Eine ambulante oder stationäre Versorgung ohne Delegation ist nicht möglich. Große Unsicherheit besteht allerdings in den Möglichkeiten und Grenzen delegierbarer Leistungen. Gleichwohl die Bundesärztekammer hierzu einige Dokumente bereitgestellt hat, bleibt es dem anweisenden Arzt/Ärztin im Zweifel selbst überlassen, eine entsprechende Entscheidung zu treffen. Der vorliegende Artikel soll Mut machen, Routinetätigkeiten zu delegieren, um eine weitere Arztentlastung zu schaffen.

Bereits 2007 forderte der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen in seinem Gutachten, die Kompetenzen der nicht-ärztlichen Berufsgruppen im Interesse der besseren Patientenversorgung und Arbeitsteilung verstärkt zu nutzen [1]. Hieraus entwickelten sich u. a. arztentlastende, delegationsfähige Maßnahmen, die zum Ziel haben, Medizinische Fachangestellte (MFA) so zu qualifizieren, dass Routinehausbesuche nicht mehr zwingend durch einen Arzt durchgeführt werden müssen. Der Problematik der übervollen Wartezimmer, der regelmäßigen Überschreitung von acht Arbeitsstunden pro Tag oder gar einer Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird damit jedoch nicht begegnet. Die Vorgabe der Politik ist es, die Leistungserbringung kostengünstiger und arbeitsökonomischer zu gestalten bei gleichzeitiger guter Versorgung. Scheinbar erst einmal ein Widerspruch in sich, da es gerade an Ärzten in der ambulanten medizinischen Versorgung mangelt.

Abgrenzungsebenen

Um zu wissen, was delegierbar ist und wo möglicherweise Grenzen gesetzt sind, müssen die unterschiedlichen Ebenen betrachtet werden:

  1. Die gesetzliche Ebene: Welche Vorgaben macht der Gesetzgeber an die Delegierbarkeit von Leistungen? Grundsätzlich sind ärztliche Leistungen persönlich zu erbringen, auf der Grundlage des Behandlungsvertrages, den Patienten mit ihrem Arzt eingehen. Dabei wird eine Delegation aber grundsätzlich nicht ausgeschlossen. Als Beispiel sei hier genannt, dass ein jeder Krankenhauspatient sich durchaus im Klaren darüber ist, dass eine stationäre Versorgung nicht vom Arzt selbst ausgeführt wird. Dieser setzt entsprechend geschultes Fachpersonal ein. Die Bundesärztekammer definiert über die Musterberufsordnung ebenfalls Anforderungen an die Leistungserbringung.
  2. Die vertragliche Ebene: Was ist überhaupt (möglichst schriftlich) vereinbart? Damit nicht jeder Leistungserbringer mit jeder Krankenkasse über jeden behandelten Patienten selbst sein Entgelt verhandeln muss, tritt an dessen Stelle die Kassenärztliche Bundesvereinigung einerseits und der Spitzenverband der Krankenkassen andererseits. Hier werden neben dem eigentlichen Entgelt auch weitere vertragliche Absprachen getroffen, z. B., welche Leistungen von nichtärztlichem Fachpersonal ebenfalls honoriert werden können und welche Voraussetzungen das nichtärztliche Fachpersonal hierzu erfüllen muss.
  3. Persönliche Ebene: Welche Kompetenzen muss derjenige mitbringen, an den delegiert werden soll? Hierauf gehen wir in einem späteren Absatz nochmal genauer ein.

Die haftungsrechtliche Sicht

Entscheidendes Kriterium ist, ob der Facharztstandard, also der Standard guter ärztlicher Versorgung, durch den Erfüllungsgehilfen gewahrt ist. Er ist dann gewahrt, wenn
  1. in der Person des Gehilfen eine persönliche Delegationsfähigkeit besteht,
  2. die Behandlungstätigkeit sachlich delegationsfähig ist und
  3. die delegierte Tätigkeit hinreichend überwacht wird.

Dies bedeutet auch: Ist der Erfüllungsgehilfe entsprechend qualifiziert, darf eine regelmäßige Überprüfung als ausreichend erachtet werden. Aufgaben können letztlich nur delegiert werden, wenn demjenigen, der sie ausführt, persönliche Kenntnisse und Sachkenntnisse vorliegen. Darüber hinaus ist es hilfreich, die delegierten Aufgaben gut zu dokumentieren. Grundsätzlich gilt sowohl für den Arzt als auch für den nichtärztlichen Mitarbeiter die Pflicht zur Sorgfalt.

Vertragliche Grundlagen

Grundlage für das Erbringen delegationsfähiger Leistungen ist momentan die Delegations-Vereinbarung gem. § 87 Abs. 2b Satz 5 SGB V. Sie trat 2009 in Kraft und wurde 2013 aktualisiert.

