspruchen, allerdings mit einem leicht verringerten Leistungsumfang. Eine Urinuntersuchung gehört demnach nicht zum Angebot, eine Blutuntersuchung nur dann, wenn ein entsprechendes Risikoprofil vorliegt.

Check-up nur noch alle drei Jahre

Eine weitere Änderung bezieht sich auf das Untersuchungsintervall. Konnte die GU bislang von Versicherten ab dem 36. Lebensjahr alle zwei Jahre in Anspruch genommen werden, wird sie künftig nur noch alle drei Jahre durchgeführt. Der G-BA erläutert hierzu, dass sich nach einer Literatur-Recherche in deutschen und internationalen Leitlinien diese dreijährige Staffelung als medizinisch und epidemiologisch sinnvoll ergeben hat [2]. In der Tat wird die Sinnhaftigkeit der Intervalle auch in der Ärzteschaft stark diskutiert, da derzeit keine Evidenz – weder für die zwei- noch die dreijährigen Intervalle – vorliegt. Herangezogen wird hier in erster Linie ein Cochrane-Review aus dem Jahr 2012, der zeigt, dass regelmäßige Gesundheitschecks weder Krankheiten noch Mortalität reduzieren [3].

Vergütungsregelungen für die neuen Beschlüsse
Beide Beschlüsse – Gesundheitsuntersuchung und Darmkrebsfrüherkennung – werden nun vom Bundesgesundheitsministerium geprüft. Bei Nichtbeanstandung treten sie am Tag nach der Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft. Danach hat der Bewertungsausschuss sechs Monate Zeit, um die Vergütung festzulegen. Erst danach haben Versicherte Anspruch auf die Leistungen der überarbeiteten Richtlinien.

Anlass für die Überarbeitung der Richtlinie zur Gesundheitsuntersuchung war das im Juli 2015 verabschiedete Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention (Präventionsgesetz). Hiernach hat der G-BA den Auftrag, die Gesundheitsuntersuchungen für Erwachsene an den aktuellen Stand der medizinischen Erkenntnisse anzupassen und auf der Grundlage der Methoden der evidenzbasierten Medizin weiterzuentwickeln.

Schwerpunkt Beratung

Grundsätzlich sollen sich die ärztlichen Maßnahmen nicht mehr wie bislang auf die Früherkennung sowie die spezifischen Zielerkrankungen Diabetes mellitus, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Nierenerkrankungen fokussieren. Stattdessen soll allgemein ein stärkerer Fokus auf die Beratung und motivierende Gesprächsführung gelegt werden, die den Patienten zu gesundheitsfördernden Anpassungen bewegen.

Neu: "Kardio-Score", Lipidprofil und Impfstatus

Stärker als bisher sollen im Rahmen der Anamnese gesundheitliche Risiken und Belastungen erfasst werden. Hierzu gehört auch die Erhebung des kardiovaskulären Risikos unter Verwendung von Risikoscores, sofern für den Arzt entsprechende Anhaltspunkte vorliegen. Entsprechend den Ergebnissen sollen mit dem Patienten geeignete "Managementstrategien" besprochen werden. Auch onkologische Erkrankungen werden unter Berücksichtigung der familiären Belastung stärker Beachtung finden. Eine weitere Neuerung bezieht sich auf den Impfstatus, der nun explizit im Rahmen der Anamnese erfasst werden soll.

Zur körperlichen Untersuchung gehören weiterhin die Blutdruckmessung, die Untersuchung des Urins sowie die Bestimmung der Blutzucker- und Cholesterinwerte. Zusätzlich soll künftig aber auch ein vollständiges Lipidprofil erstellt werden, welches aus Gesamtcholesterin, LDL- und HDL-Cholesterin sowie Triglyceriden besteht.

Änderungen bei der Darmkrebsfrüherkennung
Der G-BA hat ebenfalls eine neue Richtlinie für organisierte Krebsfrüherkennungsprogramme mit einem besonderen Teil für das Darmkrebs-Screeningprogramm beschlossen. Hiernach haben Männer nun ab einem Alter von 50 Jahren – und nicht wie bisher ab 55 Jahren – Anspruch auf zwei Früherkennungskoloskopien (Darmspiegelungen). Die Altersgrenze für Frauen bleibt wie gehabt bei 55 Jahren. Die unterschiedlichen Altersgrenzen begründet der G-BA damit, dass Männer laut wissenschaftlicher Daten ein höheres Risiko haben, an Darmkrebs zu erkranken. Nehmen Frauen und Männer das Angebot erst ab einem Alter von 65 Jahren wahr, haben sie Anspruch auf nur eine Darmspiegelung.Unverändert bleiben die Regelungen für den immunologischen Test auf occulte Blutspuren im Stuhl (iFOBT). Dieser kann bei Frauen und Männern zwischen 50 und 54 Jahren einmal jährlich, danach alle zwei Jahre (solange noch keine Früherkennungskoloskopie in Anspruch genommen wurde) durchgeführt werden. Bei auffälligem Stuhltest besteht der Anspruch auf eine Abklärungskoloskopie.Ebenfalls neu ist, dass gesetzlich Versicherte, die Anspruch auf eine Früherkennungsuntersuchung für Darmkrebs haben, ab Juli 2019 von ihren Krankenkassen regelmäßig ein Einladungsschreiben hierzu erhalten. Die Einladungen sollen jeweils im Alter von 50, 55, 60 und 65 Jahren der Versicherten zugestellt werden. Mit der Einladung sind den anspruchsberechtigten Versicherten Informationen zu dem Programm zuzusenden. Diese Informationen sollen den Versicherten eine informierte Entscheidung für oder gegen die Früherkennung (iFOBT oder Koloskopie) ermöglichen.Quellen: [4, 5]

Dokumentation: Muster 30 entfällt

Eine gute Nachricht bringen die Neuerungen für den Arzt mit sich: Um den Bürokratieaufwand zu reduzieren, genügt künftig die Dokumentation der GU in der Patientenakte, die Ergebnisse in dem offiziellen Berichtsvordruck (Muster 30) zu erfassen, entfällt.


Quellen:
1. Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses über eine Änderung der Gesundheitsuntersuchungs-Richtlinie vom 19. Juli 2018; https://www.g-ba.de/downloads/39-261-3427/2018-07-19_GU-RL_Anpassung-GU-Erwachsene.pdf
2. Tragende Gründe zum Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses über eine Änderung der Gesundheitsuntersuchungs-Richtlinie vom 19. Juli 2018; https://www.g-ba.de/downloads/40-268-5157/2018-07-19_GU-RL_Anpassung-GU-Erwachsene_TrG.pdf
3. Krogsbøll LT et al., Cochrane Database of Systematic Reviews 2012, 10; Art. No.: CD009009. DOI: 10.1002/14651858.CD009009.pub2
4. Pressemitteilung des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 19. Juli 2018: Darmkrebsscreening künftig als organisiertes Programm
5. Tragende Gründe zum Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses über eine Erstfassung der organisierten Krebsfrüherkennungs-Richtlinie und eine Änderung der Krebsfrüherkennungs-Richtlinie vom 19. Juli 2018; https://www.g-ba.de/downloads/40-268-5140/2018-07-19_oKFE-RL_Beschluss-oKFE-RL-Aenderung_KFE-RL_TrG.pdf



Autorin:
Yvonne Schönfelder



Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2018; 40 (14) Seite 50-51