In diesem Artikel steht die Besonderheit der Dienstleistung im Vordergrund. Denn anders als beim Kauf eines Paars Schuhe oder eines Mantels muss Ihr Patient darauf vertrauen, dass Sie eine qualitativ hochwertige Leistung anzubieten haben. Erfüllen Sie also die Bedürfnisse Ihrer Patienten! Denn Bedürfnisse sind durch eine Mangelsituation charakterisiert und streben nach einer konkreten Zufriedenstellung.

Besonders wenn wir von Dienstleistungen im Bereich der Arztpraxis sprechen, muss im ersten Schritt das Vertrauensverhältnis zum Patienten hergestellt werden – also sein Bedürfnis nach Sicherheit befriedigt werden. Der Patient muss sich gut aufgehoben fühlen. Des Weiteren wünscht er sich in seinem Bedürfnis nach Kontakt eine freundliche Ansprache auf der Beziehungsebene. Auch Anerkennung ist einem Patienten wichtig, er strebt nach Wertschätzung seiner Person und danach, dass seine Gefühle ebenso wie seine Schmerzen ernst genommen werden.

Der Patient will überzeugt werden

Da es sich bei der Dienstleistung um ein immaterielles Gut handelt, das der Patient im Vorfeld weder anfassen noch sehen kann, muss zunächst ein überzeugendes Leistungsversprechen vermittelt werden. Hilfreich sind dafür:

  • seriöses Auftreten
  • professionelle Art der Kommunikation
  • anschauliche Darstellung der vorgeschlagenen Lösung bzw. Therapie
  • Verweis auf die Unternehmenshistorie (Alter am "Markt")
  • Verweis auf Referenzen (besonders treue Patienten bzw. Kunden)
  • Urkunden und Zertifikate über Weiterbildung der Praxis-Mitarbeiter an den Wänden
  • ISO-Zertifizierung (sichtbar)

Nicht zu vergessen: Wenn es um die Dienstleistung geht, ist vor allem gut ausgebildetes und hoch motiviertes Personal ein wichtiger Erfolgsfaktor. Denn bei der Erbringung eines Dienstes – und das trifft selbstverständlich auch auf die Arztpraxis zu – hat der Dienstleister meist persönlich mit dem Abnehmer zu tun. Gerade im Hinblick auf die Qualität der Dienstleistung bedeutet dies besondere Anforderungen: sowohl an das äußere Erscheinungsbild des Dienstleisters (Verhalten, Körpersprache, Kleidung) als auch an Atmosphäre oder Ausstattung der Räumlichkeiten.

Die Checkliste auf Seite 72 gibt Ihnen einen guten Überblick, wie Sie im Bereich der Dienstleistung abschneiden. Und Kasten 1 auf Seite 71 zeigt, was Begeisterungsfaktoren ausmachen.

Warum sind Patienten unzufrieden?

Haben Sie sich schon mal die Zeit genommen, zu überlegen, wann und warum Ihre Patienten vielleicht nicht so zufrieden sind?

Eine Lücke zwischen Patientenerwartungen und deren Erfüllung kann sich an vier Stellen auftun:

1. Der Patient hat andere Erwartungen, als Sie, Ihre Praxis und Ihr Team annehmen.

2. Sie kennen die Erwartungshaltung Ihrer Patienten, aber Sie können diese mit den vorhandenen internen Ressourcen oder Prozessen nicht erfüllen.

3. Die Leistungsnormen entsprechen zwar denen der Patienten, können jedoch nicht erreicht werden.

4. Die tatsächliche Leistung ist fehlerfrei, entspricht aber nicht dem, was dem Patienten versprochen wurde.

Die oben zusammengestellte Erkenntnis wird "Lückentheorie" genannt, und der Begriff beschreibt den Sachverhalt recht gut. Daher ist entscheidend für Ihren Erfolg, dass Sie Ihre Patienten wirklich gut kennen und dass Sie im Team darüber sprechen, welche Ressourcen oder Freiräume Sie schaffen müssen, etwa welche Regeln der Beschwerdebearbeitung Sie brauchen – und dass Sie zu guter Letzt (oder besser schon am Anfang) durch gezielte Fragen herausfinden, was der Patient wirklich will.

Was bedeutet "Patientenzufriedenheit" für Ihre tägliche Arbeit?

