Nach den Diguanidinen eroberten im letzten Jahrhundert zunächst die Sulfonylharnstoffe und die Biguanide den Markt. Metformin ist heute noch aktuell, während die Sulfonylharnstoffe zunehmend von modernen Substanzen wie DPP4-Hemmern verdrängt werden. Welche Vorteile die neueren oralen Antidiabetika haben, warum Metformin noch immer wertvoll ist und welche Kombinationen sinnvoll sind, soll im folgenden Beitrag vermittelt werden.

Die Geschichte der oralen Antidiabetika (o. A.) ist fast so lang wie die des Insulins: In den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts kamen die Diguanidine Synthalin A und Synthalin B auf den Markt, die sich – trotz erheblicher gastrointestinaler Nebenwirkungen und (fraglicher) Leberschädigungen – bis nach dem Zweiten Weltkrieg hielten. Dann begann in den fünfziger Jahren die Ära der Sulfonylharnstoffe (SuH) Carbutamid und Tolbutamid und wenig später die der Biguanide, von denen sich allein Metformin bis heute halten konnte, während Phenformin und Buformin wegen gehäuft auftretender Laktazidosen in den siebziger Jahren aus dem Handel genommen wurden. Inzwischen dominierten bei den SuH Glibenclamid und Glimepirid sowie die seltener verwendeten Gliquidon, Chlorpropamid, Glipizid und Gliclazid.

Augenblicklich kann man insulinotrope (SuH, Glinide, DPP4-Hemmer) und nicht insulinotrope (SGLT2-Rezeptoren-Hemmer, Acarbose, Pioglitazon) o. A. unterscheiden. Was ist dabei für die Praxis anzumerken? Bei den insulinotropen Substanzen wurden inzwischen zu Recht die SuH und die Glinide von den DPP4-Hemmern (Gliptine) Sitagliptin und Saxagliptin überholt. Letztere senken – im Gegensatz zu SuH und Gliniden – den Blutzucker nur dann, wenn eine Hyperglykämie besteht, und führen daher nicht zu den gefürchteten gefährlichen Unterzuckerungen. Auch angesichts weiterer SuH-Nebenwirkungen (Sturzgefahr, Gewichtszunahme, mögliche kardiovaskuläre Schäden) sollte man bei Verwendung von insulinotropen Substanzen mit den Gliptinen beginnen. Das Fehlen von Hypoglykämien ist auch bei den verbleibenden o. A. anzumerken, was vor allem auch für Metformin gilt. Diese Substanz sollte – nach initialen Versuchen mit alleiniger Ernährungs- und Bewegungstherapie – verabreicht und gegebenenfalls mit Gliptinen kombiniert werden.

Was ist bei Metformin zu beachten?

Wegen sonst manchmal auftretender gastrointestinaler Nebenwirkungen gilt die Regel: "start low, go slow", d. h. man sollte in den ersten zwei Wochen mit 500 mg Metformin pro die beginnen und die Dosis langsam bis zu zweimal 1.000 mg steigern. Ferner ist zu beachten, dass Metformin stets mit dem "letzten Bissen" einer Mahlzeit, also keinesfalls nüchtern, eingenommen werden soll. So lassen sich die gastrointestinalen Nebenwirkungen (Magendrücken, Blähungen, Durchfall) am ehesten vermeiden. Ferner gilt, dass die Metformindosis zur Vermeidung der – extrem seltenen – Laktazidosen bei einer GFR zwischen 60 und 45 halbiert werden sollte. Bei weiterer Dosisreduzierung kann heute Metformin sogar bis zu einer GFR von 30 verordnet werden. Vor Röntgen-Kontrastmitteluntersuchungen ist Metformin für wenige Tage abzusetzen (wegen der von Metformin unabhängigen seltenen Kontrastmittel-Nephropathie), ebenso bei anoxischen Zuständen aller Art und z. B. bei massiven gastrointestinalen Infekten. Im Übrigen ist Metformin der ideale Kombinationspartner für alle anderen o. A., zumal es auch Lipid-(Triglyzerid-) senkend, Inkretin-stimulierend (günstig für die inkretinbasierte Gliptin-Wirkung), appetitmindernd, gewichtsreduzierend und womöglich antikarzinogen wirksam ist.

Weitere Kombi-Partner

Außer Gliptinen kommt als Kombinationspartner in der Regel ein SGLT-2-Rezeptoren-Hemmer vom Typ der Gliflozine in Betracht, da Acarbose relativ teuer und oft mit gastrointestinalen Nebenwirkungen behaftet ist (auch hier gilt die Regel "start low, go slow") und Pioglitazon in Deutschland – leider – von den Krankenkassen nicht mehr ersetzt wird. Neben Dapagliflozin ist vor allem Empagliflozin zu empfehlen, da es in der EMPA-REG Outcome®-Studie sensationell günstige Zusatzeffekte auf die kardiovaskuläre und Gesamtmortalität sowie auf die Hospitalisierungsrate wegen Herzinsuffizienz zeigte. Auch die Mikroangiopathie wird in der gleichen Größenordnung günstig beeinflusst.

Diese positiven Effekte überwiegen die Nebenwirkungen, die sich z. B. bei 8 % der Frauen in Form von – Glucosurie-bedingt – Genitalmykosen äußern. Auch kommt es gelegentlich zu in ihrer Genese unklaren Ketoazidosen (auch euglykämisch!), die zum sofortigen Absetzen des Präparates Veranlassung geben. Als weitere Vorteile der Gliflozine seien noch die Natriurese (Blutdrucksenkung!) sowie eine Gewichtsabnahme zu Lasten des schädlichen viszeralen Fettgewebes anzumerken.

Natürlich bietet sich nun auch eine hochinteressante, ohne Hypoglykämien einhergehende "Triple Therapy" mit Metformin, Gliptinen und Gliflozinen (bevorzugt Sitagliptin und Empagliflozin) an, die nur einen Nachteil hat: der hohe Preis. Zu erwähnen ist noch die BOT (basal-unterstützte Therapie), bei der unter Beibehaltung der nicht mehr ausreichend wirksamen o. A. ein Basalinsulin (bevorzugt Glargin U 300) über längere Zeit gegeben werden kann, bis bei Langzeit-Typ-2-Diabetikern mit zunehmend progredient eingeschränkter Insulin-Eigensekretion eine alleinige Insulintherapie indiziert ist.



Autor:

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Prof. Dr. med. Hellmut Mehnert

Forschergruppe Diabetes e.V.
82152 Krailling

Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert.



Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2017; 39 (7) Seite 48-49