Altbauten sind der Wohntraum vieler Menschen – aber warum nicht auch den historischen Charme, der die Gebäude um die Jahrhundertwende umgibt, für eine Arztpraxis einfangen? So geschehen im Fall der Allgemeinarztpraxis von Dr. Otto im sächsischen Roßwein. Das Bauprojekt zeigt, wie man alten Charme mit neuen Ideen kombinieren kann und gleichzeitig alle funktionellen Ansprüche einer Arztpraxis erfüllt. Was ist beim (Um)Bau einer Praxis zu beachten und wie lässt sich dies mit den Besonderheiten eines Altbaus realisieren?

Roter Ziegelstein, helle Sandsteinsäulen und viel historischer Charme. Ein altes Postgebäude aus dem 19. Jahrhundert, das lange leer stand, hatte es dem Allgemeinarzt Dr. Otto im sächsischen Roßwein angetan. Als dann die Entscheidung fiel, das gesamte Gebäude zu sanieren und in ein Ärzte- und Gesundheitszentrum umzuwandeln, war der Allgemeinarzt der Erste, der diese Chance für neue Praxisräumlichkeiten nutzte. Für die Fachberatung und Planung inklusive Ausführung der Umbauarbeiten wandte sich der Praxisinhaber an die Geilert GmbH als Spezialisten für Praxisausbauten. Es galt, den Charme dieses mehr als 100 Jahre alten Postgebäudes zu erhalten und für ein außergewöhnliches Praxisambiente zu nutzen, gleichzeitig aber moderne Abläufe und ein zeitloses Ambiente zu integrieren.

Besondere Details machen den Unterschied

Wie das gelingen kann, zeigt z. B. die freigelegte Ziegelsteinwand im Wartebereich. "Erst war Dr. Otto skeptisch, als er von unserem Vorschlag dazu hörte, aber die Historie des Gemäuers optisch nach außen zu tragen, überzeugt ihn und heute ist er glücklich über diese Entscheidung", bestätigt Kathrin Geilert von der Geilert GmbH. Das Bauteam legte die Ziegelmauer Stück für Stück frei, verfugte sie neu und baute neue Fenster ein, allerdings im Design der Originalfenster, um den besonderen Charme zu erhalten. Aber nicht nur dieses Detail ist hier besonders. Der Wartebereich wurde einem Zugabteil nachempfunden. Zum einen bietet er so eine hohe Privatsphäre für die Patienten, zum anderen rückt die Wartezeit der anderen Patienten nicht so stark in den Fokus. Da insbesondere im Wartebereich von Arztpraxen pflegeleichte und robuste Materialien zu bevorzugen sind, wurde ein Vinylboden in Holzoptik verlegt und mit Kunstlederbänken und Holzabtrennungen kombiniert. Die Brauntöne lassen den Raum wohnlich wirken. Eine weitere Besonderheit findet man im Kurzwartebereich gegenüber dem Labor: Klappstühle aus einem alten Leipziger Kino sind praktisch, bequem und Eyecatcher zugleich.

Möbelplanung mit Sinn

Im Empfangsbereich und Wartezimmer sind Datenschutz und Diskretion wichtig, beides sollte bei jedem Praxisbau von Anfang an berücksichtigt werden: Dank der Raum- und Möbelplanung kann im Fall der Praxis von Dr. Otto kein Patient hinter den Empfang treten und zusammen mit dem komplett abgetrennten Wartebereich bieten die Räumlichkeiten bestmögliche Datensicherheit. Der Zugang für das Praxisteam, das im dahinterliegenden Backoffice arbeitet, erfolgt über die Tür nebenan. Der Empfang selbst ist eine Kombination aus verschiedenen Echtholzdielen, die aufeinandergesetzt wurden, und einem matten, schwarzen Seitenteil. "Vor allem bei so hohen Räumen wie hier, mit mehr als drei Metern Deckenhöhe, ist das Beleuchtungskonzept wichtig. Weiches, blendfreies Licht, das trotzdem situationsgenau akzentuiert und Tageslicht simuliert", erklärt Kathrin Geilert. Die Akustikdecke bietet nicht nur eine schöne Optik, sondern vor allem eine angenehme Raumatmosphäre.

Ebenfalls bei der Raumplanung einer Praxis zu berücksichtigen ist, dass die Patienten-Toilette optimalerweise neben dem Labor liegt, damit z. B. Urinproben einfach durch eine Durchreiche in das Labor gelangen können. Auch dies wurde in der Altbau-Praxis realisiert. Das Labor wurde mit langen, fugenlosen Mineralwerkstoffarbeitsflächen in Weiß ausgestattet, welche sich für einen solchen Funktionsraum mit dem Fokus auf hygienische Aspekte sehr gut eignen. "Diese Arztpraxis ist ein schönes Beispiel, wie ein altes, nicht mehr genutztes Gebäude zu neuem Leben erwacht und eine sinnvolle, effektive Nutzung erfährt", so Kathrin Geilert.


Interview mit der Praxisbau-Beraterin

Symbiose zwischen Historie und Moderne


Kathrin Geilert, Beraterin der Praxisbauspezialisten der Geilert GmbH aus Leisnig, gibt Einblicke in die besonderen Herausforderungen, die oft mit einer Praxisgründung im Altbau verbunden sind.

