Bereits in den 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts begann man mit dem Einsatz von Dosiergeräten ("Insulinpumpen") zur (mehr oder weniger) kontinuierlichen Gabe von kurzwirksamem Insulin ins Unterhautfettgewebe. Bei unbefriedigenden Ergebnissen der Intensivierten Insulintherapie sollte die Insulinpumpe die Stoffwechseleinstellung verbessern. Somit stellt die kontinuierliche subkutane Insulininfusion (CSII), im Alltagssprachgebrauch als "Pumpenbehandlung" bezeichnet, eine Erweiterung der "intensivierten konventionellen Insulintherapie (ICT)" dar. Welche Indikationen heute für die CSII bestehen, soll in dieser Übersicht dargestellt werden.

Charakteristisches Kennzeichen sowohl der Pumpen- als auch der intensivierten Insulintherapie ist die getrennte Substitution des basalen und des mahlzeitenabhängigen Insulins. Die Therapie wird durch den Patienten selbst anhand der Ergebnisse der Blutzuckerselbstkontrolle vor den Hauptmahlzeiten und vor dem Schlafengehen gesteuert. Die Ergebnisse der präprandialen Messungen und die jeweils geplanten Kohlenhydratmengen dienen zur Berechnung der Mahlzeitendosis des kurzwirksamen Insulins ("Mahlzeitenbolus"). Die routinemäßige präprandiale Selbstkontrolle wird durch gelegentliche postprandiale und nächtliche Blutzuckermessungen ergänzt.

Bei der ICT wird der basale Insulinbedarf durch die einmalige Injektion eines ultralang wirksamen oder die zwei- oder sogar mehrmalige Injektion eines intermediär wirksamen Verzögerungsinsulins abgedeckt. Der Trend zur Verwendung moderner, analoger, ultralang oder intermediär wirksamer Verzögerungsinsuline wird jedoch im Einzelfall durch Unverträglichkeit bestimmter Insulinpräparationen, den Bedarf nach mehr Flexibilität (z. B. bedingt durch sportliche Aktivitäten, Schichtarbeit mit unterschiedlicher körperlicher Belastung o. Ä.) oder ausgeprägte Unterschiede des Insulinbedarfs im Rahmen der circadianen Rhythmik limitiert.

Kritische Zeiten: Dawn und Dusk

Das sogenannte "Dawn-Phänomen" (Dämmerungs-Phänomen) stellt eine Sonderform dieses Umstands dar: Es beschreibt den durch die circadiane Rhythmik bedingten Anstieg des Insulinbedarfs, der durch den Anstieg von Wachstumshormon, Adrenalin, Noradrenalin, Cortisol und Thyroxin in den frühen Morgenstunden zustandekommt. Dieser Blutzuckeranstieg ist oft auch durch die Variation des abendlichen Injektionszeitpunkts des Verzögerungsinsulins nicht unter Kontrolle zu bekommen. Eine Dosiserhöhung des Verzögerungsinsulins ist andererseits wegen des Risikos nächtlicher Blutzuckerabfälle oder gar nächtlicher Hypoglykämien nicht möglich. Eine pathophysiologisch ähnliche Situation kann sich am späten Nachmittag bei nachlassender Wirkung des morgendlich injizierten Verzögerungsinsulins oder bei nachlassender Wirkung des am Vorabend injizierten ultralang wirksamen Verzögerungsinsulins und ansteigendem Insulinbedarf entwickeln und wird als sogenanntes "Dusk-Phänomen" bezeichnet.

An diesem Beispiel wird auch deutlich, dass bei einer ICT durch die Wirkcharakteristik der Verzögerungsinsuline bestimmte Rhythmen für die Insulininjektion vorgegeben sind. Verzögerungsinsuline zeigen zusätzlich eine mehr oder weniger ausgeprägte intraindividuelle Variabilität im Tagesablauf, die möglicherweise durch Variation der Insulinabsorption verursacht ist und ggf. bei starker Ausprägung die Einstellung deutlich erschweren kann. Bei der CSII wird das Verzögerungsinsulin durch nahezu kontinuierliche Gabe kurzwirksamer humaner oder analoger Insuline ersetzt. Diese Präparationen zeigen in geringerem Maß intraindividuelle Variationen als die verschiedenen Verzögerungsinsuline.

