Der Erfolg einer Praxis wird von der Zufriedenheit der Patienten bestimmt. Diese hängt in großem Maß vom Arbeitsklima ab: von Auftreten, Kommunikation, Zugewandtheit und Stimmung im Team. Bereits der Erstkontakt ist von großer Bedeutung. Denn der erste Eindruck entscheidet über den weiteren Verlauf einer Beziehung – und für ihn gibt es keine zweite Chance.

Stellen Sie sich vor: Am Ort hat ein neues Restaurant eröffnet und Sie beschließen, sich einen schönen Abend zu gönnen. Erwartungsvoll betreten Sie die Räume: Die Einrichtung ist ganz nach Ihrem Geschmack, doch die Mitarbeiter an der Theke besprechen etwas, ohne aufzusehen. Mit einem flüchtigen "Guten Abend" wird Ihnen die Karte hingelegt. Die Aufnahme der Bestellung dauert einige Zeit, anschließend warten Sie sehr lange auf Ihr Essen. Dieses ist tatsächlich exzellent. Nach der wenig aufmerksamen Bedienung, der spürbar schlechten Stimmung unter den Mitarbeitern und der langen Wartezeit mag es Ihnen jedoch nicht mehr so recht schmecken, und Sie entscheiden sich beim nächsten Mal für ein anderes Lokal.

Was für jede Dienstleistung gilt, ist auch in der Arztpraxis von Bedeutung: Die Stimmung beeinflusst unser Wohlbefinden. Ist der erste Eindruck gut bis sehr gut, sind wir später in der Lage, auch über Kleinigkeiten hinwegzusehen. Umgekehrt gilt: Ist der Start nicht gelungen, kostet es ungleich viel mehr Energie, um die Stimmung so zu drehen, dass Positives erinnert wird.

Schlechte Laune hat keinen Platz

Der Erstkontakt – häufig ein Telefonat – ist ebenso wichtig wie die Begrüßung des Patienten. Wer schlecht gelaunt ist, kann hier keine gute Atmosphäre schaffen. Ein Grund, warum schlechte Laune in der Praxis keinen Platz haben darf! Grundpfeiler eines guten Klimas sind:

  • Eine positive Haltung
  • Gute Stimmung
  • Freundlichkeit
  • Sachlichkeit
  • Übernahme von Verantwortung
  • Verbindlichkeit
  • Kollegiales Feedback

Wird ein Patient freundlich und verständnisvoll empfangen, kann er Vertrauen entwickeln, Ängste treten in den Hintergrund. Dies ist bei schmerzgeplagten oder furchtsamen Patienten besonders wichtig. Wohlgefühl und Vertrauen hilft Patienten, Ängste abzubauen, sich zu entspannen und sich während des Arztgesprächs oder der Behandlung konzentrieren zu können. Wer sich dagegen nicht willkommen oder nicht beachtet fühlt, fokussiert sich auf sein Leiden, wird im Gespräch verkrampft sein und auf Vorschläge oder Behandlungsmethoden sehr viel skeptischer reagieren. Mitarbeiterinnen am Empfang kommt somit eine große Bedeutung zu: Sie sind es, die die Stimmung zunächst beeinflussen und damit die Arbeit des Arztes positiv unterstützen können.

Eine positive Haltung einnehmen

Wer in positiver Stimmung ist, kann sich besser konzentrieren und Entscheidungen treffen. Das gilt für Praxismitarbeiter ebenso wie für Patienten. Unsere Stimmung beeinflusst unsere Körperhaltung: Traurige, niedergeschlagene Menschen lassen die Schultern und den Kopf hängen. Man sieht ihnen ihre Stimmung an. Das Schöne daran: Diese Beeinflussung funktioniert auch umgekehrt! Ein Lächeln lässt die Stimme freundlicher werden. Aufrechter Gang, Körperspannung und gerader Blick vermitteln Selbstvertrauen und Souveränität. Nicht nur dem Gegenüber, sondern auch sich selbst. Sie können sich also selbst in gute Stimmung versetzen!

Tipp: Üben Sie! Lächeln Sie fremde Passanten auf der Straße an. Sie werden freundliche Reaktionen ernten und fröhlicher werden. Oder stellen Sie sich ein Bild eines lieben Menschen auf Ihren Schreibtisch, das Ihnen ein freundliches Lächeln und ein warmes Gefühl schenkt. Diese positive Stimmung wird sich übertragen. Auch lustige Bilder entfalten große Wirkung!

Sachlich bleiben

In freundlicher Stimmung ist es einfach, sachlich zu bleiben. Was aber, wenn ein "schwieriger" Patient vor Ihnen steht? Zunächst gilt die Devise: Trennen Sie die Situation von der Sache. Es gibt keine schwierigen Patienten, sondern nur schwierige Situationen. Äußert sich beispielsweise Frau M. sehr nervös und ungehalten, so mag die augenblickliche Situation so sein, dass Frau M. ungehalten und nervös reagiert. Es bedeutet jedoch nicht, dass Frau M. als Person so ist. Wer erkennt, dass eine Situation ein bestimmtes Verhalten erzeugt, sieht Handlungsspielraum zur Veränderung. Wer die Eigenschaften der Person zuschreibt, hat dagegen keine Einflussmöglichkeiten.