Gemäß § 15 BMV-Ä (Persönliche Leistungserbringung) ist jeder an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Arzt verpflichtet, die vertragsärztliche Tätigkeit persönlich auszuüben. Persönliche Leistungen sind auch ärztliche Leistungen durch genehmigte Assistenten und angestellte Ärzte (gemäß § 32b Ärzte-ZV), soweit sie dem Praxisinhaber als Eigenleistung zugerechnet werden können. Dem Praxisinhaber werden ebenfalls die selbstständigen Leistungen eines angestellten Arztes zugerechnet, auch wenn sie in der Praxis in Abwesenheit des Vertragsarztes erbracht werden. Als persönliche Leistungen anzusehen sind ebenfalls "… Hilfeleistungen nichtärztlicher Mitarbeiter, die der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Arzt, der genehmigte Assistent oder ein angestellter Arzt anordnet und fachlich überwacht, wenn der nichtärztliche Mitarbeiter zur Erbringung der jeweiligen Hilfeleistung qualifiziert ist …" [2–7].

Wer ist qualifiziert?

Die Problematik der Qualifizierung wird unterschiedlich gesehen. Eine Qualifizierung darf zumindest dann angenommen werden, wenn der nichtärztliche Mitarbeiter eine abgeschlossene Ausbildung in einem Gesundheitsfachberuf (z. B. MFA) vorweisen kann. Dies sollte zumindest im Bereich der patientennahen Tätigkeiten nicht unterschritten werden. Hier muss die Patientensicherheit Vorrang vor monetären Erwägungen haben. Ob im Verwaltungsbereich eine andere Qualifizierung als ausreichend erachtet werden kann, mag den Beteiligten selbst überlassen werden. Problematisch kann es allerdings werden, wenn eine telefonische "Einteilung" vorgenommen werden muss, die über ein sofortiges oder baldiges Eingreifen eines Arztes entscheidet. Hier muss der Mitarbeiter nicht nur die persönlichen Voraussetzungen und das soziale Umfeld des Patienten kennen, er benötigt auch intensivere Kenntnisse über Anatomie, Physiologie und Pathophysiologie, so wie sie in der Verordnung zur Berufsausbildung zur/zum Medizinischen Fachangestellten staatlich festgelegt sind.

Welche Leistungen dürfen delegiert werden?

Grundsätzlich nicht delegationsfähig sind Verrichtungen, die wegen ihrer Schwierigkeiten, ihrer Gefährlichkeit oder wegen der Unvorhersehbarkeit etwaiger Reaktionen ärztliches Fachwissen voraussetzen und deshalb vom Arzt persönlich durchzuführen sind. Hierzu zählen insbesondere alle operativen Eingriffe, schwierige Injektionen, Infusionen und Blutentnahmen, aber auch die Anamnese, Untersuchungen, Diagnostik, Therapieentscheidung und die ärztliche Aufklärung und Beratung des Patienten.

Zu den generell delegationsfähigen ärztlichen Leistungen gehören insbesondere Laborleistungen, Dauerkatheterwechsel und der Wechsel einfacher Verbände sowie radiologische Leistungen.

Schließlich wird differenziert in eine Gruppe der im Einzelfall delegationsfähigen Leistungen, zur Ausführung an besondere nichtärztliche Mitarbeiter, wie z. B. Injektionen, Infusionen und Blutentnahmen. Hier darf der Arzt im Einzelfall qualifizierte nichtärztliche Mitarbeiter mit solchen Tätigkeiten betrauen, sofern es je nach Art und Schwere des Krankheitsbildes oder des Eingriffs nicht erforderlich ist, dass er persönlich tätig wird, und sofern der Mitarbeiter entsprechend qualifiziert, zuverlässig und erfahren ist. Hierzu könnten in Zukunft z. B. die Auskultation und Palpation gehören. Voraussetzung ist eine gute Unterweisung durch den Arzt.

Möglichkeiten – Visionen oder baldige Realität?

Die Grenzen zur Delegation sind noch nicht erreicht. Betrachtet man allein die Routinetätigkeiten eines Arztes, so sind hier noch Möglichkeiten vorhanden. Am Beispiel der Auskultation soll dies verdeutlicht werden.

Üblicherweise erlernt ein Arzt in Ausbildung die Auskultation, indem er sie durchführt, ein erfahrener Kollege das "Gehörte" überprüft und so letztlich vereinfacht gesagt ein "learning by doing" entsteht. Unbestritten ist, dass ein Arzt sodann eine Verknüpfung zu bereits Gelerntem herstellt (welche Diagnose/Differentialdiagnose kommt in Betracht). Hier stellt sich ein gewisser Automatismus ein, der letztlich Grundlage jeden ärztlichen Handelns ist. Eine MFA hat dieses Wissen nicht, ihre Tätigkeit endet am Punkt der Verknüpfung. Sie führt die reine technische Durchführung aus. Sofern sich eine Auffälligkeit ergibt, muss der Behandler das Ergebnis in jedem Fall selbst überprüfen, um eine entsprechende Diagnose zu stellen und eine Therapie einzuleiten. Unter der Annahme, dass pro Tag bis zu 20–30 Auskultationen vorzunehmen sind, und der Annahme, dass hiervon zwei durch den Behandler überprüft werden müssten, wäre dennoch eine Entlastung spürbar (die Zahlen sind rein fiktiv).

