Chronische Schmerzen entstehen oft auf dem Boden einer Entzündung. Der Entzündungsschmerz ist eine wesentliche Variante des nozizeptiven Schmerzes und muss vom neuropathischen Schmerz abgegrenzt werden. Aufgrund der Pathophysiologie sind NSAR, die den zentralen Entzündungsmediator Prostaglandin E2 (PGE-2) blockieren, die Substanzen der ersten Wahl. Zu unterscheiden dabei sind die traditionellen NSAR (tNSAR) und die COX-2-Hemmer (Coxibe).

Wenn eine beliebige Noxe (z. B. Bakterien, Viren, Autoantigene, mechanische oder physikalische Noxen) auf ein beliebiges Gewebe einwirkt, dann werden in den veränderten Zellen dieses Gewebes lokale Mediatoren wie z. B. Bradykinin freigesetzt und lokale gewebsständige Immunozyten aktiviert, weil sie eine Veränderung des Gewebes erkennen. Diese aktivierten Immunozyten sezernieren nun Zytokine wie Interleukin 1β, Interleukin 6 und TNFα, die in den umliegenden Zellen das Enzym Cyclooxygenase 2 (Cox-2) "anschalten". Dieses Enzym wird in nahezu allen kernhaltigen Zellen des Organismus exprimiert, ist im Normalfall aber inaktiv und wird erst durch die Einwirkung solcher proinflammatorischer Zytokine aktiviert. Das Produkt der Cox-2 ist Prostaglandin E2 (PGE 2).

PGE-2 als zentraler Faktor

Dieser gewebsständige Entzündungsmediator ist für nahezu alle klinischen Zeichen einer Entzündung verantwortlich. PGE-2 dilatiert die lokalen Blutgefäße und sorgt damit für die typische Hyperämie (Rubor und Calor). Es macht die Kapillargefäße permeabel, sodass Blutplasma in die Umgebung abströmt, das entzündete Gewebe ödematisiert (Tumor) oder in anatomischen Hohlräumen (z. B. Pleuraspalt, Gelenk) einen Erguss bildet.

Gelangt PGE 2 über die Zirkulation zur Leber, induziert es in den Hepatozyten die Synthese von C-reaktivem Protein (CRP), einem potenten Aktivator von Makrophagen, dessen Konzentration im Blut gut und zeitnah mit der Stärke der Entzündung korreliert und deswegen ein sehr wertvoller Laborparameter ist. PGE 2 ist darüber hinaus beteiligt an der Regulation des Temperaturzentrums im Hypothalamus und somit an der Fieberentstehung.

Von der Entzündung zum Schmerz

Von entscheidender klinischer Bedeutung ist die Fähigkeit von PGE 2, die gewebsständigen Nozizeptoren zu aktivieren. Diese Nozizeptoren sind sensible Nervenendigungen und tragen eine Vielzahl von Rezeptoren, mit denen sie stimuliert werden können, darunter eben auch solche für PGE 2 und Bradykinin, sodass sie auf jedwede Gewebsschädigung und insbesondere entzündliche Entwicklung ansprechen. Sie leiten dann entlang der anatomischen Bahnen ein neuronales Signal in das Hinterhorn des Rückenmarks, wo es auf ein zweites, zentrales Neuron verschaltet wird und letztlich zur Schmerzwahrnehmung im Cortex führt. Hier wird dann die Stärke, die Qualität und die Lokalisation des Schmerzes wahrgenommen und zusätzlich mit dem limbischen System verschaltet, sodass eine affektive "Aufladung" erfolgt.

Dies ist der Entstehungsweg des entzündlichen Schmerzes, der eine wesentliche Variante des sogenannten "nozizeptiven" Schmerzes darstellt. Man kann sicher annehmen, dass bei chronisch entzündlichen Erkrankungen (also z. B. rheumatischen Erkrankungen) der Schmerz in der Anfangsphase immer und in fortgeschrittenen Fällen zumindest häufig ein ganz überwiegend nozizeptiver Schmerz ist.

