Die periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) nimmt wegen ihrer Altersabhängigkeit an Häufigkeit zu und zeigt zunehmend Charakterzüge einer Volkskrankheit. Durch ihre Komorbidität mit anderen Erkrankungen des Gefäßsystems kommt ihr zudem eine Markerfunktion zu. Die Gefäßtherapie umfasst konservative, endovaskuläre und offen rekonstruktive Maßnahmen.

Welche Behandlungsform gewählt wird, hängt von der betroffenen Gefäßregion und vom Zustand des in der Regel multimorbiden Patienten ab und bedarf des fachübergreifenden Konsenses der behandelnden Ärzte. Die Vorstellung des Patienten in spezialisierten Zentren zur Reduzierung der Amputationshäufigkeit ist notwendig.

Mehr als 5 % aller 65-Jährigen leiden an einer symptomatischen pAVK. Durch die hohe Komorbidität mit KHK, zerebrovaskulären und renovaskulären Erkrankungen kommt ihr der Charakter einer Markererkrankung zu. Diese Komorbidität bedingt, dass ein Jahr nach Diagnosestellung und Therapie einer kritischen Ischämie nur noch 45 % der Patienten mit der betroffenen Extremität leben, 30 % amputiert und 25 % verstorben sind. Im Jahr 2009 wurden in Deutschland ca. 63 000 Amputationen durchgeführt, davon 22 600 Major-Amputationen. Wenn wir uns diese Zahlen vor Augen führen sowie die Gefahr einer dauerhaften Pflegebedürftigkeit, dann wird klar, dass es wichtig ist, eine pAVK früh zu erkennen und adäquat zu behandeln.

Wir müssen bei der pAVK im Wesentlichen zwischen der Claudicatio intermittens („Schaufensterkrankheit“) und der chronisch-kritischen Extremitätenischämie unterscheiden. Was die Stadieneinteilung angeht, so wird im deutschen Raum die Einteilung nach Fontaine und international die Einteilung nach Rutherford verwendet (vgl. Tabelle 1).

Es gibt verschiedene Therapieoptionen, die von der konservativen Behandlung über die interventionelle Therapie bis zur klassischen Gefäßrekonstruktion reichen. Welches Verfahren am erfolgversprechendsten ist, hängt neben individuellen Faktoren vor allem von der betroffenen Gefäßregion ab.

Aorto-iliacale Region

Die interventionelle Gefäßtherapie mit Angioplastie und Stenting weist hier insbesondere für die Iliaca communis gute Langzeitergebnisse auf (z. T. 80 % Offenheit nach fünf Jahren), die sich in der Nähe der Ergebnisse der offenen Gefäßchirurgie bewegen. Hier kommt hinzu, dass die Bypasschirurgie eine deutlich höhere Morbidität aufweist (z. B. Y-Prothese).

Fazit: Die Tendenz in dieser Region geht deutlich in Richtung endovaskulärer Therapie, wobei die langstreckigen Beckenverschlüsse evtl. in Kombination mit Aortenbeteiligung weiterhin eine gute Option für die Gefäßchirurgie darstellen, ebenso die Läsion an der Iliaca externa, die sich bis zur Leiste erstreckt.

Leistenregion

Hier liegt eine besondere Situation vor, da es hier zu der Aufzweigung in ein Kapazitätsgefäß (Femoralis profunda) und ein Transportgefäß (Femoralis superficialis) kommt. Weiterhin unterliegt die Leiste aufgrund der Hüftbeugung einer hohen mechanischen Beanspruchung. Dadurch bedingt ist diese Region für interventionelle Maßnahmen nicht geeignet. Hier ist die offene Gefäßrekonstruktion (am häufigsten als Thrombendarteriektomie =TEA) auch aufgrund ihrer guten Offenheitsrate die Therapie der Wahl.

Im Rahmen von Hybrideingriffen (Kombination offener Verfahren mit interventionellen Eingriffen) kommt der Leistenregion eine zunehmende Bedeutung zu. Denn bei der pAVK liegt häufig eine Mehretagenbeteiligung vor (Beispiel: Leisten-TEA und interventionelle Ein- und Ausstromverbesserung). Ihr Problem ist jedoch die unbefriedigende Abbildung im DRG-System.

Fazit: Die Leistenregion ist die Domäne der offenen Gefäßchirurgie.

Femoro-poplitealer Gefäßabschnitt

Die A. femoralis superficialis (= ASF) unterliegt neben komplexen mechanischen Belastungen einer erhöhten inflammatorischen Reaktion auf invasive Maßnahmen jeglicher Art mit dem Ergebnis einer erhöhten Restenoserate im Vergleich zu anderen Gefäßlokalisationen gleicher Größe.