Frau Geilert, was empfehlen Sie Ärzten, die mit dem Wunsch nach einer Praxis in einem Altbau zu Ihnen kommen?

Kathrin Geilert: Am wichtigsten ist es, sich nicht bei der ersten Begeisterung von den entscheidenden Details ablenken zu lassen. Für viele haben alte, historische Gebäude einen ganz besonderen Charme, aber die funktionalen und technischen Details müssen stimmen. Deshalb muss vor jedem Kauf oder Mietvertrag geklärt werden, ob die eigenen Praxisabläufe zur vorhandenen oder umsetzbaren Raumstruktur passen. Also ob es grundsätzlich möglich ist, die Raumgröße und die Raumanordnung entsprechend den eigenen Bedürfnissen zu realisieren. Erlauben es die vorhandenen Anschlüsse, Abflüsse etc., das Labor und Patienten-WC nebeneinander zu platzieren? Kann der Putzmittelraum funktional integriert werden? Gibt es die Möglichkeit, hundertprozentige Barrierefreiheit zu generieren? Lauten die Antworten nein, ist es das falsche Gebäude für den geplanten Zweck.

Wie können Interessenten das überprüfen?

Kathrin Geilert: Am besten zieht man einen Fachplaner hinzu, einen der sich mit den Praxisabläufen der jeweiligen Fachrichtung auskennt. Denn jede Praxis hat, je nach Fachrichtung und persönlichen Vorlieben und Arbeitsweisen, eigene Procedere und braucht dafür die passenden Räumlichkeiten.

Was sind typische Probleme, mit denen Inhaber von Praxisräumen in Altbauten rechnen müssen?

Kathrin Geilert: Nehmen wir das Beispiel Denkmalschutz. Hat das ausgewählte Gebäude solche Vorgaben zu erfüllen, müssen zum Beispiel die Außen- und Innentüren erhalten bleiben. Gleichzeitig müssen sie die aktuellen Schallschutzbedingungen für Arztpraxen und Richtlinien zur Wärmedämmung erfüllen. Egal ob Fenster oder Türen, nichts kann einfach aus dem Katalog bestellt werden. Man benötigt Fachleute und einen detaillierten Kostenvoranschlag, um sich am Ende nicht über unerwartete Kosten zu ärgern. Alte Gebäude wurden meist für einen anderen Nutzungszweck als eine Arztpraxis ausgelegt und halten den heutigen, technischen Anforderungen nicht ohne Weiteres stand. Fehlt eine kompetente Fachberatung, geht schnell etwas schief.

Können Sie dafür Beispiele nennen?

Kathrin Geilert: Wenn die Statik zu spät geprüft wird, kann es passieren, dass für neu geschaffene Räume zusätzliche Eisenträger eingebaut werden müssen, um die neue Statik zu gewährleisten. Vor allem wenn der Trockenbau bereits abgeschlossen ist, kann das teuer werden. Außerdem sind ältere Gebäude meist über Treppen begehbar, wenn das nicht bedacht wird, muss man später über eine Hofeinfahrt oder einen Nebeneingang eine Rampe installieren, um für Rollstuhlfahrer den Zutritt zu ermöglichen. Ebenfalls eine kostspielige Investition, um die sich oft Mieter und Vermieter streiten. Besser ist, das vorher alles möglichst effektiv und baueffizient einzuplanen.

Welche Themen stehen bei der Inneneinrichtung einer Praxis im Altbau im Fokus?

Kathrin Geilert: Erstmal geht es darum, ein Designkonzept zu entwerfen, das den Charme der Vergangenheit mit der Moderne von heute verbindet, sozusagen eine Symbiose zwischen Historie und neuer Nutzung erstellt. Das ist immer eine Herausforderung, da die Praxisinhaber die Räume ja genau wegen dieses Charmes ausgewählt haben. Gleichzeitig wollen sie möglichst moderne, funktionale Praxisabläufe, pflegeleicht und nach allen Vorgaben. Besonders beachten müssen wir als Praxisgestalter in diesem Fall Details der Akustik. Die alte Bauweise war nicht für die heutigen Schallschutzanforderungen von Arztpraxen ausgelegt. Auch ein angepasstes Lichtkonzept für hohe, offene Räume steht im Mittelpunkt solcher Umbauten.

Führen Sie viele Praxisausbauten in älteren Gebäuden durch?

Kathrin Geilert: Ja, wir haben viele Projekte mit diesem Hintergrund und das freut mich immer besonders. Denn ich persönlich mag das Ambiente solcher Häuser, die geschichtsträchtigen Mauern. Es ist eine meiner persönlichen Leidenschaften, Alt und Neu zu kombinieren. Die Bedeutung der alten Nutzung in eine neue, moderne zu überführen, ohne den Charme der Vergangenheit zu verlieren, ist immer wieder eine Herausforderung, aber eine, die unser Team und ich gerne annehmen.



Autorin:
Jacqueline Koch
Freie Journalistin
Jkcommunications
84172 Buch am Erlbach

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2020; 42 (10) Seite 60-62