Vielen Praxisinhabern fällt es schwer, loszulassen und das Lebenswerk an die nächste Generation weiterzugeben. So schiebt man eine der wichtigsten Entscheidungen gern auf die lange Bank: die vorweggenommene Erbfolge! Doch nun empfiehlt es sich, die bisherigen Überlegungen planvoll in die Tat umzusetzen.

Grund ist eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, welches die bestehenden erbschafts- und schenkungssteuerlichen Privilegien bei der Übertragung von Betriebsvermögen in einem Urteil vom 17. Dezember 2014 teilweise für verfassungswidrig erklärte. Nach Meinung der Verfassungsrichter stehen die derzeitigen Regelungen nicht mit dem Gleichheitsgrundsatz nach Artikel 3 des Grundgesetzes im Einklang. Zwar sei eine unterschiedliche Behandlung von Privat- und Betriebsvermögen legitim, um Betriebsschließungen oder den Abbau von Arbeitsplätzen zu verhindern. Die derzeitigen Regelungen seien jedoch in einigen Punkten viel zu pauschal gehalten, als dass sich die daraus resultierenden Steuervorteile für Erben von Betriebsvermögen noch rechtfertigen ließen.

Noch kann Praxisvermögen nahezu steuerfrei verschenkt werden

Nach den derzeitigen Verschonungsregelungen kann betriebliches Vermögen wie eine Arztpraxis bis zu 85 % schenkungssteuerfrei übertragen werden. Der verbleibende Anteil wird noch durch einen Freibetrag von maximal 150 000 Euro begünstigt. Praxisvermögen bis zu 1 Million Euro kann damit schenkungssteuerfrei und ohne Nutzung der persönlichen Freibeträge (400 000 Euro bei Schenkungen eines Elternteiles an ein Kind) übertragen werden. Auch höhere Praxisvermögen konnten schenkungssteuerfrei übertragen werden, wenn für eine Steuerbefreiung von 100 % optiert wurde. Die Begünstigungen werden jedoch an eine Reihe von Auflagen gebunden (z. B. keine Veräußerung innerhalb der nächsten fünf bzw. sieben Jahre). Wer dagegen verstößt, muss nachversteuern.

Neuregelung bis Mitte 2016

Das Bundesverfassungsgericht gibt dem Gesetzgeber bis zum 30. Juni 2016 Zeit, eine Neuregelung zu schaffen, um die Ungleichbehandlung von Betriebs- und Privatvermögenserben für die Zukunft zu beseitigen. Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber einige Auflagen ins Stammbuch geschrieben, die bei der anstehenden Reform zu beachten sein werden. Hierbei geht es insbesondere darum, eine individuellere Regelung gesetzlich zu verankern, die für die Gewährung von Steuererleichterungen zunächst eine Prüfung der Bedürftigkeit voraussetzt und die unterbindet, dass Steuerpflichtige durch entsprechende Gestaltungen Erbschafts- oder Schenkungssteuer sparen können.

Praxisübertragungen nicht auf die lange Bank schieben

Die Bundesregierung betont, dass sie an der Begünstigung kleiner und mittlerer Unternehmen nach wie vor festhält und möglichst zeitnah eine gesetzliche Neuregelung auf den Weg bringen will. Hierbei lässt sich derzeit noch nicht abschätzen, wie der Gesetzgeber die Neuregelung im Detail ausgestalten wird. Anzunehmen ist, dass es wesentlich detailliertere Regelungen wird geben müssen, die den einen oder anderen Arzt bei der Übernahme der elterlichen Praxis benachteiligen können – zumindest was den künftigen bürokratischen Aufwand angehen wird. Insoweit schließt sich nun das Zeitfenster, um von den bestehenden pauschalen Regelungen noch profitieren zu können. Zwar besteht für nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes erfolgte Schenkungen kein absoluter Vertrauensschutz. Bei einer exzessiven Ausnutzung der gleichheitswidrigen Regelungen kann die Verschonung des Betriebsvermögens nachträglich versagt werden. Doch davon dürften Übertragungen von ärztlichen Praxen im Familienverbund kaum betroffen sein.

Quelle: ETL Advision Steuerberatungsgesellschaft


Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2015; 37 (9) Seite 84