Für die aufsuchenden MFA in der Häuslichkeit (VERAH, NÄPA etc.) ist indes eine solche Möglichkeit unverzichtbar. Gerade in den Situationen der Routinehausbesuche steht die MFA häufiger vor der Situation, einmal zum Stethoskop greifen zu müssen. Sei es, dass der Patient darum bittet, sei es, dass der Patient in der Anamnese bereits eine entsprechende Diagnose durch den Behandler erhalten hat. Auffälligkeiten sind dann im Hausbesuchsprotokoll zu dokumentieren. Nachdem das Protokoll mit dem Behandler besprochen wurde, muss dieser entsprechende Auffälligkeiten überprüfen bzw. Vorgehensweisen veranlassen.

In der Diskussion um die jetzige und zukünftige ambulante Versorgung von Patienten sind alle am Prozess Beteiligten aufgefordert, neue/andere Wege zu gehen. Um weitere Delegationsmöglichkeiten zu nutzen, müssen Unsicherheiten ausgeräumt und Teammitglieder auf ihre bestehenden formalen und persönlichen Qualifikationen überprüft werden. Gleichzeitig muss jeder Arzt die entsprechenden praktischen Anleitungen selbst durchführen. Potenzial ist mit über 300.000 ausgebildeten MFA vorhanden, nun sollte es genutzt werden, um weitere Entlastung zu schaffen. Es geht nicht darum, ärztliche Leistungen zu ersetzen, sondern es geht um Entlastung und das vertrauensvolle Miteinander. Leistungen sind grundsätzlich delegierbar, wenn man das Risiko für die Patienten abwägt und der "Facharztstandard" eingehalten wird.

Angemessene Honorierung und erbringbare Voraussetzungen schaffen

Zu der Qualifizierung der MFA für delegierbare Tätigkeiten gehört auch die entsprechende Honorierung. Hier sind alle Mitwirkenden aufgefordert, Vereinbarungen zu treffen, durch welche die erbrachten Leistungen von nicht-ärztlichem Personal nicht budgetiert werden und nicht unter kaum erbringbare Voraussetzungen gestellt werden. Eine gute ambulante Versorgung mit qualifiziertem Fachpersonal ist nur umzusetzen, wenn die Beteiligten davon ihren Lebensunterhalt bestreiten können. Angesichts des bereits bestehenden Fachkräftebedarfs müssen Arbeitgeber in der Lage sein, qualifizierte Mitarbeiter über das Mindestmaß eines Tarifvertrages zu entlohnen. Andernfalls wird der beobachtbaren Abwanderung der ausgebildeten MFA in andere, besser entlohnte, berufsfremde Tätigkeiten kaum Einhalt geboten werden.


Literatur
1. Kooperation und Verantwortung - Voraussetzungen einer zielorientierten Gesundheitsversorgung, Die Entwicklung der Zusammenarbeit der Gesundheitsberufe als Beitrag zu einer effizienten und effektiven Gesundheitsversorgung; http://www.svr-gesundheit.de/index.php?id=80, download 18.02.2018
3. Haftung bei Verzicht auf persönliche Leistungserbringung, Wolfgang Frahm, Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Schleswig im Rahmen des 10. Deutschen Medizinrechtstages,
5. Aktuelle Entwicklungen in der Rechtsprechung zum Arzthaftungsrecht, Dr. Gerda Müller, Vizepräsidentin des BGH a.D. im Rahmen des 10. Deutschen Medizinrechtstages, http://medizinrechtsanwaelte.de/fachtagung/deutscher-medizinrechtstag-2009/ download 18.02.2018
6. Delegation und Substitution ärztlicher Leistungen auf/durch nichtärztliches Personal, Karl Otto Bergmann in MedR 2009, 1 ff DOI: 10.1007/s00350-008-2324-3
7. Delegation ärztlicher Verantwortung auf nicht-ärztliches Personal, Wienke, A., ZEFQ 2008, 550 ff, Sozialgesetzbücher I–XII


Autorin:

Ingrid Gerlach

Diplom Wirtschaftsjuristin (FH)
Vorsitzende des Bildungswerks für Gesundheitsberufe e. V.
34123 Kassel

Interessenkonflikte: Die Autorin hat keine deklariert



Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2019; 41 (4) Seite 58-62