Über den Zugewinnausgleich nach einer Scheidung gibt es in allen Partnerschaften regelmäßig Streit. Bei Freiberuflern wie z.B. Allgemeinärzten geht es dabei auch um die Höhe des Praxiswertes und den jeweiligen Unterhaltsanspruch für den ehemaligen Ehegatten. Weil die bisherige Lösung zu hohen Belastungen führt und nicht immer gerecht ist, gibt der Bundesgerichtshof ein modifiziertes Verfahren vor.

Wird ein Praxisinhaber oder eine Praxisinhaberin geschieden, so ist die Folge, dass der Wert der Arztpraxis – falls diese in der Ehezeit aufgebaut wurde – bewertet werden muss. Im Rahmen des Zugewinnausgleichs wird der so entstandene Vermögenszuwachs halbiert und jedem Partner zugeordnet. Unter den Praxiswert fallen dabei nicht nur die materiellen Werte, sondern auch der sog. ideelle Wert oder "Goodwill" der Praxis abzüglich evtl. vorhandener Schulden. Der volle Ansatz des ideellen Werts und zur gleichen Zeit ein hoher Unterhalt führen jedoch zu Ungerechtigkeiten und auch zu Doppelbelastungen.

Künftige Steuern müssen geschätzt werden

Hierzu hat sich nun der Bundesgerichtshof geäußert. Er will zwar grundsätzlich den Wert des Betriebes in den Zugewinnausgleich einbeziehen, dies jedoch modifizieren. So möchte der Bundesgerichtshof, dass die sogenannten latenten Ertragsteuern, die in der Zukunft entstehen werden, nämlich beim Verkauf der Arztpraxis, abzuziehen sind. Hier tritt das Problem auf, dass natürlich die bisherigen gesetzlichen Bestimmungen bei der Veräußerung der Arztpraxis mit ihren Vergünstigungen sich in der Zukunft verschlechtern können, was heute noch nicht absehbar ist. Es muss also die spätere Ertragsteuerbelastung auf der heutigen Basis geschätzt werden.

Die Rolle des "Unternehmerlohns"

Ein weiterer Bereich ist der Abzug des Unternehmerlohns bei der Ertragswertmethode. Dieser Abzug wurde bisher pauschal berücksichtigt, was dazu führte, dass man den individuellen Verhältnissen der Arztpraxis nicht gerecht wurde. Das heißt, wird die Arztpraxis gut geführt und hat der Inhaber eine hohe Qualifikation, war er bei der bisherigen pauschalen Behandlung des Unternehmerlohns benachteiligt. Er musste vom übrig gebliebenen Wert der Arztpraxis nach Abzug des Unternehmerlohns die Hälfte abgeben. Durch die individuelle Beurteilung und einen höheren Unternehmerlohn, der als Abzug zu berücksichtigen ist, wird der Anteil des ehemaligen Partners geringer.

Schon 1988 stellten Ratzel/Lang (Praxiswert und Ehescheidung, in: Der Frauenarzt Nr. 2/1988, S. 151) fest, dass durch den vollen Ansatz des ideellen Praxiswerts und des Unterhalts eine zu hohe Belastung für die Arztpraxis entsteht. Erfreulich ist, dass der BGH durch das modifizierte Ertragswertverfahren diese Ungerechtigkeit weitgehend beseitigt hat (Bundesgerichtshof, AZ.: XII ZR 40/09).



Autor:

Dr. Hans-Ulrich Lang

Steuerberater
53111 Bonn



Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2016; 38 (15) Seite 78