Die periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) ist bei geriatrischen Patienten oft schwer von anderen, altersbedingten Symptomen zu unterscheiden. Aber auch bei Fehlen von Beschwerden ist eine Abklärung wichtig. Denn mit der pAVK geht oft eine erhebliche Ko- und Folgemorbidität einher. Eine Revaskularisation ist bei symptomatischer kritischer Durchblutungsstörung immer zu erwägen, macht allerdings nicht in jedem Fall Sinn.

Die pAVK ist im Alter stark verbreitet: Während bei den über 80-Jährigen die Häufigkeit der venösen Thromboembolie nur bei circa 0,8 % liegt und die der absoluten Arrhythmie bei 8 %, macht die pAVK hier mindestens 20 % aus [1]. Eine hochbetagte Person ist aber nicht automatisch mit einem geriatrischen Patienten gleichzusetzen, der durch eine typische Konstellation von Beschwerden beschrieben wird wie Immobilität, Sturzneigung, Schwindel, kognitive Defizite, Inkontinenz und Dekubitalulcera sowie Fehl- und Mangelernährung, Störungen im Flüssigkeits- und Elektrolythaushalt, Depressionen und Angststörungen, chronische Schmerzsyndrome, Seh- und Hörstörungen und Medikationsprobleme (Arbeitsgruppe BAG, DGGG, DGG) [2]. Allerdings geht eine pAVK im Alter nur bei einem Viertel bis einem Drittel aller Patienten mit klinischen Symptomen einher. Bei Frauen ist das tendenziell noch weniger oft der Fall.

Eine asymptomatische pAVK im Alter sollte man erkennen, denn:
  • Die pAVK ist eine "Markererkrankung" für das gleichzeitige Vorliegen einer koronaren Herzkrankheit (bei jedem zweiten Patienten mit pAVK) und der zerebrovaskulären Verschlusskrankheit (bei jedem vierten pAVK-Patienten). Dies bedeutet bei hochbetagten bzw. geriatrischen Patienten seltener akuten therapeutischen Handlungsbedarf als vielmehr den Hinweis auf vital relevante Komorbidität im Falle einer akuten Erkrankung.
  • Eine übersehene pAVK birgt die Gefahr einer gravierenden Folgemorbidität. Vor allem ist mit Wundheilungsstörungen nach operativen Eingriffen am Fuß oder Unterschenkel zu rechnen sowie mit Komplikationen wie Verlust der Mobilität, Superinfektionen und einer daraus resultierenden dauerhaften Pflegebedürftigkeit.

Die aktuelle interdisziplinäre S3-Leitlinie pAVK geht auf den geriatrischen Patienten gesondert ein und rät dazu, auch ohne richtungsweisende Symptomatik auf eine pAVK hin zu untersuchen [3]. Die hier ausgesprochenen Empfehlungen basieren auf dieser Leitlinie.

Symptome der pAVK und höheres Lebensalter

Claudicatio-Stadium

Der gehstreckenabhängige muskuläre Beinschmerz (Claudicatio) ist die früheste Manifestation der pAVK (Stadium I nach Fontaine, Abb. 1). Allgemein tritt er unterhalb der arteriellen Obstruktion auf und kann sich als Oberschenkel- und Gesäßschmerz und/oder als Waden- und Fußschmerz äußern. Entscheidend für pAVK-bedingten Schmerz ist ausschließlich das Auftreten unter Belastung, etwa während des Gehens. Ein Beinschmerz, der sich in Ruhe zeigt, ist nie als Claudicatio-Schmerz zu deuten. Nicht damit zu verwechseln ist der pAVK-bedingte Ruheschmerz als Ausdruck einer bereits schwerstgradigen, die Vitalität des Beins gefährdenden pAVK. Dieser Schmerz ist quälend und tritt zunächst "in der letzten Wiese" der Blutversorgung, also im Fuß auf. Auch Beinschmerzen, die zwar beim Gehen spürbar sind und erst in sitzender oder liegender Position verschwinden, sprechen gegen eine pAVK. Das Gleiche gilt für nicht belastungsabhängige Schmerzen oder Parästhesien an der Beinaußenseite. Hier ist von einer Ursache an der Lendenwirbelsäule auszugehen (Neuroforamina oder Spinalkanal). Das betrifft ebenso Bein- und Fußbeschwerden, die schon beim ersten Schritt auftreten, um dann mehr oder weniger anzuhalten.

