Erhöhte Leberwerte sind kein seltener Befund in einer Hausarztpraxis. Dabei sollte man bedenken: Schon leicht erhöhte Werte können auf eine lebensbedrohliche Lebererkrankung hindeuten. Dass das zentrale Stoffwechselorgan des menschlichen Körpers meist langsam und unbemerkt versagen kann, hat viele Ursachen. Die häufigsten sind Alkoholabusus, leberschädigende Medikamente, nicht-alkoholische Leberverfettung und Virushepatitiden. Die Diagnose sollte der Arzt rasch stellen und die richtige Therapie frühzeitig einleiten, damit es erst gar nicht zu Spätfolgen bis hin zu Leberzirrhose und hepatozellulärem Karzinom kommen kann.


Eine 21-jährige Patientin, die eine USA-Reise plant, stellt sich bei ihrem Hausarzt vor. Seit einigen Wochen klagt sie über eine Zunahme des Bauchumfangs und Völlegefühl, denen eine kurzzeitige Episode von Übelkeit und Erbrechen vorausging. In der körperlichen Untersuchung bemerkt der Kollege einen Sklerenikterus. Die laborchemische Diagnostik ergibt marginal bis mäßig erhöhte Leberwerte (AST: 41 U/l, ALT: 36 U/l, AP: 106 U/l, CHE: 5443 U/l, Lipase: 72 U/l, Bilirubin (ges.): 2,31 mg/dl, Bilirubin (direkt): 1,5 mg/dl, Bilirubin (indirekt): 0,81 mg/dl, Albumin: 22,8 g/dl, Quick: 66 %). Im Ultraschall zeigt sich ein Vier-Quadranten-Aszites. Duplexsonographisch besteht V. a. ein Budd-Chiari-Syndrom bei fehlender Darstellbarkeit der rechten und linken Lebervene.


Nach stationärer Einweisung kann dieser Verdacht mit Computertomographie bestätigt werden. Unter Vollantikoagulation kommt es zu keiner Auflösung der Thromben. Bei zunehmender Einschränkung der Lebersyntheseparameter wird ein transjugulärer intrahepatischer portosystemischer Shunt (TIPS) gelegt. Im Verlauf kommt es zu einer vollständigen Rekonvaleszenz der Leberparameter. Ursächlich findet sich die Einnahme eines Antikontrazeptivums sowie der Nachweis einer JAK2-Mutation.

Jeder fünfte Patient beim Hausarzt hat erhöhte Leberwerte

Die Bestimmung von Leberwerten gehört zu den häufigsten Laboruntersuchungen in der hausärztlichen Praxis. Die Prävalenz für erhöhte Leberwerte in Deutschland ist unklar. Im Rahmen der Gutenberg-Herz-Studie konnten jedoch für jeden fünften Patienten erhöhte Leberwerte nachgewiesen werden [16]. Die SHIP-Studie [1] ergab sogar eine erhöhte ALT-Aktivität für jeden vierten Patienten. Viele Studien zeigen zudem, dass hohe Leberwerte mit einer erhöhten Mortalität einhergehen [4, 8, 9]. Die häufigsten Ursachen sind Alkoholabusus, Medikamenteneinnahme und die nicht-alkoholische Leberverfettung, gefolgt von Virushepatitiden (Abb. 1). Weiter sind Gallenwegs- und Gefäßerkrankungen, Raumforderungen sowie hereditäre und autoimmune Lebererkrankungen verantwortlich [14, 5, 2, 10]. Weil hinter höheren Leberwerten vital bedrohliche Erkrankungen stecken können, müssen eine frühzeitige Abklärung und zielgerichtete Therapien erfolgen.

Um erhöhte Leberwerte sicher abzuklären, sind die von der American Gastroenterology Association vorgeschlagenen Empfehlungen [5] hilfreich. Initial sollte festgestellt werden, ob ein hepatozelluläres oder ein cholestatisches Enzymmuster vorliegt (Abb. 1). Bei Patienten mit einem hepatozellulären Enzymmuster sind die Transaminasen stärker erhöht als die alkalische Phosphatase, während sich dies bei Patienten mit einem cholestatischen Schädigungsmuster umgekehrt verhält. Das Bilirubin kann bei beiden Mustern erhöht sein.