Sachlich bleiben bedeutet: Genau hinhören. Was wurde ausgesagt? Stimme, Mimik, Körpersprache sagen häufig mehr aus als Worte. Dennoch ist hier Vorsicht geboten, denn nonverbale Signale unterliegen stets der Interpretation. Manch einer ist sich nicht bewusst, dass sein Ton arrogant oder anklagend wirkt, und meint es "eigentlich" nicht so. Oder jemand wirkt aufgeregt und Sie gehen bereits in Abwehrhaltung, bevor Sie angesprochen werden. Dabei hat die Aufregung gar nichts mit Ihnen, der Praxis oder der bevorstehenden Behandlung zu tun, sondern mit etwas, das der Patient auf dem Weg erlebt hat. Üben Sie also zu unterscheiden: Was habe ich wahrgenommen und was wurde tatsächlich gesagt?

Tipp: Tauschen Sie sich mit Ihren Kolleginnen aus. Was haben Sie wahrgenommen und wie sieht die Kollegin die Situation? Selten gibt es "die Wahrheit", sondern meist unterschiedliche Einschätzungen.

Stellen Sie sich vor, Patient B. sagt: "Das ging heute schnell." Was hören Sie?

  • "Sonst muss ich immer viel länger warten."
  • "Heute haben Sie sich wenig Zeit für mich genommen."
  • "Super, wie schnell es bei Ihnen geht."
  • "Hier geht es zu wie am Fließband, wo bleibt der Mensch?"
  • Oder meint er einfach, was er sagt: "Heute ging es schnell."

Verantwortung übernehmen

Verantwortung heißt: Verantwortung für die Praxis übernehmen. Hat ein Patient Anlass zur Beschwerde, übernimmt diejenige Mitarbeiterin die Verantwortung, die angesprochen wird, auch wenn sie nicht die Verursacherin ist. "Es tut mir leid, ich werde die Sache klären und rufe Sie bis morgen Vormittag an" ist eine klare und verbindliche Antwort. Den Fehler auf Kolleginnen zu schieben, vermittelt dem Patienten: Hier klappt die Zusammenarbeit nicht. Wenn jeder im Team Verantwortung übernimmt, kann auch teamintern kollegial mit Fehlern umgegangen werden. Eine Grundvoraussetzung, um aus Fehlern zu lernen.

Auch bei Beschwerden und Einwänden des Patienten gilt: Nehmen Sie diese freundlich entgegen. Wenn Sie Beschwerden und Einwände kennen, haben Sie die Möglichkeit zu handeln und eine Lösung zu finden. Beschwerden und Einwände, die nicht geäußert werden, arbeiten unterschwellig weiter und führen dazu, dass sich bei Unzufriedenen dieses negative Gefühl noch verstärkt. Sie können also dankbar sein, wenn sich ein Patient äußert, denn er gibt Ihnen Rückmeldung über seine Wahrnehmung Ihrer Arbeit.

Eine Aussage wie "Ich rufe bis morgen Vormittag zurück" heißt, spätestens am nächsten Morgen zurückzurufen, auch wenn die Angelegenheit noch nicht geklärt werden konnte. Denn Zuverlässigkeit schafft Vertrauen!

Kollegiales Feedback

Je häufiger Sie sich von Kollegen Feedback einholen, umso einfacher wird es, Situationen und auch sich selbst einzuschätzen. Jemandem Rückmeldung über sein Verhalten zu geben ist gar nicht schwer, sofern ein paar kleine Regeln eingehalten werden. Denn Feedback bedeutet keineswegs, immer nur negativ zu kritisieren: Mit einem konstruktiven Feedback erfahren Sie, wie Sie auf andere wirken und wie diese Sie wahrnehmen. Seien Sie sich dabei bewusst, dass niemand "die Wahrheit" vertritt, sondern es sich jeweils um die Wahrnehmung dieser Person handelt. Dann wiegt auch Kritisches nicht allzu schwer.

Da jeder Mitarbeiter im Team Einfluss darauf hat, wie ein Patient der nächsten Kollegin begegnet, liegt es nahe, sich im Team gemeinsam klare Regeln zu erarbeiten. Besonders viel Spaß macht es, wenn Sie sich in Ihrer ausgefüllten Arbeitswoche einmal einen Nachmittag nur fürs Team Zeit nehmen.

Wenn Sie jemandem Rückmeldung geben – sei es einer Kollegin oder einem Patienten –, so achten Sie darauf, immer zuerst etwas Positives zu sagen. Bleiben Sie sachlich und werden Sie nicht persönlich. Bei kritischen Anmerkungen ist es hilfreich, dem anderen mögliche Alternativen zu nennen. Beenden Sie das Feedback mit einer positiven Aussage.

Freundlich und guter Laune bis zum Schluss

Da die Betreuung eines Patienten in der Regel keine einmalige Angelegenheit ist, ist die Verabschiedung ebenso wichtig wie der Empfang, denn der Abschluss bleibt im Gedächtnis. Eine bewusste und freundliche Verabschiedung sorgt für eine positive Erinnerung. Damit
binden Sie Ihre Patienten an die Praxis. Sie werden gerne wieder zu Ihnen in die Praxis kommen und Sie im Idealfall auch noch weiterempfehlen.


practica 2015 Bad Orb
Kurs Nr. 111
Ingrid Belser-Schweigler: "Gutes Arbeitsklima, reibungsloser Ablauf, zufriedene Patienten: Die Bedeutung aller Mitarbeiter für den Erfolg"



Autor:

Dipl.-Päd. Ingrid Belser-Schweigler

Zertifizierter Business- und Privatcoach
79117 Freiburg

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Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2016; 38 (1) Seite 50-55