Das Stadium der Claudicatio (Stadium II nach Fontaine, vgl. Abb. 1) tritt bei geriatrischen Patienten häufig gar nicht auf. Hauptgrund ist eine schon deutlich verminderte Mobilität oder ein verlangsamtes Gehtempo, so dass die muskuläre Gehbelastung nicht ausreicht, um Claudicatio-Beschwerden auszulösen. Ein weiterer Grund kann eine (meist diabetesbedingte) periphere Neuropathie mit verminderter oder fehlender Schmerzwahrnehmung sein. Auch bei vorliegenden Claudicatio-Beschwerden werden diese im Alter leicht verkannt oder übersehen: Die alten Patienten selbst deuten die Beschwerden nicht selten als "normale" Alterserscheinung oder als Ausdruck einer Erkrankung des Bewegungsapparats, die "nicht der Rede wert" ist.

Diagnostik pAVK bei geriatrischen Patienten

Obligat:
Erhebung des Pulstastbefundes Füße

Bei fehlendem/abgeschwächtem Puls oder bei Unklarheit:
Bestimmung des Knöchel-/Arm-Index (ABI) in Doppler-Technik

Bei fehlender Verwertbarkeit:
Weitere gefäßmedizinische Abklärung zunächst nichtinvasiv (v. a. Farbduplex-Sonographie, Stufenoszillogramm)

Zur Therapieentscheidung: Bildgebung (Angio-MRT oder Angio-CT, ggf. intraarterielle DSA, wenn möglich in katheterinterventioneller Behandlungsbereitschaft)

Im Stadium der kritischen Beinischämie ist die pAVK so weit fortgeschritten, dass die Sauerstoffversorgung der Extremität schon unter Ruhebedingungen nicht ausreicht. Es kommt zu stärksten aufsteigenden Schmerzen, beginnend pedal (Stadium III nach Fontaine, Abb. 1). Durch Herabhängen der Extremität können diese zeitweise gelindert werden. Die Wahrscheinlichkeit ist zudem erhöht, dass sich – ohne adäquates Trauma und meist zunächst pedal – spontan Wunden oder Nekrosen bilden (Stadium IV nach Fontaine). Bei einer peripheren Neuropathie (vor allem bei Diabetes mellitus) kann auch dieser alarmierende Ruheschmerz ausbleiben. Paradoxerweise sind hier Wunden in der beschriebenen Lokalisation der erste Hinweis auf eine pAVK, also erst im Spätstadium der kritischen Extremitätenischämie. Genau diese Konstellation ist bei geriatrischen Patienten wahrscheinlicher.

Diagnostik der pAVK

Die Stufendiagnostik der pAVK sollte der Arzt stets der Gesamtsituation anpassen und die Komorbidität (insbesondere kardial und hinsichtlich einer eingeschränkten Nierenfunktion) im Auge behalten. Dies gilt vor allem für die bildgebende und die invasive Diagnostik.

Eine Angio-CT-Untersuchung mit jodhaltigen Kontrastmitteln zur "Abklärung" ist immer verfehlt. Sie birgt bei geriatrischen Patienten das Risiko einer Nierenschädigung oder einer kardialen Dekompensation und ersetzt niemals die Beurteilung der hämodynamischen Auswirkung einer arteriellen Durchblutungsstörung.

Die entscheidende Basisdiagnostik der pAVK ist das Tasten der Fußpulse. Sind sie sicher palpabel, lässt sich – bei Beschwerdefreiheit – eine relevante arterielle Durchblutungsstörung ausschließen. Eine weitere Diagnostik erübrigt sich. Die Pulspalpation sollte daher obligater Teil der körperlichen Untersuchung geriatrischer Patienten sein. Fehlende Fußpulse bedeuten nicht immer eine pAVK. Diese Kontrolle kann erschwert sein, z. B. bei Ödemen, Hautinduration oder Wunden im Palpationsbereich des Fußes oder bei mangelnder Erfahrung des Untersuchers.

Der nächste Schritt ist die Bestimmung des Knöchel-Arm-Index durch die Blutdruckmessung in Doppler-Technik (Ankle-brachial-Index, ABI). Ist dieser < 0,9, kann der Arzt definitionsgemäß von einer pAVK ausgehen, bei Werten < 0,5 von einer fortgeschrittenen arteriellen Durchblutungsstörung. Bei einer Mediasklerose (Kalzifikation der Gefäßmuskelschicht ohne Beeinträchtigung des Gefäßlumens) versagt die Doppler-Druckmessung in mindestens 20 % der Fälle, vor allem bei Patienten mit Diabetes. Der ABI-Index beträgt hier > 1,3 und ist vielleicht gar nicht bestimmbar, da das Messgefäß durch die zirkuläre Kalzifikation nicht mehr komplett komprimierbar ist. Hier können weitere nichtinvasive, in der Regel durch den Gefäßspezialisten durchgeführte Untersuchungen weiterhelfen, zum Beispiel das Stufen-Oszillogramm der Beine, ebenso die Farbduplex-Sonographie.