Da sich hinter einer Leberwerterhöhung unzählige Erkrankungen verbergen können, ist eine ungerichtete Diagnostik wenig zielführend (Abb. 2). Unerlässlich ist eine ausführliche Anamnese mit genauester zeitlicher Eruierung der Medikamentenanamnese. Auch empfiehlt es sich, nach naturheilkundlichen Präparaten und Nahrungsergänzungsmitteln zu fragen. Der Arzt sollte zudem Risikoverhalten wie Alkoholkonsum und Drogenabusus für den aktuellen Zeitraum wie auch für vergangene Jahre erheben. Die Einnahme von Toxinen (Stichwort: Pilze sammeln), Reise- und Sexualanamnese, Bluttransfusionen vor 1992 und eine Familienanamnese ergänzen das Bild. Bezüglich Vorerkrankungen sind vor allem chronisch entzündliche Darmerkrankungen, Zöliakie, Schilddrüsenerkrankungen, frühe Emphysema, Diabetes mellitus, Adipositas und Herzinsuffizienz relevant. Eine hepatotoxische Medikation sollte möglichst beendet und auf Alternativen ausgewichen werden.

Nach einer körperlichen Untersuchung empfehlen wir die Durchführung einer Sonographie. Hierbei sollten Milzgröße, freie Flüssigkeit, Leberstatus (Lebermorphologie, Ausschluss von Raumforderungen, Gefäßstatus), Gallenwegssystem (Ausschluss einer intrahepatischen und extrahepatischen Erweiterung der Gallenwege, Status der Gallenblase) sowie Weite der V. cava und der Lebervenen erfasst werden. Zudem empfehlen wir eine Bestimmung von Anti-HAV-IgM, HBsAg, Anti-HBc, Anti-HCV, Anti-HEV und Anti-HIV 1/2 EIA. Lässt sich so eine Diagnose stellen, ist keine weitere Diagnostik mehr erforderlich. Zur Behandlung sollte eine Überweisung in eine Gastroenterologie/Hepatologie erfolgen. Bei einem Krankheitsbild mit hoher Dynamik ist eine frühe Überweisung an ein Transplantationszentrum zur frühzeitigen Einschätzung und ggf. Listung des Patienten notwendig, da hier teilweise Stunden bis Tage entscheidend sind, ob ein Patient das notwendige Organ erhalten kann oder der Allgemeinzustand für eine Transplantation bereits zu desolat ist. Kann keine Diagnose erstellt werden, sollte eine Überweisung an den gastroenterologischen/hepatologischen Facharzt zur weiteren Diagnostik erfolgen (Tabelle 1) [2].

Fettleber ist häufigste Diagnose bei erhöhten Leberwerten

Häufigste Ursache von Leberwerterhöhungen ist die Fettleber, die infolge von Diabetes mellitus, Adipositas und Alkoholabusus auftritt. Die Prävalenz der Nicht-alkoholischen Fettlebererkrankung (NAFLD) liegt weltweit bei ca. 20 bis 30 %. Im nicht-zirrhotischen Stadium ist die ALT im Vergleich zur AST typischerweise führend. Um eine NAFLD diagnostizieren zu können, ist der sonographische Nachweis einer Fettleber, der Ausschluss eines relevanten Alkoholkonsums sowie weiterer Ursachen der Fettleber nötig. Ein gastroenterologischer/hepatologischer Facharzt sollte daher Differenzialdiagnosen mittels Stufendiagnostik (Tabelle 1)
zusätzlich zu obiger Basisdiagnostik ausschließen. Die NAFLD ist in der Gruppe der über 65-Jährigen mittlerweile die häufigste nicht-maligne Indikation zur Lebertransplantation [7]. Von prognostischer Relevanz ist die Diagnose einer nicht-alkoholischen Steatohepatitis (NASH), die nicht durch eine Erhöhung der Leberwerte, sondern anhand der Histologie gestellt wird [15, 17].

Hinweise auf eine alkoholische Fettleber (ASH) sind neben der Anamnese ein Verhältnis von AST/ALT > 2:1, eine mehr als zweifache Erhöhung der gGT sowie ein erhöhtes Ferritin. Abstinenz ist die wichtigste Therapieoption und gleichzeitig ein Prädiktor für den Krankheitsverlauf [12]. Medikamentöse Leberschäden können bis zum akuten Leberversagen führen. Die Leberschädigung durch Medikamente wird auch als "Drug-Induced Liver Injury" (DILI) bezeichnet. Medikamente können in westlichen Ländern für bis zu 50 % der Fälle des akuten Leberversagens verantwortlich sein [13, 6, 11].

Bei viralen Hepatitiden ist neben der serologischen Labordiagnostik die Anamnese zu Reisen, Sexualverhalten, Drogenabusus und Migrationshintergrund aus Regionen hoher Hepatitisprävalenz wichtig (Virushepatitiden B und C). Nicht nur bei Schwangeren, sondern auch bei Immunsupprimierten sollte man an Hepatitis E denken, deren chronische Verläufe unter Immunsuppression beschrieben sind. Einige Fallstudien zeigen hierbei einen Nutzen von Ribavirin in der Therapie [3].

