Wer eine Praxis übernimmt, schätzt meistens die Praxis für ihren Ruf, ihre Lage oder die Patienten. Der Respekt vor dem bereits Bestehenden geht einher mit dem Wunsch, die Praxis mit "frischem Wind" zu modernisieren, ohne das Erschaffene zu mindern. Die Veränderung der Raumstruktur, der Möbel und des Designs – alles ist möglich. Bestes Beispiel: die Allgemeinarztpraxis von Dr. med. Sennewald im Zentrum von Halle. Neben dem Wunsch, seine Frau als zweite Behandlerin mit in die Praxis aufzunehmen, sollte auch das Design die Interessen der neuen Ärzte widerspiegeln.

Die Praxis, untergebracht in einem sanierten Altbau aus den 30er-Jahren im Zentrum von Halle, war geprägt vom typischen Charme der Nachwendejahre – unaufgeregt, zurückhaltend, mit viel Weiß. Der Tipp eines befreundeten Kollegen brachte die Praxisausbauspezialisten der Geilert GmbH ins Spiel. Bereits nach dem ersten Telefonat stand ein Termin im Materialcollagenraum in Leisnig fest. Hier wurden Ideen geschmiedet und Pläne gemacht. Im Fokus der Umbaumaßnahmen standen der Empfang, Personal- sowie der komplette Behandlungsbereich.

Neben dem Wunsch nach Schlichtheit und klassischer Linie sollte sich ein weiteres Thema in der Gestaltung wiederfinden: Wald – eine direkte Analogie zum Familien- und Praxisnamen Sennewald. Mitten im Zentrum der größten Stadt Sachsen-Anhalts ist das Thema "Wald" frisch und inspirierend. Natürliche Farben dominieren die heutige Praxis, anthrazitfarbene Möbel fügen sich harmonisch in das Farbkonzept ein und klassische weiße Elemente gemischt mit verschiedenen Naturtönen verleihen den Räumen echte Wohlfühlatmosphäre.

Inspiration in Design umsetzen

Betritt man die Praxis heute, fällt die Blickachse in den langen, schmalen Flur und auf das hinterleuchtete Bild am Ende – der Blick in den lichtdurchfluteten Wald. Patienten richten fast automatisch ihren Blick darauf und viele nehmen die positive, ruhige Ausstrahlung des Bildes auf. Die Stäbchenparkettoptik des Vinylbodens sowie die hellen Wände unterstützen die Wirkung. Der besondere Charme des Altbaus wurde hier perfekt für die Konzeptumsetzung genutzt. Über dem dunklen Tresenblock mit matter Oberfläche und Anti-Fingerprint-Beschichtung nehmen bunte Glas-Pendelleuchten die minimalistische Strenge und bringen Farbe ins Spiel. Die ungewöhnliche Formgebung erlaubt den Patienten bequem und großzügig an den Empfang heranzutreten. Zwei Arbeitsplätze und vielfältige Ablagemöglichkeiten wurden rückseitig integriert. Der Rückschrank mit Stauraum für Ordner ist gleichzeitig die Abtrennung zum Personalbereich. Dieser bietet eine voll ausgestattete kleine Küchenzeile, einen Tisch und Raum für vier Personen – egal ob für ruhige Mittagessen oder Teambesprechungen. Die Deckenoptik ist nicht nur visuell ungewöhnlich, auch die Funktion ist besonders. Alle Decken garantieren eine angenehme Raumakustik. So wurde einerseits der Stressfaktor "Lärm" für das Praxisteam minimiert, andererseits wirkt die komplette Raum- und Klangatmosphäre positiv auf wartende Patienten und passt perfekt zum "ruhigen" und "erholsamen" Naturthema. Optik und Funktion fügen sich harmonisch zusammen.

Auch im Wartebereich führt das Thema Wald Regie. Zusätzlich kommt eine Design-Vorliebe des Arztes zum Tragen, seine Begeisterung für den Bauhaus-Stil: Die Stühle erinnern in Form und Farbe an die Design-Klassiker der 30er-Jahre. Im Patienten-WC dominiert Klarheit in Farbe und Form. Ein anthrazitfarbener Waschtisch aus Mineralguss mit nahtloser Abwurföffnung für Papier bietet hohe Hygiene und modernes Design. Eine Panorama-Tapete dient als Wandschmuck zur WC-Abtrennung und die Abbildung bunter Waldtiere führt das Thema der Praxis fort.

Funktionalität mit Design vereinbaren

Auch die Behandlungsräume werden von dem grau-grünen Konzept bestimmt. Funktional aber mit einer großen Portion Altbaucharme und viel Helligkeit. Die Funktionsmöbel im Labor sind klassisch weiß – fugenlose Arbeitsflächen, eingelassene Becken und hohe Praktikabilität. "Die Herausforderung war, alle Wünsche der Ärzte zu berücksichtigen. Die Praxis konnte in ihrer Struktur oder baulich nicht verändert werden, also mussten wir alle neuen Ideen so strukturieren, dass es in die vorhandene Raumsituation integrierbar war. Aber ich glaube, das ist uns gut gelungen. Die Ärzte sind wirklich zufrieden und das Patientenfeedback stimmt", schließt der Inhaber Jörg Geilert das Projekt ab.

Frau Geilert, kommt es oft vor, dass sich Ärzte spezielle Themen für das Design ihrer Praxis wünschen?