Bei asymptomatischen geriatrischen Patienten, auch mit fortgeschrittener pAVK, endet die Diagnostik an diesem Punkt. Wohl aber sind Konsequenzen hinsichtlich der Expositionsprophylaxe pedaler Wunden zu ziehen (Fußpflege, Fußlagerung). Ist eine pAVK bekannt, wird man dies stets auch vor einem pedalen operativen Eingriff berücksichtigen müssen, um davor die arterielle Perfusion zu verbessern oder die Op. zu überdenken. Eine weiterführende Diagnostik sollte erst bei einer symptomatischen, invasiv (interventionell/operativ) behandlungsbedürftigen pAVK im Gefolge einer nichtinvasiven klinischen und messtechnischen Untersuchung (v. a. ABI-Bestimmung, Oszillogramm, Farbduplex-Sonographie) erfolgen. Hier erst kommen Angio-CT oder -MRT zum Einsatz – nicht zuletzt zur Therapieplanung. Nicht selten ist es sinnvoll, von vornherein die bildgebende Diagnostik mit der Therapie zu verbinden (z. B. intraarterielle DSA in Katheterbehandlungsbereitschaft).

Therapie

Eine asymptomatische pAVK ist bei geriatrischen Patienten selten primär behandlungsbedürftig. Man sollte sie aber auch in diesem Stadium diagnostizieren. Nur bei unumgänglichen operativen Eingriffen an Unterschenkel oder Fuß sind rekanalisierende Maßnahmen zu erwägen, wenn sonst eine Wundheilungsstörung wahrscheinlich ist. Bei kardiovaskulären Risikofaktoren muss man vor einer "Über-Behandlung" bei der Senkung des Blutzuckers und des arteriellen Blutdrucks warnen.

Bei der Claudicatio ist eine invasive gefäßeröffnende Therapie ins Auge zu fassen, wenn erheblicher Leidensdruck besteht – bei geriatrischen Patienten ist das aber selten. In diesem Stadium handelt es sich also um keine absolute Behandlungsindikation. Man muss prüfen, ob die arterielle Perfusionsstörung risikoarm unter Berücksichtigung der Komorbidität beseitigt werden kann. Bei symptomatischer kritischer Beinischämie mit pedalem Ruheschmerz und/oder Wundbildung ist immer eine Revaskularisation anzustreben, da sie konservativ nicht in den Griff zu bekommen ist – sieht man von einem rein palliativen Ansatz der Schmerztherapie ab. Der Einsatz von Prostanoiden kann erwogen werden, allerdings sollte man deren Dosis aufgrund möglicher kardialer Belastung niedrig wählen. Sie ersetzen auch keine Revaskularisation. Als rekanalisierende Behandlungsoptionen stehen katheterinterventionelle und operative Maßnahmen zur Verfügung, manchmal kombiniert ("Hybrid-Eingriffe").

Therapie pAVK bei geriatrischen Patienten

Asymptomatische pAVK:
Keine invasive Therapie, primär Expositionsprophylaxe (Lagerung, Fußpflege)

Claudicatio:
Strenge Indikationsstellung unter Berücksichtigung von Leidensdruck, Komorbidität und Ausdehnung der zu behandelnden Gefäßobstruktion

Kritische Beinischämie (Ruheschmerz und/oder Wundentstehung v. a. ­pedal): Möglichkeit einer Revaskularisation interventionell oder/und operativ immer primär überprüfen Ausnahmen: „stabile“ Nekrosen, terminaler Zustand des Patienten

Die nichtoperative Katheterbehandlung zeigt erhebliche Fortschritte. Dies gilt für längerstreckige Gefäßverschlüsse wie für arterielle Obstruktionen an Unterschenkel oder Fuß. Nach primär klinisch erfolgreicher Revaskularisierung muss eine erneute arterielle Okklusion nicht zwingend mit einer weiteren manifesten kritischen Beinischämie einhergehen. Ist eine ischämisch bedingte Wunde nach Revaskularisation abgeheilt, besteht durchaus die Chance, dass es auch nach Reokklusion dabei bleibt.