Therapie des entzündlichen Schmerzes

Für die Entstehung des nozizeptiven und speziell des entzündlichen Schmerzes spielt also PGE 2 eine zentrale Rolle. Es ist daher naheliegend und empirisch umfassend belegt, dass die Blockade von PGE 2 die Therapie der ersten Wahl beim entzündlichen Schmerz darstellt. Pharmakologisch geschieht dies durch die Inhibition der Cox-2 mit sogenannten Prostaglandinsynthese-Inhibitoren, auch "NSAR" genannt. Dieses Akronym steht für "nicht-steroidale Antirheumatika", eine wenig präzise und im Grunde irreführende Bezeichnung, die aber weithin eingebürgert und üblich ist. Im englischsprachigen Raum bewegt sich der Begriff "NSAIDs" (non steroidal anti inflammatory drugs) näher an der Pathophysiologie. Umgangssprachlich werden sie auch "pain killers" genannt.

Differenzialtherapie mit NSAR (tNSAR/Coxibe)

Die Gruppe der NSAR umfasst eine Vielzahl von Medikamenten, wobei die in Deutschland gebräuchlichsten die Acetylsalicylsäure (ASS), das Naproxen, das Ibuprofen und das Diclofenac sowie die modernere Gruppe der Coxibe (Etoricoxib, Celecoxib) sind. Die älteren Vertreter dieser Gruppe inhibieren nicht nur die COX-2, sondern auch das Schwesterenzym Cyclooxygenase 1 (COX-1), das eine andere Form von Prostaglandinen produziert, die zum Beispiel für die Aggregationsfähigkeit der Thrombozyten oder die Integrität der intestinalen Schleimhäute verantwortlich sind (Abb. 1). Hieraus erklären sich die wesentlichen Nebenwirkungen dieser sogenannten "traditionellen NSAR" (tNSAR), nämlich die Ausbildung von Ulzera in der Magen- und Darmschleimhaut sowie die Blutungsneigung durch Thrombozyten-Aggregationshemmung. ASS und in geringem Maße auch Naproxen haben eine überwiegende Affinität zu COX-1, sodass schon geringe Dosierungen (z. B. ASS 100 mg) eine effiziente Thrombozyten-Aggregationshemmung auslösen. Eine Hemmung der COX-2 und damit der Entzündungsphänomene kann jedoch erst durch hohe Dosierungen (z. B. ASS 500 mg Einzeldosis, früher bis zu 10 g Tagesdosis) mit entsprechendem Nebenwirkungsrisiko erreicht werden.

Coxibe weisen demgegenüber eine ganz ausgeprägte Affinität zur Cox-2 auf (Abb. 2), weswegen man sie auch Cox-2-spezifische NSAR nennt. Die mit Abstand höchste selektive Affinität hat dabei Etoricoxib. Coxibe entfalten deshalb kaum Wirkungen an der Cox-1. So erklärt sich ihre im Vergleich zu tNSAR überlegene gastrointestinale Verträglichkeit. Darüber hinaus interferieren sie nicht mit der Thrombozyten-Aggregationshemmung. Sie stellen für die Therapie des entzündlichen Schmerzes somit das zielgenaueste pharmakologische Prinzip dar.

Kontraindikationen für NSAR

Aus pharmakologischer Sicht und unter dem Anspruch einer pathophysiologisch präzisen und ursachennahen Therapie haben tNSAR mit ihrer unerwünschten Wirkung an der Cox-1 eigentlich keinen Platz mehr. Sie beziehen ihre Rechtfertigung heute im Wesentlichen aus dem niedrigeren Preis und der immensen Erfahrung ihrer Wirksamkeit aus über vier Jahrzehnten und Hunderten Millionen von Anwendungen. Ihre Mukotoxizität wird dabei bei Patienten mit entsprechend erhöhtem Risiko durch die Co-Medikation mit Protonenpumpeninhibitoren (PPI) vermindert. PPI entfalten jedoch im unteren Gastrointestinaltrakt keine Wirkung und sind bei längerer Anwendung mit einem Osteoporoserisiko behaftet.