Kurzfristigere Anpassungen möglich

Die Substitution des mahlzeitenabhängigen Insulins erfolgt durch die mahlzeitenbezogene Injektion eines Normalinsulins oder (derzeit überwiegend) durch die Injektion eines kurzwirksamen Analoginsulins, mit dem kein Spritz-Ess-Abstand eingehalten werden muss, Korrekturen schneller wirksam sind und das Hypoglykämie-Risiko durch die kurze Wirkdauer verringert werden kann. Die Erarbeitung adäquater Algorithmen zur Steuerung der Pumpentherapie ist Bestandteil der Ersteinstellung.

Wenn im Tagesablauf spontan körperliche Aktivität unternommen wird, kann bei ICT meist nur der für eine Mahlzeit geplante Bolus modifiziert werden. Das ggf. einige Stunden vorher injizierte Verzögerungsinsulin kann jedoch nicht mehr verändert werden. Unter Pumpenbehandlung kann auch die Basisinsulinversorgung (zumindest in gewissen Grenzen) kurzfristig modifiziert werden, um Hypoglykämien zu vermeiden.

ICT/FIT
Eine "Intensivierte konventionelle Insulintherapie (ICT)" oder "Funktionelle Insulintherapie (FIT)" ist gekennzeichnet durch die getrennte Substitution des basalen und des mahlzeitenabhängigen Insulinbedarfs. Der basale Insulinbedarf entsteht durch die Notwendigkeit, beim Insulinmangeldiabetes auch unter Nüchternbedingungen die hepatische Gluconeogenese konsequent zu unterdrücken, um (z.B. über Nacht) ein Ansteigen des Blutzuckers zu verhindern. Diese Substitution des basalen Insulinbedarfs erfolgt meist (je nach verwendetem Insulin) durch die ein- oder zweimal tägliche Injektion eines Verzögerungsinsulins. Der mahlzeitenabhängige Insulinbedarf wird durch die jeweils vor den Mahlzeiten durchgeführte Injektion eines kurzwirksamen Human- oder Analoginsulins entsprechend der jeweils geplanten Menge an Kohlenhydraten abgedeckt. Die präprandiale Insulininjektion wird entsprechend dem jeweils gemessenen Blutzucker modifiziert, d. h. ein erhöhter Blutzucker wird durch zusätzliches Insulin in den Zielbereich korrigiert, ein zu niedriger Blutzucker durch Verminderung der Insulindosis angehoben.

Indikationen

Eine gewissermaßen "klassische" Indikation für den Einsatz einer Insulinpumpe ist das Vorliegen eines "Dawn-Phänomens" (s. o.). Mit der Pumpe kann bestimmten Zeiträumen in den frühen Morgenstunden jeweils eine eigenständige Insulinmenge zugeordnet werden, ohne dass vorher in der Nacht eine bestimmte Insulinwirkung in Kauf genommen werden muss.

Oft ist mit einer Insulinpumpe eine Reduktion der Zahl der Hypoglykämien möglich, da erfahrungsgemäß bei einer Pumpenbehandlung kleinere Insulinmengen als unter ICT benötigt werden. Allerdings sollte in Fällen mit gestörter Wahrnehmung von Hypoglykämien die Pumpeneinstellung auf jeden Fall mit einem Hypoglykämie-Wahrnehmungstraining verbunden werden, damit der Patient die durch die Pumpe eröffneten technischen Möglichkeiten durch Erlernen neuer Sichtweisen besser nutzen kann.

Eine weitere mögliche Indikation für eine Pumpenbehandlung wäre das Vorliegen dysregulativer Blutzucker-Verläufe mit starken Schwankungen, die weder durch zusätzliche Mahlzeiten noch durch zusätzliche Bewegung erklärt werden können. Möglicherweise sind Variabilitäten in der Insulinabsorption dafür verantwortlich.Das in der Pumpe meist verwendete kurzwirksame Analoginsulin zeigt solche Schwankungen in deutlich geringerem Maße, sodass von einer Umstellung auf eine Pumpenbehandlung ein stabilerer Blutzuckerverlauf mit weniger intraindividueller Variabilität erwartet werden kann.

Da in der Schwangerschaft einerseits bestimmte Verzögerungsinsulinanaloga nicht verwendet werden können, andererseits aber die zu erreichenden Blutzucker-Zielwerte besonders streng bewertet werden, ist der Umstieg auf eine Insulinpumpe oft sinnvoll. Dafür spricht auch, dass sich im Lauf der Gravidität der Insulinbedarf ändert und die Insulindosierung jeweils kurzfristig angepasst werden muss. All das lässt sich mit einer Insulinpumpenbehandlung schneller und effektiver als im Rahmen einer ICT erreichen.