Der Mensch rechnet häufig mit dem schlimmsten zu erwartenden Ergebnis. Wenn Ihr Patient also in Ihre Praxis kommt, befürchtet er das Schlimmste und hofft zugleich auf das Beste. Was passiert also, wenn er als Privatpatient einen zugesagten Termin um 15:00 Uhr hat? Er geht davon aus, spätestens um 16:00 Uhr an die Reihe zu kommen. Gemäß Murphy’s Law rechnet er aber auch mit dem Schlimmsten, und genau das passiert dann auch, etwa in Form einer unvorhersehbaren Verzögerung. Zu Hause erzählt er in den folgenden Tagen Nachbarn und Bekannten aus dem Viertel (mindestens 12 bis 20 Personen), wie schlecht es ihm ergangen ist.

Glauben Sie, dass jemand aus diesem Personenkreis vorurteilsfrei bei Ihnen erscheinen würde? Und was passiert, wenn auch hier ein unvorhergesehener Unglücksfall eintritt?

Für Sie bedeutet das konkret: Beim nächsten Patienten aus dem Viertel müssen Sie unbedingt die Basisanforderungen erfüllen, Ihre Leistungsquali-tät steigern (bevorzugte Terminliste) und Begeisterungsfaktoren (etwa durch eine Überraschung wie Kaffee im Untersuchungszimmer) schüren.

Im Rahmen des Qualitätsmanagements z. B. über die ISO 9001 in Arztpraxen wird auch die "Kunden"-Zufriedenheit unter die Lupe genommen. Im ersten Schritt gilt es, die Zielgruppe, sprich die Menschen, mit denen Sie in der Praxis regelmäßig zu tun haben, in bestimmte Untergruppen zusammenzufassen, die je spezifische Erwartungen an Sie haben. Beispiele für solche Untergruppen sind Patienten, Angehörige, Kostenträger oder Zuweiser.

Die jeweiligen Bedürfnisse der Gruppe lassen sich durch Marktanalyse, Patientenzufriedenheitsanalyse, Interviews, persönliche Kontakte und Befragung ermitteln.

Patientenanforderungen, mit denen Sie auf jeden Fall konfrontiert werden und die zum größten Teil noch in die Basisanforderungen und Leistungsanforderungen mit hineinspielen, sind Hygiene, Sauberkeit, Gerätesicherheit, Gebäudesicherheit, Patientenrechte und qualifiziertes Personal.

So vermeiden Sie es, Ihre "Kunden" zu enttäuschen

Enttäuschungsfaktoren in den Dienstleistungen tragen dazu bei, dass Sie es sich mit Ihren Patienten so richtig verderben. Wenn Ihr Patient z. B. seit 3 Monaten auf einen CT-Termin wartet, sich für diesen Tag sogar Urlaub genommen hat und dann erst in Ihrer Praxis erfährt, dass das Gerät kaputt ist, dann ist diese Situation für ihn ein echter Ausnahmezustand! Ein Vorgehen, bei dem der Patient noch nicht einmal vorab telefonisch informiert und ihm kurzfristig ein Ersatztermin zugesagt wird, toleriert niemand.

Wenn Sie Patienten langfristig binden und zu "Weiterempfehlern" machen möchten, dürfen solche Enttäuschungsfaktoren bei Ihnen nicht vorkommen. Denn der Patient wird sein Netzwerk darüber informieren. Als Regel gilt, dass der unzufriedene Patient über den genannten Vorfall mindestens 20 Personen in seinem Bekanntenkreis berichten wird, die diese Information wiederum weitertragen.

Überlegen Sie daher im Team, was für Ihre Patienten absolute Notwendigkeiten sind, die bei Ihrer Dienstleistung garantiert sein müssen. Auch wenn es banal klingt, so gelten hier beispielsweise Pünktlichkeit, Höflichkeit, Sauberkeit und Ehrlichkeit als Basistugenden. Wenn diese nicht erfüllt sind, brauchen Sie sich auch keine Gedanken über zusätzlichen Service oder Begeisterungsfaktoren zu machen, denn diese würde der erboste Patient überhaupt nicht mehr wahrnehmen. Stellen Sie also zunächst sicher, dass die Selbstverständlichkeiten erfüllt werden, bevor Sie den nächsten Schritt gehen.

Die Erfüllung der Leistungsfaktoren: Wann ist der Patient "endlich zufrieden"?

Der Patient ist zufrieden, wenn die wahrgenommene Leistung seinen Erwartungen mindestens entspricht. Das heißt, dass der Patient in einer Behandlungs- oder Beratungssituation zunächst eine bestimmte Leistung (man könnte auch sagen: einen gewissen Servicestandard oder eine bestimmte Qualität) erwartet. Diese Erwartungshaltung setzt den Maßstab.

