Kommunikation als Sozialhandlung dient der Problemlösung: Durch sie werden Hindernisse überwunden, die sich allein nicht bewältigen lassen. Doch in der Hektik des Alltags vergessen wir allzu schnell, dass Worte – so präzise sie klingen mögen – es keineswegs immer sind. Denn erst wenn die vielfältigen Kommunikationsbarrieren zwischen Sender und Empfänger überwunden sind, ist der Empfänger in der Lage, eine Botschaft in ihrer tatsächlichen Bedeutung aufzunehmen.

Fragen Sie sich doch gleich zu Beginn, inwieweit die folgenden Aussagen auch auf Sie zutreffen:
  • Wir sind viel mehr Täter, als wir glauben.
  • Alles, was wir tun, ist Kommunikation!
  • Die Art, wie etwas gesagt wird, beeinflusst stets auch den Empfang.
  • Die entscheidende Kommunikation ist nicht die gesendete, sondern die empfangene: Eine gute Absicht bedeutet noch lange keine gelungene Verständigung.
  • Der Erfolg eines Gesprächs hängt entscheidend vom Gesprächsbeginn ab.
  • Kommunikation ist keine Einbahnstraße, sondern ein Prozess, der auf Wechselseitigkeit beruht.

Kennen Sie den Satz: "Wichtig ist nicht, was ich sage – sondern, was beim anderen ankommt"? Genau darum geht es: Gute Kommunikation stellt sicher, dass zwei, die miteinander reden, sich auch verstehen, und zwar nicht nur akustisch, sondern vor allem inhaltlich!

Schauen Sie sich in diesem Zusammenhang einmal die Treppenlogik der Kommunikation an:

"Gesagt ist nicht gehört.
Gehört ist nicht verstanden.
Verstanden ist nicht einverstanden.
Einverstanden ist nicht angewendet.
Angewendet ist nicht beibehalten."

Damit wir nun Missverständnisse vermeiden können, sprechen wir von den Hilfsmitteln der Kommunikation. Nehmen wir diese doch mal genauer unter die Lupe.

Wer fragt, der führt

Wir starten mit der Fragetechnik, denn "Wer fragt, der führt", und "Wer fragt, ist für eine Minute unwissend, wer nicht fragt, ein Leben lang".

Fragen statt sagen – Vorteile von Fragen:
  • Durch Fragen können wir Gespräche elegant steuern.
  • Ihr Gesprächspartner fühlt sich aufgewertet und anerkannt.
  • Ihr Gesprächspartner wird aktiviert.
  • Durch Fragen zeigen Sie Interesse.
  • Fragen lösen Vertrauen aus.

Die wirkungsvollste Frageform in den meisten Situationen ist in diesem Zusammenhang die offene W-Frage (wie – was – weshalb – wohin – worin – aus welchem Grund?).

Aber: Vermeiden Sie bitte die "Warum-Frage". Denn sobald Sie einem Gesprächspartner die Warum-Frage stellen, hat er das Gefühl, sich rechtfertigen zu müssen, und das lässt unnütze Aggressionen aufkommen. Die Psychologie vermutet, dass diese Reaktion ihren Ursprung in der Kindheit hat.

Auch für den Praxisalltag geeignet sind Kontrollfragen, um zu erfahren, ob Ihr Gesprächspartner Sie richtig verstanden hat und ob auch Sie ihn richtig verstanden haben: "Habe ich richtig verstanden, dass …?"

Die Alternativ-Frage hilft Ihrem Gesprächspartner, eine Entscheidung zu treffen: "Wann passt es Ihnen am besten, am Montag oder am Dienstag?", "Holen Sie Ihr Rezept ab oder sollen wir es Ihnen zuschicken?".

Nicht zu vergessen sind die geschlossenen Fragen. Setzen Sie diese Fragen ein, können Sie die Entscheidung Ihres Partners bewusst beeinflussen. Ihr besonderes Merkmal ist, dass diese Fragen nur mit "ja" oder "nein" beantwortet werden können, Sie erhalten also nur sehr begrenzte, aber teilweise auch sehr präzise Informationen. Diese Fragetypen verwenden Sie, wenn Sie schnell eine bestimmte Information benötigen, in der Praxis beispielsweise eine Zustimmung, aber auch, wenn Sie Entscheidungen herbeiführen möchten ("Haben Sie die Tabletteneinnahme beendet?").

Die Rolle von Ich-Botschaften

Mit den Ich-Botschaften können Sie schwierige Situationen im Praxisalltag besser in den Griff bekommen. Ich-Botschaften gehören in der Kommunikation zu den wichtigsten Regeln, wenn es darum geht, die Bedürfnisse aller Beteiligten hervorzuheben.

