Die Ketoazidose und das hyperosmolare Koma sind schwerwiegende Akutkomplikationen des Diabetes mellitus. Die diabetische Ketoazidose betrifft vorwiegend Menschen mit Typ-1-Diabetes im vollständigen Insulinmangel, während das hyperosmolare Koma eine Komplikation von Menschen mit Typ-2-Diabetes ist. In beiden Fällen handelt es sich um eine starke Erhöhung des Blutzuckers über 300 mg/dl.

Die genaue Definition der diabetischen Ketoazidose, entsprechend der S3-Leitlinie des Typ-1-Diabetes, ist im gelben Kasten zusammengefasst. Die Prävalenz der diabetischen Ketoazidose wird auf 8 – 9 % geschätzt. Die Hauptursachen liegen in Zuständen, bei denen Insulin fehlt. Dies kann der Fall sein im Rahmen der Erstmanifestation eines Typ-1-Diabetes oder bei der Unterbrechung einer laufenden Insulintherapie bei insulinbehandelten Typ-1-Diabetikern. Gründe für eine fehlerhafte Insulinapplikation können technische Ursachen sein, z. B. bei verstopften Kanülen oder bei Fehlfunktionen einer Insulinpumpe. Oft ist die Ursache für eine diabetische Ketoazidose auch ein sprunghaft erhöhter Insulinbedarf im Rahmen eines schweren Infektes oder im Rahmen schwerer, interkurrenter Erkrankungen wie Herzinfarkt, Schlaganfall oder einer unerkannten Hyperthyreose.

Zu den typischen Symptomen einer hyperglykämischen Entgleisung gehören Verwirrtheit, Sehstörungen, Adynamie und Muskelschwäche sowie Polyurie, Polydipsie, Hypotonie und Tachykardie als Zeichen der Hypovolämie. Im weiteren Verlauf kann es zur Pseudoperitonitis kommen, die durch Übelkeit und Erbrechen gekennzeichnet ist. Klassischerweise versuchen Betroffene mit Ketoazidose die sauren Valenzen des Blutes durch eine vertiefte Respiration auszugleichen. Dies führt zu der sogenannten Kußmaul-Atmung sowie durch die Ketonämie zu Azetongeruch, der fruchtig, faulig, süß riecht. Abb. 1 zeigt die Entstehung des ketoazidotischen Komas, das schlimmstenfalls letal enden kann. Dabei ist zur Einschätzung des Schweregrads nicht die Höhe des Blutzuckerspiegels, sondern das Ausmaß der azidotischen Entgleisung und Exsikkose entscheidend. Von einer leichten Ketoazidose spricht man, wenn der pH-Wert höher als 7,3 ist und das Standard-Bikarbonat unter 15 mmol/l liegt. Eine mittelschwere Ketoazidose hat einen pH-Wert unter 7,2 und einen Standard-Bikarbonat-Wert unter 10 mmol/l, während bei einer schweren Ketoazidose der pH-Wert unter 7,1 liegt und das Standard-Bikarbonat unter 5 mmol/l.

Diagnostik und Differenzierung

Die Diagnose der diabetischen Ketoazidose ist leicht zu stellen. In der Praxis führen ein erhöhter Blutzucker sowie ein zwei- bis dreifach positiver Ketonkörpernachweis im Urin mit entsprechenden Teststreifen zur Diagnose. Wenn die Symptome entsprechend dazu passen, ist eine umgehende notfallmäßige stationäre Einweisung erforderlich. In der Klinik wird die Diagnostik durch eine Blutgasanalyse sowie die Bestimmung der Serum-Elektrolyte, des Serum-Kreatinins, des Blutbildes sowie eines CRPs zum Ausschluss einer schweren Infektion komplettiert.

Merkmale einer diabetischen Ketoazidose
  • Blutglukose > 300 mg/dl (16,7 mmol/l)
  • arterieller pH < 7,35 oder venöser pH < 7,3
  • Standard-Bikarbonat < 15 mmol/l
  • Ketonurie oder Ketonämie
  • Erbrechen und eingeschränktes Bewusstsein
S3-Leitlinie Typ-1-DM DDG Stand 09/2011Insulinmangel

Die Differenzialdiagnose zwischen einem hyperosmolaren Koma und einem ketoazidotischen Koma kann mitunter schwierig sein, zumal die Symptome ähnlich sind. Unterschiede zwischen den beiden Formen liegen darin, dass sich eine Ketoazidose meist schnell innerhalb von 24 Stunden entwickelt, den typischen Pseudoperitonismus aufweist und die azidotische Atmung wegweisend ist.

Das hyperosmolare Koma zeigt hingegen einen schleichenden Beginn. Hauptunterscheidungskriterium ist, dass bei dem hyperosmolaren Koma der pH-Wert regelhaft über 7,3 liegt, während bei der Ketoazidose der pH-Wert weiter absinkt.

Therapie

Die Therapie der diabetischen Ketoazidose zielt im Wesentlichen darauf ab, die Dehydratation zu beseitigen, den Insulinmangel auszugleichen sowie die im Rahmen der Ketoazidose auftretende Elektrolytverschiebung sorgfältig auszugleichen. Selbstverständlich gehört zur Behandlung auch die Therapie der komaauslösenden Primär- oder Begleiterkrankungen. Wichtig ist, dass im Rahmen der Therapie therapiebedingte Komplikationen zu vermeiden sind. Aus diesem Grunde ist die Intensivüberwachung der Patienten unerlässlich mit Kontrolle der Vitalparameter, sorgfältiger Flüssigkeitsbilanzierung durch zentralen Venenkatheter und engmaschige Laborkontrollen.