Patienten mit sehr geringem Insulinbedarf profitieren ebenfalls oft von einer Insulinpumpe. Denn kleine Insulinmengen gehen oft mit zu kurzer Wirkdauer einher, insbesondere im Hinblick auf die basale Insulinversorgung. Die drei- oder mehrmalige Gabe eines Verzögerungsinsulins könnte hier eine Alternative darstellen, bedeutet aber oft für die Betroffenen eine starke bis nicht mehr hinnehmbare Einschränkung der Lebensqualität.

Kontraindikationen

Eine Insulinpumpe ist ein technisches Gerät, das über einen Mikroprozessor gesteuert wird. Für die Eingabe der erforderlichen Parameter muss beim Nutzer ein Grundverständnis für Aufbau und Nutzung eines Bedienungsmenüs vorhanden sein. Erfahrungsgemäß sollte ein potenzieller Pumpenpatient zumindest ein Mobiltelefon benutzen können, um auch mit einer Insulinpumpe entspannt umgehen zu können. Bei Fehlen eines informationstechnologischen Grundverständnisses entwickelt sich sonst jede Bolusgabe, besonders aber eine temporäre Anpassung oder gar Änderung der Basalrate zu einer stresshormonbeladenen Aktion, die die Stabilität der Einstellung nicht fördert.

Für das Füllen der Ampulle und das Überprüfen und Anschließen des Katheters sind ein Minimalvisus und eine gewisse Fingerfertigkeit unabdingbar.

Patienten mit mangelnder Akzeptanz ihres Diabetes und daraus resultierender Ablehnung von BZ-Selbstkontrollen und Insulininjektionen oder auch nur mit fehlender Dokumentation werden die Vorteile der Pumpenbehandlung nicht nutzen und mit einer Pumpenbehandlung ihre Einstellung nicht verbessern können. Für gute Ergebnisse benötigt die Pumpenbehandlung mindestens so viel Engagement wie eine ICT, andererseits hat die Pumpenbehandlung durch die erleichterte Bolusgabe ein hohes Verführungspotenzial, dem Diabetes nicht die erforderliche Aufmerksamkeit zu schenken. Patienten mit Drogen-, Medikamenten- oder Alkoholabusus oder tiefgreifenden psychologischen oder psychosozialen Problemen werden oft ebenfalls die Vorteile der Pumpentherapie nicht nutzen können.

Strittige Indikationen

Alleinstehende Patienten mit gestörter Hypoglykämie-Wahrnehmung sind eine Gruppe, die an die Behandler besondere Anforderungen stellt: Für die betroffenen Patienten steht (oft) die Angst vor nicht bemerkten und entsprechend nicht behandelten Hypoglykämien im Vordergrund. Dagegen sollte durch den Einsatz der Pumpe die Hypoglykämiehäufigkeit sinken; aus naheliegenden Gründen sollte eine solche Einstellung unbedingt mit einem Hypoglykämie-Training kombiniert werden.

Ein bisher nicht erwähnter Vorteil der Pumpenbehandlung ist die Möglichkeit, die Bolusabgabe an Besonderheiten der Nahrungsaufnahme anzupassen. Weisen Patienten mit einer entsprechend langen Diabetesdauer regelmäßig keine postprandialen Blutzuckeranstiege auf und bieten damit Hinweise für eine verzögerte Magenentleerung, kann es sinnvoll sein, die Mahlzeitenboli nicht wie üblich in voller Menge vor den Mahlzeiten zu geben, sondern nur 50 bis 30 % sofort und den Rest über 60 bis zu 90 min zu verzögern. Damit lassen sich oft postprandiale Hypoglykämien vermeiden. Unter diesem speziellen Aspekt kann die Pumpenbehandlung auch den oft schwer einstellbaren Patienten mit autonomer Neuropathie eine Verbesserung der Einstellung ermöglichen.