Denn mit Äußerungen wie "Sie machen immer ..., Sie tun immer ... und nur weil Sie ..." stellen wir den anderen mit dem Rücken an die Wand, wir klagen ihn an. Aus dieser Situation heraus wird er immer wieder versuchen, sich zu wehren und ebenfalls anzugreifen. Auch Worte wie "man" und "die meisten" enthalten versteckte Interpretationen, Wertungen und Diagnosen über das Verhalten des anderen. Dies gefährdet die offene Kommunikation und baut eine Mauer zwischen uns auf.

Wenn Sie zum Beispiel zu einer Kollegin sagen: "Es ist schwer, mit Dir zusammenzuarbeiten, weil Du jeden Morgen zu spät kommst", dann haben Sie ihr Verhalten bewertet und die Ich-Botschaft dabei vermieden. Sie haben ihr nicht klargemacht, dass Sie sich jeden Morgen ärgern, weil Sie ihre Patienten am Telefon beruhigen und ihre Arbeit in der ersten halben Stunde miterledigen müssen. Versuchen Sie es doch einmal mit dieser Reaktion: "Ich ärgere mich, weil ich jeden Morgen eine halbe Stunde lang Deine Arbeit mitmachen muss und mir diese halbe Stunde abends bei meiner eigenen Arbeit fehlt."

Und hier ein paar Tipps für das Verhalten, wenn Gespräche zu entgleisen drohen. Verwenden Sie als "innere Stütze" diese sieben Schritte der Gesprächsführung:
  • Beziehung herstellen
  • (Um wen geht es?)
  • Partnersituation erkennen/ergründen
  • (Was will der andere?)
  • Angebot vortragen, konkretisieren und partnerbezogen begründen
  • (Um was geht es?)
  • Zur Prüfung auffordern
  • (Findet der Gesprächspartner den "Verhandlungsgegenstand" o.k.?)
  • Einwände behandeln
  • (Was spricht dagegen?)
  • Vereinbarung treffen
  • (Festzurren, was vereinbart wurde)
  • Positiv verabschieden

Umgang mit Konflikten

"Das Einzige, um was sich Menschen nicht kümmern müssen, sind Konflikte. Die entstehen von alleine", meint der amerikanische Unternehmensberater Peter F. Drucker. Tatsächlich bedarf es meist keiner großen Anstrengungen, um Fronten zwischen zwei Menschen oder in einem Team aufzubauen. Menschen mit ihren individuell verschiedenen Ansprüchen, ihrem Denken und ihren Gefühlen geraten fast automatisch aneinander. Das ist auch ganz natürlich, denn wir haben alle verschiedene Ansichten von richtig oder falsch. Unsere Einstellung ist stets subjektiv.

Unsere Wahrnehmung spielt in der Steuerung von Konflikten eine besondere Rolle. Denn im Konfliktfall neigen wir dazu, negatives Verhalten des Konfliktpartners bevorzugt wahrzunehmen. Dies müssen wir uns bewusst machen, denn wenn wir uns ausschließlich auf das Negative beschränken, verschließen wir uns dem Positiven. Darum fragen Sie sich:
  • Ist das, was mir bewusst ist, wirklich alles, was ich hören, sehen und empfinden kann?
  • Was könnte ich zusätzlich noch wahrnehmen?
  • Gibt es positive Aspekte, die ich bisher übersehen habe?

Haben Sie sich wiedererkannt? Sie wissen nun, wozu Sie im Konfliktfall neigen, können sich darauf einstellen und natürlich damit auch entsprechend umgehen. Dies wird Ihnen beim nächsten Konflikt einiges leichter machen.

Tipps für positives Konfliktverhalten

Was können Sie tun? Haben Sie Mut zu klaren Worten! Die Lösung liegt vor Ihnen. Ein guter Anfang ist, aufzuhören, die Schuldfrage zu diskutieren. An einem Konflikt sind immer beide Seiten beteiligt. Jeder hat dazu beigetragen, jeder hat aus seiner Sicht recht. Die Reaktionen beider Seiten sind aus ihrer jeweiligen persönlichen Geschichte heraus verständlich.

Häufig lassen sich Konflikte einfach dadurch lösen, dass beide Seiten die Gelegenheit bekommen, ihre Perspektiven, ihre Motive, Gefühlslage und Interessen in Ruhe darzulegen. Ohne unterbrochen zu werden, der andere hört einfach nur zu. Und umgekehrt. Das bewirkt oft, dass beide aus der Enge ihres eigenen Blickwinkels herausfinden, mehr Verständnis füreinander haben und wieder bereit sind, nach einer gemeinsamen Lösung zu suchen.

Die Selbstkontrolle wiedergewinnen

Erregung zu kontrollieren ist leichter gesagt als getan – das wissen wir alle nur zu gut. Solange Sie Gefühle der Wut und des Ärgers aber nicht einigermaßen in den Griff bekommen, sind Sie noch weit davon entfernt, ein gutes Konflikt- oder Kritikgespräch zu führen.