Kathrin Geilert: Im Prinzip schon. Jedoch ist das im privaten Wohnbereich intensiver, da werden oft komplette Häuser nach bestimmten Vorlieben eingerichtet. Sei es zum Beispiel im lebensfrohen afrikanischen Stil oder zurückhaltenden japanischen Stil. In der Praxiseinrichtung gibt es das weniger, das ist ja auch nicht das Ziel, denn es müssen sich neben dem Arzt die Patienten und alle Mitarbeiter wohlfühlen. Natürlich soll vor allem eine neu gegründete oder übernommene Praxis die Persönlichkeit des Behandlers widerspiegeln. Die wenigsten Kunden kommen mit einer klaren Wunschvorstellung, solche Ideen erarbeiten wir im Gespräch, das wir gut vorbereiten und intensiv führen.


INTERVIEW mit der Praxisbau-Beraterin: Wir wollen personalisierte Praxen kreieren

Kathrin Geilert, Beraterin der Praxisbauspezialisten der Geilert GmbH aus Leisnig, beschreibt den Weg vom ersten Beratungsgespräch hin zu einem Praxis-Konzept, in dem sich der Arzt individuell wiederfindet.

Wie kann man sich ein erstes Beratungsgespräch zwischen Ihnen und dem Arzt vorstellen?

Es geht darum, personalisierte Praxen zu kreieren. Was wir nicht wollen, sind uniforme Entwürfe. Dafür müssen wir herausarbeiten, was die Ärzte inspiriert, was sie fasziniert. Dieses Wissen fließt später in das Praxis-Design ein. Oft nur punktuell und sehr bewusst. Es geht darum, Themen und Ideen zu finden, an denen man gemeinsam arbeiten kann, dann fällt auch den Ärzten die Farb- oder Materialwahl leichter. Sie verstehen, warum eine bestimmte Wand farbig werden soll, und man fragt sich nicht, welcher Rot-Ton gemeint ist. Denn normalerweise hat jeder einen anderen Rot-Ton im Kopf. Wenn zum Beispiel eine Wand in dem Rot definiert und gestrichen wird, das zur Abendstimmung am Meer passt, ist alles klar. So wird über ein Lebensthema die Farbe und das Design transportiert. Eben nicht über eine jetzt moderne Farbe.

Haben Sie Beispiele besonderer Themen, die in Ihren Praxisprojekten umgesetzt wurden?

Eine Ärztin, die mit ihrem Mann zusammen eine Praxis gegründet hat, erzählte uns, dass ihr Mann leidenschaftlicher Surfer ist und sie jeden Urlaub am Meer verbringen. Da war schnell klar, dass das Thema Wasser eine wichtige Rolle im Designkonzept spielen wird. Vor allem als Ansprache für die oft jungen Patienten wurde eine auffällige Fototapete mit Wellenoptik für den Wartebereich gewählt und intensive Blautöne in den Behandlungsräumen. Eine Praxis in Berlin hat das Thema Afrika konsequent in Design umgesetzt. Jedes Zimmer zeigte eine andere Seite von Afrika, da gab es die Savanne, Strand usw. Solch eine starke Ausprägung ist aber selten. Vor Kurzem haben wir eine weitere Praxis mit diesem Thema eingerichtet. Die Ärztin hat lange in Südafrika gelebt und wollte ein Stück davon in ihre Praxis mitnehmen. Also wurde ein eher dunkler Holzton ausgesucht, besonders intensive und fröhliche Farben definiert und verschiedene Designelemente aus dem privaten Fundus spiegeln das südafrikanische Lebensgefühl wider. Nicht zu stark, aber doch so, dass Südafrika immer mitschwingt im Praxisgeschehen, ohne das Design zu dominieren.

Wie finden Sie persönlich solche thematischen Umsetzungen?

Sehr gut. Wir erfragen solche Details und Vorlieben ganz konkret und dieses Wissen über unsere Kunden fließt später in die Designvorschläge mit ein. Das gibt uns auch ein Stück Sicherheit in unserer Planung, denn dann ist die gewünschte Farbpalette meist schon klar und auch das Holz oder die Materialien orientieren sich am jeweiligen Thema. Wichtig ist, dass die Ärzte offen dafür sind, sich inspirieren lassen im Gespräch. So entwickeln sich Ideen und wenn man das gemeinsam fortführt, fühlen sich Kunden verstanden, sie bringen ihre Persönlichkeit in die Planung ein, das ist vielen Ärzten wichtig.

Wie weit kann so ein thematisches Konzept reichen?

Im Prinzip kann es jedes Detail beeinflussen. Die neu gewählte Farbe kann zum Re-Design des Logos führen, zu neuer Mitarbeiterkleidung, Webseitenauftritt oder Farben der Behandlungsmöbel. Alles ist möglich, das ist das Schöne an unserem Job. Es gibt kein vorgefertigtes Gesamtkonzept, das wir jeder Praxis, die wir bauen oder umbauen, "drüberstülpen", sondern jede Praxis und jeder Arzt wird individuell behandelt. Darauf sollten Ärzte immer achten, wenn sie Designer oder Spezialisten mit ins Boot holen, dass nichts pauschalisiert wird und immer das persönliche Gespräch im Vordergrund steht.

Woher weiß ein Arzt bei einem Beratungsgespräch, dass er gut aufgehoben ist?

Das ist natürlich schwierig, das Bauchgefühl ist wie immer ganz wichtig und ob die persönlichen Ideen ihren Weg in die Vorschläge finden. Natürlich ist auch ein Praxisspezialist "nur" ein Mensch und hat selbst Vorlieben, aber wie es so schön heißt, "Schönheit liegt im Auge des Betrachters", es muss nicht mir oder meinem Team gefallen, sondern ausschließlich dem Kunden. Wenn die Ärzte am Morgen die Praxis aufsperren und mit einem guten Gefühl eintreten, haben wir einen guten Job gemacht.



Autorin:
Jacqueline Koch
Freie Journalistin
Jkcommunications
84172 Buch am Erlbach

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2020; 42 (13) Seite 52-56