Die Dehydratation wird durch die Gabe von physiologischer NaCl-Lösung 0,9 % zunächst mit 1.000 ml und danach, abhängig vom zentralen Venendruck, in einer Dosierung von 100 – 500 ml/h durchgeführt. Dabei liegt der Flüssigkeitsbedarf in den ersten acht Stunden bei 5 – 6 l und kann im Rahmen der gesamten Behandlung auf bis zu 10 l oder 15 % des Körpergewichts ansteigen. Die Insulintherapie erfolgt mit Humaninsulin (nicht Insulinanaloga) i. v. über einen Perfusor. Begonnen wird mit 0,1 IE/kg Körpergewicht pro Stunde. Ein initialer Bolus von 10 IE kann verabreicht werden. Intravenös gegebenes Insulin hat eine kurze Halbwertszeit von rund 20 Minuten, die Gabe sollte daher über den Perfusor erfolgen. So ergibt sich eine gute Steuerbarkeit. Oberstes Gebot ist, dass der Blutzucker nicht schneller als 50 – 100 mg/dl pro Stunde sinken darf, da sonst die Gefahr eines Hirnödems besteht. Innerhalb der ersten 24 Stunden sollte der Blutzucker im Bereich von 200 mg/dl gehalten werden. Sinkt dieser versehentlich zu tief, so kann vorübergehend auch Glukose i. v. zugeführt werden.

Vorsicht: Hirnödem!

Ein zu ehrgeiziges Ziel, den Blutzucker rasch zu normalisieren, führt in der Regel zu sofortigen Problemen bis hin zum Hirnödem. Die Ursache liegt darin, dass Insulin den Blutzucker deutlich schneller senkt, als die Ketonkörperspiegel sich reduzieren. Ein vollständiger Azidoseausgleich benötigt mindestens 12 – 24 Stunden, erst danach soll mit einem entsprechenden Kostaufbau und einer Umstellung auf eine subkutane Insulintherapie begonnen werden. Durch das Absinken des Blutzuckerspiegels und die Rehydrierung kommt es zur Verschiebung von Kalium nach intrazellulär. Entsprechend ist mit einer Kaliumzufuhr zu beginnen, dies sollte bereits mit Beginn der Infusionstherapie eingeleitet werden. Bei Kaliumspiegeln unter 3 mmol/l sollten 30 – 40 mmol pro Stunde zugeführt werden. Bei Kaliumspiegeln zwischen 3 und 4 mmol/l reduziert sich die Zufuhr auf 15 – 20 mmol pro Stunde und bei Werten zwischen 4 und 5 mmol/l sollte die Zufuhr auf 10 – 15 mmol pro Stunde gedrosselt werden. Um Herzrhythmusstörungen zu vermeiden, sollte das Kalium hochnormal gehalten werden. Ist bereits vor Beginn der Infusionstherapie der Kaliumspiegel erniedrigt, so sollte zunächst der Kaliummangel ausgeglichen werden, bevor die Insulininfusion gestartet wird.

Warnung vor Natrium-Bikarbonat

Durch die Insulingabe wird die Hemmung der Lipolyse erzielt und damit die Azidose erfolgreich bekämpft. Eine Azidosekorrektur durch Natrium-Bikarbonat ist bei pH-Werten von 7 und höher nicht erforderlich. Nur bei einem vital bedrohlichen pH-Wert von unter 7 kann die Gabe von 8,4 %igem Natrium-Bikarbonat mit 50 mmol über eine Stunde erwogen werden. Hauptgefahr einer Azidosekorrektur durch Pufferlösungen besteht in dem weiteren Kaliumabfall und der Gefahr des Hirnödems.

Therapie bei hyperosmolarem hyperglykämischen Syndrom

Bei diesem Krankheitsbild ist der Blutzucker oft exorbitant erhöht (Blutzuckerwerte über 1.000 mg/dl sind keine Seltenheit). Betroffen hiervon sind Typ-2-Diabetiker mit erhaltener Insulineigenleistung, diese wiederum verhindert die Lipolyse, so dass die Ketogenese entfällt. Was bleibt ist die Hyperosmolarität mit all ihren negativen Konsequenzen (vgl. Abb. 2). Hauptgefahr der Therapie des hyperosmolaren Komas ist das Dysäquilibriumsyndrom. Um dies zu vermeiden, gilt für alle Maßnahmen zum Ausgleich der Hypovolämie und der Hyperglykämie: langsam vorgehen!

Ein Hirnödem zeigt sich durch Kopfschmerzen, Erbrechen, Desorientiertheit, aggressives Verhalten sowie durch das Auftreten von zerebralen Krämpfen. Bei dieser Symptomatik sollte eine kraniale Computertomographie unverzüglich durchgeführt werden. Ein Hirnödem ist eine lebensbedrohliche Komplikation, deren Therapie durch Gabe von Mannitol oder hypermolarer Kochsalzlösung versucht werden kann. Die Behandlung der zerebralen Krämpfe erfolgt durch Gaben von Barbituraten und Hyperventilation. Allerdings liegen hierzu keine gesicherten Daten vor.

Zusammenfassung
Die diabetische Ketoazidose ist eine schwere Komplikation des Typ-1-Diabetes. Sie unterscheidet sich vom hyperosmolaren Koma durch eine Azidose. Die Behandlung der beiden Folgen eines Blutzuckeranstieges sollte differenziert nach "Standard Operating Procedures" geregelt werden und auf einer Intensivstation stattfinden.



Autor:

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Prof. Dr. med. Thomas Haak

Internist, Endokrinologe und Diabetologe
Diabetes Zentrum Mergentheim
97980 Bad Mergentheim

Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert.



Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2016; 38 (5) Seite 54-58