Natürlich kann es vorkommen, dass der Patient überzogene Erwartungen hat, die sich nicht erfüllen lassen und Unzufriedenheit garantieren. Diese Situation ist aber die Ausnahme. Normalerweise orientiert sich der Patient an dem, was Mitbewerber bisher geboten haben oder was in anderen Branchen üblich ist.

Das heißt für Sie: Je besser Sie Ihren "durchschnittlichen" Patienten kennen und je besser Sie mit dem Leistungsniveau Ihres "Mitbewerbs" vertraut sind, desto eher können Sie die Erwartungen, die an Sie gestellt werden, im Voraus abschätzen.

Das bedeuten zufriedene Patienten für Sie und Ihre Praxis:

  • Zufriedene Patienten kommen wieder: Sie nehmen erneut Ihre Dienstleistung in Anspruch.
  • Zufriedene Patienten setzen mehr um: Routine- oder Zusatzuntersuchungen werden bei Ihnen wahrgenommen.
  • Zufriedene Patienten empfehlen Sie weiter: rund 5- bis 12-mal. Menschen fragen am liebsten im Bekanntenkreis, wenn sie auf der Suche nach einer Dienstleistung sind.
  • Wenn der Patient mit Ihnen zufrieden ist, ist Ihre Praxis für ihn immer die erste Wahl.

Nachdem Sie durch das Vermeiden der Enttäuschungsfaktoren die Unzufriedenheit vermieden haben, gilt es nun, dem Patienten das klare Gefühl von Zufriedenheit zu vermitteln. Ein Leistungsfaktor, der in hohem Maße zur Zufriedenheit beiträgt, häufig jedoch nicht gegeben ist, ist Freundlichkeit.

Wenn der Patient morgens um 8 Uhr bei Ihnen bereits mit einem freundlichen Lächeln und einer persönlichen, namentlichen Begrüßung empfangen wird, fühlt er sich trotz seines möglicherweise elenden Zustands schon viel besser. Wenn Sie ihm dann noch ein erfrischendes Getränk anbieten, ist der Patient vollauf zufrieden und kommt auch gerne wieder.

Wie Sie Begeisterungseigenschaften ins Spiel bringen

Wer als Dienstleister noch einen Schritt weitergehen und seine Patienten begeistern will, muss diese kennen und sich dazu noch etwas einfallen lassen. Denn Sie möchten doch, dass Ihre Patienten so die Praxis verlassen? Dann werden Sie und Ihre Praxis mit Sicherheit weiterempfohlen.

Begeisterungseigenschaften sind Elemente, die der Patient nicht von Ihrer Dienstleistung erwartet und die ihn deshalb umso mehr überraschen. Ein begeisterter Patient empfiehlt Sie aus diesem Grunde auch gerne weiter, denn er hat bei Ihnen etwas Besonderes erlebt, über das er gerne spricht.

Wenn Sie etwa Ihre Behandlungsräume völlig anders gestaltet haben als andere Praxen, leise Musik spielen, den Warteraum vielleicht beduftet haben und sogar noch einen beruhigenden Tee anbieten, dann verblüffen Sie Ihre Patienten und nehmen ihnen vielleicht manche Ängste und Besorgnisse. In jedem Fall werden Patienten ihren Bekannten von ihrem Besuch berichten.

Allerdings sind auch Sie und Ihr Verhalten bei den Begeisterungsfaktoren ein wichtiger Bestandteil. Der Patient spürt genau, ob er nach "Schema F" abgewickelt wird oder ob er persönlich wirklich wichtig ist und von Ihnen ernst genommen wird.

Überlegen Sie gemeinsam im Team, was Ihre Patienten begeistert und was diese wohl ihren Bekannten erzählen. Welche Begeisterungseigenschaften hat Ihre Praxis gegenwärtig aufzuweisen? Wofür loben Ihre Patienten Sie und Ihre Kollegen? Womit können Sie Ihre Patienten überraschen? Häufig sind es die kleinen Gesten, die zählen: die namentliche Ansprache, das Erkundigen nach den Neugeborenen in der gynäkologischen Praxis und der persönliche Erfahrungsaustausch am Empfang. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg und Freude bei der Aufgabe, Ihre Patienten für Ihre Praxis zu begeistern.



Autor:

Sibylle May

Beraterin, Trainerin, Systemischer Coach, Mediatorin
40489 Düsseldorf

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2016; 38 (5) Seite 70-74