Eine erfolgreiche konservative Behandlung ist in diesem Bereich möglich, wenn bestimmte Voraussetzungen gegeben sind: offene Beckengefäße und offene Profunda. Hier weist das überwachte Gehtraining in Verbindung mit Behandlung der Risikofaktoren die besten Ergebnisse auf. Das Problem besteht darin, dass allenfalls 20 – 30 % der Patienten willens und in der Lage sind, an einer solchen Behandlung teilzunehmen.

Mittlerweile ist die AFS zu einer Spielwiese unterschiedlicher Methoden vor allem interventioneller Art geworden (PTA, Drug eluting balloon, Drug eluting stent etc.). Für alle Verfahren gilt eine reduzierte Evidenzlage und weiterhin Rezidivstenosen besonders im ersten Jahr bis zu 20 – 30 %. Diese Verfahren müssen sich mit dem Goldstandard der Venenbypässe mit supragenualem Anschluss messen. Probleme der offenen Gefäßrekonstruktion sind die in vielen Fällen (20 – 40 %) nicht mehr verfügbare Vene und die im Mittel dreifach erhöhten lokalen Komplikationen. Für die Verwendung von Bypässen mit Heparinbeschichtung liegen ermutigende Zahlen vor. Sie kämen zur Anwendung, falls keine Vene verfügbar ist. Dies bedarf jedoch einer weiteren Validierung.

Fazit: Es besteht für diesen Abschnitt eine klare Tendenz zur endovaskulären Methode bei nicht eindeutiger Evidenz. Die konservative Gefäßtherapie weist für diesen Gefäßabschnitt vergleichbare Ergebnisse für den Gliedmaßenerhalt auf, scheitert jedoch häufig an nicht ausreichender Compliance der Patienten.

Infrapopliteale Region

Interventionen finden hier in den meisten Fällen bei kritischer Ischämie statt. Die Problematik auch hier ist das Fehlen randomisierter Studien. In der Basil-Studie konnte keine eindeutige Überlegenheit der Intervention gegenüber der offenen Rekonstruktion nachgewiesen werden und auch nicht umgekehrt. Die Empfehlung lautete hier, dass bei einer Lebenserwartung > 2 Jahre eher die Bypasschirurgie und bei < 2 Jahren eher die Intervention zu bevorzugen ist. Ein Problem dieser Studie ist sicherlich, dass sie das Jahr 2000 widerspiegelt, die technische Entwicklung heute aber weiter fortgeschritten ist.

Fazit: Die endovaskuläre Methode steht mittlerweile in vielen Fällen auch hier im Vordergrund.

Für und Wider der einzelnen Methoden

Die Behandlung der pAVK hat insbesondere in den letzten zehn Jahren eine revolutionäre Entwicklung genommen. Wo früher die gefäßchirurgische Rekonstruktion als alleinige Therapie bestand, gibt es heute eine Vielzahl von Methoden minimalinvasiver Genese, die den Eindruck suggerieren, dass Gefäßchirurgie meist verzichtbar ist und ihre Hauptindikation sich dann findet, wenn nichts mehr geht. Dies trifft nicht zu.

Der Vorteil der minimalinvasiven Methoden wird häufig mit einer höheren Re-Interventionsrate bezahlt. Die längeren Offenheitsraten der offenen Gefäßrekonstruktion werden durch ihre größere Invasivität und höhere Komplikationsraten erkauft.

Es muss öfters insbesondere im Stadium der nicht kritischen Ischämie die Frage gestellt werden, ob der konservative Weg bei günstigen Voraussetzungen nicht der bessere ist.

Die Erweiterung technischer Möglichkeiten der endovaskulären Therapie ist attraktiv, doch sollten potenzielle Anastomosenregionen nicht gefährdet werden, um die Prognose eines Patienten nicht zu verschlechtern.

Die Entscheidung für oder gegen eine Therapie sollte immer individuell auf den Patienten zugeschnitten werden, auch unter Einbeziehung verschiedener Fachgruppen, um das Ergebnis zu optimieren.

In der Zukunft wird das klassische Rollenverständnis des nur operierenden oder nur endovaskulär tätigen Mediziners der Vergangenheit angehören und eine weitere Vermischung der Fachbereiche entstehen.


Literatur
1.) Adam DJ, Beard Jd, Cleveland T et al (2005) Bypass versus angioplastry in severe ischemia of the leg (BASIL); multicentre, randomised controlled Trial, Lancet 366 (9501): 1925-1934
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Autor:

Dr. med. Rüdiger Möller

Arzt für Chirurgie und Gefäßchirurgie, endovaskulärer Spezialist, Phlebologe
Klinik für Gefäßchirurgie
Marien-Hospital Wesel gGmbH
46483 Wesel

Interessenkonflikte: keine deklariert


Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2013; 35 (19) Seite 24-27