Höhere Leberwerte in Form erhöhter Transaminasen (ALT, AST) können auch Folge eines Zustands oder einer Krankheit sein, die ursprünglich nicht von der Leber ausgeht. Insbesondere eine Erhöhung der AST kann aufgrund der geringeren Leberspezifität auch extrahepatische Ursachen haben. Beispiele dafür sind:
  • starkes körperliches Training
  • Störungen des Hormonhaushalts:
  • Schilddrüsenunter- und -überfunktion
  • Diabetes mellitus
  • Infektionskrankheiten: Tuberkulose
  • Syphilis
  • Amöben
  • Würmer
  • Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Kreislaufschock,
  • Rechtsherzinsuffizienz
  • HELLP-Syndrom
  • Sprue: bis zu 10 % der Patienten mit unklarer Transaminasenerhöhung leiden an einer Sprue.

Fazit für die Praxis
  • Erhöhte Leberwerte sind auch im niedrigen Bereich von klinischer Relevanz und sollten daher kontrolliert und abgeklärt werden.
  • Durch eine sorgfältige Anamnese kann die Diagnose in bis zu 40 % der Fälle gestellt werden.
  • Die Sonographie ist ein weiterer wesentlicher Bestandteil der Abklärung erhöhter Leberwerte.
  • Für Differenzialdiagnose und Prognoseabschätzung ist das Muster der Leberschädigung (hepatitisch versus cholestatisch) und die absolute Höhe sowie die Kinetik der Leberwerte zu bewerten.
  • Eine Zuweisung an ein Leberzentrum sollte bei neu aufgetretener Cholestase oder bei pathologischen Lebersyntheseparametern überdacht werden.


Literatur
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4. Fulks M, Stout R, Dolan V (2008) Using liver enzymes as screening tests to predict mortality risk Journal of insurance medicine (New York, N.Y.) 3-4:191–203.
5. Green R, Flamm S (2002) AGA technical review on the evaluation of liver chemistry tests Gastroenterology 4:1367–1384.
6. Jüngst C, Gräber S, Klahn D, Wedemeyer H, Lammert F (2016) Häufigkeit und Risikofaktoren medikamentös-toxischer Leberschäden Zeitschrift für Gastroenterologie 02:131–138.
7. Kemmer N, Neff G, Franco E, Osman-Mohammed H, Leone J, Parkinson E, Cece E, Alsina A (2013) Nonalcoholic fatty liver disease epidemic and its implications for liver transplantation Transplantation 10:860–862.
8 Koehler E, Sanna D, Hansen B, van Rooij F, Heeringa J, Hofman A, Tiemeier H, Stricker B, Schouten J, Janssen H (2014) Serum liver enzymes are associated with all-cause mortality in an elderly population Liver international : official journal of the International Association for the Study of the Liver 2:296–304.
9. Kunutsor S, Apekey T, Seddoh D, Walley J (2014) Liver enzymes and risk of all-cause mortality in general populations International Journal of Epidemiology 1:187–201.
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12. Lucey M, Mathurin P, Morgan T (2009) Alcoholic Hepatitis New England Journal of Medicine 26:2758–2769.
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15. Roeb E, Steffen H, Bantel H, Baumann U, Canbay A, Demir M, Drebber U, Geier A, Hampe J, Hellerbrand C, Pathil-Warth A, Schattenberg J, Schramm C, Seitz H, Stefan N, Tacke F, Tannapfel A, Lynen Jansen P, Bojunga J (2015) S2k-Leitlinie nicht alkoholische Fettlebererkrankungen Zeitschrift für Gastroenterologie 07:668–723.
16. Schattenberg J, Peetz D, Wild P, Zeller T, Laubert-Reh D, Schuchmann M, Galle P, Münzel T, Blankenberg S, Lackner K (2011) Prävalenz erhöhter GPT- und gGT-Werte und assoziierte Risikofaktoren – eine Querschnittsanalyse von 5000 Teilnehmern der Gutenberg Herz Studie Zeitschrift für Gastroenterologie 01:
17. Spengler E, Loomba R (2015) Recommendations for Diagnosis, Referral for Liver Biopsy, and Treatment of Nonalcoholic Fatty Liver Disease and Nonalcoholic Steatohepatitis Mayo Clinic proceedings 9:1233–1246



Autorin:

Prof. Dr. med. Martina Müller-Schilling

Klinik und Poliklinik für Innere Medizin I
Universitätsklinikum Regensburg
93053 Regensburg

Interessenkonflikte: Die Autorin hat keine deklariert



Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2016; 38 (18) Seite 55-60