Wenn Sie kritisiert werden, sollten Sie möglichst weder zum Gegenangriff übergehen noch sich verteidigen. Idealerweise hören Sie sich die Kritik an und überprüfen, inwieweit Sie sie annehmen und von ihr lernen wollen.

Das aber ist oft nicht leicht. Wenn Sie kritisiert und damit angegriffen werden, stockt Ihnen der Atem. Atmen Sie deswegen zunächst ein paar Mal tief durch. Damit können Sie meist den ersten Schmerz und den Impuls, selbst anzugreifen, vermindern.

Fragen Sie gezielt nach Verbesserungsmöglichkeiten. Fragen Sie bei Kritik doch mal Ihr Gegenüber, was er oder sie an Ihrer Stelle machen würde, was er oder sie Ihnen empfehlen könnte. Bitten Sie ruhig auch mal um Un-terstützung.

Beginnen Sie jede Kritik mit einem Lob

Bevor Sie das nächste Mal eine andere Person kritisieren, könnten Sie diese Person zuerst für irgendetwas loben. Wenn Sie Ihre Kritik mit etwas Positivem einleiten, fühlt sich Ihr Gegenüber respektiert und gewürdigt, und die nachfolgende Kritik tut ihm oder ihr nicht mehr so weh.

Finden Sie Gegen- und Verbesserungsvorschläge! Es ist oft leichter, einen Gegenvorschlag oder Verbesserungsvorschlag anzunehmen als pure Kritik. Stellen Sie also nicht das Problem, sondern die Lösung in den Mittelpunkt.

Machen Sie deutlich, dass Sie Ihre persönliche Meinung äußern. Wenn Sie Kritik als Ihre ganz persönliche Meinung kennzeichnen, fällt es Ihrem Gegenüber wahrscheinlich leichter, sich nicht angegriffen zu fühlen. So können Sie beispielsweise sagen: "Also, meiner Auffassung nach könnte dies noch verbessert werden, und zwar..." oder "Ich weiß nicht, wie Du das siehst, aber ich denke, dass ...".

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg, stets gute Kommunikation und zufriedenstellende Konfliktlösungen.

Die sechs Stufen der kooperativen Konfliktlösung

Ist es Ihnen auch schon einmal so ergangen? Sie haben einen Konflikt, der Ihnen schwer zu schaffen macht. Dabei kommt Ihnen häufig der Gedanke, dass Sie gar nicht mehr wissen, wie das Ganze entstanden ist und was dazu alles beigetragen hat. Deshalb gibt Ihnen die folgende Checkliste zum Konfliktverlauf einen guten Anhaltspunkt, in schwierigen Situationen wieder Überblick zu gewinnen. Im ersten Moment werden Sie sicher denken: "Das ist aber zeit- und arbeitsintensiv!" Da widerspreche ich Ihnen nicht, aber wenn Sie dieses Modell bei Konflikten oder Problemen einsetzen – das heißt immer wenn etwas in Ihrer Praxis nicht rund läuft –, werden Sie schnell merken, dass Sie damit einen roten Faden haben und den Konflikt schneller zu einem positiven Ende führen können

  1. Stufe 1: Wo genau liegen die Probleme?Den Konflikt identifizieren und definieren, d. h. abgrenzen gegen andere Probleme (sich Zeit nehmen, den Konflikt klar aussprechen, Ich-Aussagen senden, Kooperation anbieten, auf niederlagenlose Methode der Regelung verweisen).
  2. Stufe 2: Mögliche Lösungen entwickelnWelche unterschiedlichen Lösungen sehen die Konfliktpartner?Keine Lösung bewerten, zu möglichst vielen Vorschlägen anregen, alle Beteiligten einbeziehen.
  3. Stufe 3: Lösungsmöglichkeiten kritisch bewertenWas spricht für/gegen die einzelnen Lösungen? Für einzelne unannehmbaren Lösungen streichen
  4. Stufe 4: Sich für die beste annehmbare Lösung entscheidenWie sieht die beste Lösung genau aus? Die Lösung exakt beschreiben, die Lösung nicht als endgültig, sondern als wandelbar ansehen, abfragen, ob alle Beteiligten sie akzeptieren, Angst abbauen
  5. Stufe 5: Wie wird die Lösung durchgesetzt?Wege zur Ausführung der Entscheidung ausarbeiten. Genau festlegen, wer was macht.
  6. Stufe 6: Lösungsmöglichkeiten kritisch bewertenSpätere Untersuchungen über die Funktionsfähigkeit der Lösung und die Einhaltung der getroffenen Absprachen.





Autor:

Sibylle May

Sibylle May
Beraterin, Trainerin, Systemischer Coach, Mediatorin
40489 Düsseldorf
www.beratungsbuero- may.com

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2016; 38 (18) Seite 80-86