Besonders problematisch ist die medikamentöse Kombination von tNSAR mit ASS bei Koronar- und Schlaganfallpatienten. Da beide Medikamente um die Bindungsstelle an der Cox-1 konkurrieren, kann ASS nicht wirksam werden, wenn ein anderes tNSAR diese Bindungsstelle besetzt hat. Da nur ASS dauerhaft und irreversibel die Cox-1 der Thrombozyten blockiert und alle anderen tNSAR nur eine vorübergehende Bindung an die Cox-1 und somit auch nur eine vorübergehende Thrombozyten-Aggregationshemmung aufweisen, kann der durchgehende Thrombozyten-Aggregationsschutz verloren gehen und ein erhöhtes Infarktrisiko entstehen. ASS muss daher etwa eine Stunde vor dem tNSAR eingenommen werden. Das erfordert vor allem bei wiederholter tNSAR-Dosierung (z. B. Ibuprofen alle acht Stunden) ein hohes Maß an Compliance.

Durch die duale Blockade der Cox-1 und Cox-2 können tNSAR bei prädisponierten Personen Asthmaanfälle induzieren, da dann über die Lipoxygenase, den einzig verbleibenden Stoffwechselweg, verstärkt Leukotriene gebildet werden. Dieses Phänomen ist als "ASS-Intoleranz" bekannt, ist aber nicht auf ASS begrenzt, sondern gilt für alle tNSAR.

Für alle NSAR, für die traditionellen genauso wie für die Coxibe, gilt eine Kontraindikation bei hohem kardiovaskulären Risiko sowie bei eingeschränkter Nierenfunktion. Alle NSAR (mit einer gewissen Einschränkung für Naproxen) erhöhen in vergleichbarer Weise das Infarktrisiko. Auch bezüglich der Hepatotoxizität sind tNSAR und Coxibe im Rahmen der klinischen Relevanz vergleichbar.

Orientierungshilfe für die Praxis

Der entzündliche Schmerz ist in erster Linie mit Prostaglandin-Syntheseinhibitoren optimal therapiert. Nur bei nicht ausreichender klinischer Wirkung ist eine Kombination der NSAR mit anderen analgetischen Prinzipien sinnvoll. Bei hohem Koronarrisiko sind alle NSAR als kontraindiziert zu betrachten. Dasselbe gilt für eine prävalente Niereninsuffizienz mit einer glomerulären Filtrationsrate (GFR) von 30 ml/min oder weniger. Gerade bei älteren Personen kann die GFR, abhängig vom Hydratationszustand, erheblich schwanken! Hier sind engmaschige Kontrollen unbedingt anzuraten.

Können NSAR angewandt werden, dann sollten Patienten mit erhöhtem gastrointestinalen Risiko primär mit Coxiben behandelt werden. Liegt in der Anamnese ein blutendes Magenulkus vor, dann sind tNSAR sogar formal kontraindiziert. Bei KHK-Patienten mit ASS-Indikation sollte der Einsatz von tNSAR wegen der Medikamenteninteraktion kritisch hinterfragt werden! Dasselbe gilt für Patienten mit bekannter ASS-Intoleranz. Für die Coxibe spricht grundsätzlich der Umstand, dass sie das heute gezielteste Therapieprinzip des entzündlichen Schmerzes darstellen.



Autor:

Prof. Dr. med. Peter M. Kern

Internist, Rheumatologe, Osteologie (DVO)
Medizinische Klinik IV, Klinikum Fulda
Universitätsmedizin Marburg – Campus Fulda
36043 Fulda

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Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2016; 38 (6) Seite 42-44