CSII
Die "Insulinpumpentherapie" wird wissenschaftlich auch als "Kontinuierliche subkutane Insulininfusion (CSII)" bezeichnet. Bei dieser Therapieform wird kein Verzögerungsinsulin zur Abdeckung des basalen Insulinbedarfs verwendet, sondern ein Dosiergerät ("Pumpe") führt über einen Katheter kurzwirksames Human- oder Analoginsulin in einer vorher eingestellten Menge pro Stunde ("Basalrate") in mehreren Einzelgaben subkutan zu. Dadurch kann die basale Insulinsubstitution besser an den tatsächlichen basalen Bedarf angepasst werden. Die Berechnung der mahlzeitenabhängigen Insulingaben erfolgt nach den gleichen Kriterien wie bei der ICT, die Abgabe jedoch durch manuelle Eingabe am Dosiergerät.

Eine Variante der "Pumpenbehandlung" ist die intraperitoneale Insulininfusion ("Kontinuierliche intraperitoneale Insulininfusion"=CIPII), die sich jedoch trotz ihres faszinierenden Zugangswegs wegen der invasiven und aufwendigen Art der Katheterapplikation nicht breit durchsetzen konnte. Sie soll deshalb in diesem Artikel nicht weiter beleuchtet werden.

Nachteile und Limitationen

Bei der Versorgung mit einer Insulinpumpe wird durch den eingestochenen Katheter eine dauerhafte Verbindung zwischen dem Insulinreservoir und dem subkutanen Fettgewebe hergestellt. Die Einstichstelle des Katheters und die umgebende Haut sind dabei eine Schnittstelle mit multiplen Komplikationsmöglichkeiten: Kleine lokale Infektionen bis hin zu größeren subkutanen Abszessen, allergische Reaktionen direkt an der Einstichstelle durch die Stahlnadel oder die Kunststoff-Verweilkanüle oder durch den Klebstoff am Fixierpflaster perifokal sind möglich. Katheterverschlüsse oder -leckagen stellen typische Komplikationen der Pumpentherapie dar und führen ebenso wie das unbemerkte Herausrutschen der Nadel aus der Haut oft zu Stoffwechselentgleisungen, die bei inadäquater Behandlung durch den Betroffenen selbst auch in eine Ketoazidose übergehen können.

Von psychologischer Seite sollte nicht vernachlässigt werden, dass die Verwendung einer Insulinpumpe eine neue Auseinandersetzung mit der Stoffwechselerkrankung bedeutet: Der Betroffene hat dauernd ein Hilfsmittel am Körper, das nach der subjektiven Einschätzung im Sinne einer "Prothese" seinen Träger an die Erkrankung erinnert und bei aufmerksamen Mitmenschen auch Fragen provozieren kann. Auch eine Paarbeziehung kann durch die Verwendung einer Pumpe belastet werden, wenn sich der oder die Betroffene und sein/ihr stoffwechselgesunder Partner nicht schon vor Beginn der Behandlung mit dem Hilfsmittel auseinandersetzen und um die Besonderheiten dieser Behandlungsform wissen.

Um die Besonderheiten der Handhabung der Insulinpumpe zu erlernen, müssen die Patienten ambulant oder stationär an einer speziellen Schulung für diese Therapieform teilnehmen. Ziel ist es, nicht nur theoretisches Wissen, sondern auch praktische Fähigkeiten zu vermitteln, die auch eingeübt werden sollten. Schulungsinhalte sind u. a.:

  • Indikation zum Einsatz einer temporären Basalrate
  • Indikation zur Bolusmodifikation
  • Nutzung des Boluskalkulators: theoretische Grundlagen, praktische Durchführung, Beurteilung der Ergebnisse und entsprechende Modifikation des Vorgehens.

Für Erwachsene hat sich gezeigt, dass in der Regel eine mindestens einjährige Erfahrung mit einer ICT vorhanden sein muss, um eine Pumpentherapie ohne zu viel Stress durchführen zu können. Auch auf der "Anbieterseite" muss sichergestellt sein, dass eine ausreichende Erfahrung mit der Einleitung einer Pumpentherapie vorhanden ist und genügend Patienten mit einer Pumpe behandelt wurden.


Literatur:
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Autor:

Dr. med. Bernhard Lippmann-Grob, Bad Mergentheim

Diabeteszentrum Mergentheim
97980 Bad Mergentheim

Interessenkonflikte: In den letzten zwölf Monaten Mitarbeit in zwei Advisory Boards und honorierte Vortragstätigkeit für Abbott GmbH & Co KG; Mitarbeit in einem Advisory Board der Firma Animas Corporation; Vortragshonorare von Berlin-Chemie AG


Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2015; 37 (7) Seite 58-64