Sie haben Erfolgsgeschichte geschrieben: die Disease-Management-Programme (DMP) für Typ-1- und Typ-2-Diabetes. Die Behandlungsprogramme wurden in den letzten Monaten inhaltlich angepasst, um diabetische Folgekomplikationen, u. a. an Nieren, Augen und Füßen, noch früher erkennen bzw. hinauszögern zu können. Lesen Sie hier, was sich bei der letzten Aktualisierung geändert hat und was noch verbessert werden könnte.

Bei der Aktualisierung der DMP ist –neben den Änderungen der Dokumentationsunterlagen mit Ergänzung bzw. Anpassung einiger Items – der Fokus auf sogenannte externe Kontrolluntersuchungen gerichtet, die immer wieder, auch im Rahmen der DMP-Kontrollen, erforderlich werden. Die Kernpunkte für die regelmäßigen Untersuchungen beim Hausarzt oder beim Diabetologen sind allerdings nicht wesentlich verändert worden. Und auch der bürokratische Aufwand ist leider nicht weniger geworden.

Neu ist das Thema Injektionsstellen bei den drei- bzw. sechsmonatigen Kontrolluntersuchungen (vgl. Abb. 1 und 2). Durch eine stetige Rotation der Injektionsstellen lassen sich Schwankungen der Insulinresorption reduzieren und Lipohypertrophien vermeiden. Allein dadurch kann häufig eine bessere Einstellungsqualität der über eine Million insulinspritzenden Menschen mit Diabetes erreicht werden.

Geblieben sind die beinahe schon selbstverständlichen metrischen Basisdaten, die Erhebung der typischen diabetischen Folgeerkrankungen, die HbA1c-Messung als Maß für die Blutzucker-Einstellungsqualität sowie die Erfassung der typischen Ereignisanamnese der letzten Monate. Auch die Medikamentenerhebung hat sich im Wesentlichen nicht verändert, eine diversifizierte Angabe zu den modernen Antidiabetika ist allerdings auch nach dieser Novellierung nicht möglich!

Nephropathie-Check

Die externen Kontrolluntersuchungen beziehen sich hauptsächlich auf die typischen diabetischen Folge- und Begleiterkrankungen. Bei der Suche nach der diabetischen Nephropathie hat sich nun auch im DMP-Dokumentationsbogen die Erkenntnis durchgesetzt, dass die glomeruläre Filtrationsrate (GFR) eine bessere Aussage bezüglich der Nierenfunktion darstellt als das "gute alte" Kreatinin im Serum.

Gleichwohl nutzt auch diese Verbesserung nichts, wenn die entsprechende Konsequenz aus den erhobenen Parametern nicht gezogen wird: Bei einer Verschlechterung der Nierenfunktion – und diese ist häufig durch das Auftreten einer Mikroalbuminurie gekennzeichnet – gehören Menschen mit Diabetes entsprechend überwiesen: zur Optimierung des Blutzucker-Stoffwechsels an eine Diabetesschwerpunktpraxis und bezogen auf die Nierenfunktion an einen Nephrologen.

Die regelmäßigen und immer wieder automatisch und ohne Konsequenzen in Quartalsabständen durchgeführten Albuminbestimmungen im Urin bei guter und stabiler Blutdruck- und Diabeteseinstellung sind hingegen medizinisch sinnlos.

Retinopathie-Check

Auch bei der diabetischen Retinopathie bedarf es einer gewissen Erinnerung ans Wesentliche: Goldstandard ist und bleibt die – zugegebenermaßen etwas unbequeme – Untersuchung der Netzhaut in Mydriasis. Auch wenn uns viele Ophthalmologen mitunter andere Untersuchungsmethoden schmackhaft machen wollen, hat sich daran bisher nichts geändert. Auch hier gilt: Quartalsweise stattfindende Kontrolluntersuchungen auf diabetische Augenhintergrundveränderungen bei stabiler und guter Stoffwechsellage haben medizinisch keinen Sinn.

Neuropathie-Check

Neu aufgetretene Dys- und Parästhesien mit dem Verdacht auf das Vorliegen einer diabetischen Neuropathie müssen immer unser besonderes Augenmerk haben. Der Fokus der betreuenden Ärzte und des nichtärztlichen Assistenzpersonals sollte hier auf diabetischen Fußveränderungen liegen, die im Hintergrund mit nicht mehr vom Patienten wahrgenommenen Läsionen lauern und die weiterer Betreuung durch spezialisierte Zentren (entsprechende Fußpraxen und -kliniken, z. B. zertifizierte ambulante Fußbehandlungseinrichtungen der DDG – ZAFE) und gefäßchirurgische Einrichtungen bedürfen.

Entsprechende Veränderungen müssen mittels einer guten Gefäßdiagnostik, die ja in vielen Fällen mit der entsprechenden therapeutischen Intervention gekoppelt werden kann, versorgt werden.

Auch wenn eine flächendeckende Versorgung mit sog. ZAFE noch nicht gegeben ist, haben die vielen Bemühungen in den schon vorhandenen Fußnetzen zahlreiche Erfolge bezüglich der Quantität und der Qualität bei Amputationen von Extremitäten bzw. von deren Teilen gebracht.

Die Möglichkeit, im Rahmen des veränderten DMP-Datensatzes die Behandlung des Patienten in einer solchen Einrichtung fortsetzen zu können, wird die Aussagekraft der DMP-Daten bezüglich dieser teuren und die Patienten extrem belastenden Folgeerkrankung sicher verbessern.

Das System "DMP" ist ein lernendes System, das auch in Zukunft immer wieder entsprechender Korrekturen und Anpassungen bedarf. Die DMP für Diabetes sind – egal wie die strukturierten Betreuungs- und Behandlungsprogramme in Zukunft heißen werden – ein Erfolgsmodell!



Autor:

Dr. med. Nikolaus Scheper

Diabetologische Schwerpunktpraxis
45770 Marl

Interessenkonflikte: Der Autor hat keine Deklariert



Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2016; 38 (17) Seite 38-39