Die Langzeit-Offenheitsrate einer gefäßeröffnenden Behandlung ist also nicht vorrangig entscheidend. Die Wahrscheinlichkeit, durch die Behandlung die kritische Durchblutungsstörung zu beseitigen, geht vor. In diesem Zusammenhang hat bei allen katheterinterventionellen Fortschritten auch die operative Therapie ihren festen Stellenwert. Optimal ist immer eine interdisziplinäre Therapieentscheidung. Bei sogenannten "stabilen", d. h. trockenen, nicht mit lokaler Entzündung oder Schmerz einhergehenden Nekrosen bzw. Wunden im Fußbereich ist ein Zuwarten unter engmaschiger Kontrolle der Wundverhältnisse im Einzelfall sinnvoll ("wait and watch"). Auch die primäre Amputation kann Therapie der Wahl sein, etwa bei einer sich ausbreitenden Wundinfektion ohne Ansätze für eine stabile Revaskularisation. Die Amputationshöhe muss so gewählt werden, dass die Stumpfheilung per primam wahrscheinlich ist. Auch wenn eine immobilisierende Kontraktur der betroffenen Extremität besteht, ist diese Option zu erwägen. Nur bei schwerstkranken geriatrischen Patienten sollte man statt revaskularisierender Maßnahmen nach den Regeln der Palliativmedizin behandeln.

Gebrechlichkeit ("Frailty") ist für den Erhalt der Selbstständigkeit immer ungünstig [4], auch nach erfolgreicher Revaskularisation (rund 90 % der Fälle) [5]. Dies gilt für die operative als auch für die interventionelle Behandlung. Zudem ist die Wahrscheinlichkeit eines postoperativen Delirs bei geriatrischen Patienten mit rund 40 % deutlich erhöht. Risikofaktor ist hier die Demenz [6].

Bei seiner Entscheidungsfindung sollte sich der Arzt immer fragen, ob die Symptome der pAVK den reduzierten Gesamtzustand des geriatrischen Patienten entscheidend mitbestimmen und die Invasivität geeigneter Behandlungsmaßnahmen dagegen abwägen. Die Rekonvaleszenzzeit geriatrischer Patienten ist wegen akutmedizinischer Komplikationen nicht selten verlängert. Man sollte daher immer die Indikation einer geriatrischen Frührehabilitation prüfen. Deren Effekt hinsichtlich Mortalität und funktioneller Prognose ist erwiesen [7].


Literatur
1. Diehm C, Schuster A, Allenberg H, Darius H, Haberl R, Lange S, Pittrow D, von Stritzky B, Tepohl G, Trampisch H. High prevalence of peripheral arterial disease and comorbidity in 6,880 primary care patients: cross sectional study. Atherosclerosis 2004;172:95-105.
2. Gemeinsame Arbeitsgruppe der Bundesarbeitsgemeinschaft der Klinisch-Geriatrischen Einrichtungen e.V., der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie e.V. und der Deutschen Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie e.V.. Abgrenzungskriterien der Geriatrie, Version V1.3
3. S3-Leitlinie zur Diagnostik, Therapie und Nachsorge der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit. AWMF-Register Nr. 065/003, Entwicklungsstufe 3
4. Vogel TR, Petroski GF, Kruse RL. Functional status of elderly adults before and after interventions for critical limb ischemia. J Vasc Surg. 2014 Feb;59(2):350-8.
5. Ballotta E, Gruppo M, Mazzalai F, Martella B, Terranova O, Da Giau G. Infrapopliteal arterial reconstructions for limb salvage in patients aged > or =80 years according to preoperative ambulatory function and residential status. Surgery. 2010 Jul;148(1):119-28.
6. Sasajima Y, Sasajima T, Azuma N, Akazawa K, Saito Y, Inaba M, Uchida H. Factors related to postoperative delirium in patients with lower limb ischaemia: a prospective cohort study. Eur J Vasc Endovasc Surg. 2012 Oct;44(4):411-5.
7. Bachmann S, Finger C, Huss A, Egger M, Stuck AE, Clough-Gorr KM. Inpatient rehabilitation specifically designed for geriatric patients: systematic review and meta-analysis of randomised controlled trials. BMJ. 2010 Apr 20;340:c1718. doi: 10.1136/bmj.c1718.



Autor:

Dr. med. Christoph Ploenes

Fachzentrum Angiologie Schön Klinik
40549 Düsseldorf

Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert.



Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2018; 40 (2) Seite 30-34