In letzter Zeit haben sich der Teamspirit und die Arbeitszufriedenheit in den Betrieben in Deutschland leider eher weiter verschlechtert. Was bedeutet das für das "Unternehmen Arztpraxis"?

Und was kann man als Inhaber:in bzw. Führungskraft in der Hausarztpraxis tun, um den Zusammenhalt im eigenen Team zu verbessern?

Ein Hunni, den ich versteuern muss, ist es nicht wert, dass ich jeden Tag mit Magenproblemen in die Praxis komme. So oder so ähnlich höre ich das auf meinen Seminaren immer wieder von der ein oder anderen MFA.

Dreh- und Angelpunkt dafür, dass die Tätigkeit echte Freude macht statt Magenschmerzen, ist der Teamzusammenhalt. Denn in der Arztpraxis arbeitet nicht jeder an seinem eigenen Platz wie in einem Büro, wo man auch mal hinter dem Computer verschwinden kann. Wir arbeiten repräsentativ vor anderen Menschen ("unseren" Patient:innen) und wir tun das immer Hand in Hand mit anderen. Und das hat Folgen: Wenn ich mich z. B. als MFA auf das eine Teammitglied gerade nicht verlassen kann und ein anderer mir nicht gut zuspielt, dann komme ich auch mit meinen eigenen Aufgaben nicht voran. Auch wer motiviert in die Praxis komme, ist abhängig von seinen Kolleg:innen und dem Chef bzw. der Chefin. Nur in diesem "Dreigestirn" kann es gelingen, die Patient:innen optimal zu versorgen.

Nicht zu vergessen: Es gibt in jeder Hausarztpraxis natürlich auch Patient:innen, die ungeduldig sind, die grundlos schimpfen. Und das ist im Rahmen der Pandemie eher intensiver geworden. Die einen Teammitglieder stellen das in den Fokus ihrer Arbeit, die anderen sagen: "Ja, das erschwert uns die Arbeit in der Praxis, aber leider gehört das mit dazu. Gemeinsam bekommen wir auch das hin." Dieser konstruktive Ansatz steht und fällt allerdings mit dem Praxisteam und seinem Zusammenhalt. Es verwundert daher nicht, dass der Teamzusammenhalt bei den MFA als Ausgleichsfaktor für die hohe Arbeitsbelastung auf dem ersten Platz rangiert, noch vor der Bezahlung.

Die zwei Jahre in der Pandemie haben uns noch mehr gestärkt oder einen Riss durch die Praxis offengelegt, wenn es z. B. vorher im Team schon Probleme gab. Gefühlt ist es nicht die Mehrheit der MFA, die aufgrund der Entwicklungen in der Pandemie überlegt, den Arbeitsplatz bzw. den Beruf zu wechseln, aber dennoch muss man von einer gewissen Dunkelziffer ausgehen. Auch deswegen lohnt es sich, aktiv in den Teamzusammenhalt zu investieren. Nicht zu vergessen der zusätzliche Druck durch den immer härteren Kampf um die wenigen Fach- und Führungskräfte, die der Markt den Hausarztpraxen überhaupt noch bietet.

Von jung bis alt ein Team

Kompetenz hängt doch nicht vom Alter ab! Das wird in keinem Unternehmen so hinterfragt wie in einer Arztpraxis. Kompetenz ist entscheidend an das eigene Know-how geknüpft. Natürlich haben ältere Mitarbeiter:innen mehr Praxiserfahrung. Aber die jungen, die viele Weiterbildungen absolvieren, können neues Wissen ins Team einbringen. In Seminaren kommt es durchaus vor, dass jüngere Mitarbeiter:innen berichten, ältere Kolleg:innen würden ihre Leistung nicht anerkennen, und ältere Teilnehmer:innen erzählen, ihre jungen Teamkolleg:innen wollten ja nicht mehr so, sie funktionieren nicht. Dann mache ich als Seminarleiterin einen klaren Schnitt: Dieses Jung-gegen- Alt-Gerede bringt uns nicht weiter. Wir sind EIN Team!

Die Älteren können von den Jüngeren lernen, denn früher war nicht alles besser, sondern eben anders. Es ist gut, dass die heutigen MFA auf eine Überstunde schauen können, während wir – ich habe 1987 die Lehre zur MFA begonnen – uns Mehrarbeit im Regelfall nicht aufschreiben konnten. Heute ist das klar geregelt und wir Älteren sollten bereit sein, auch mal von den Jüngeren zu lernen … und umgekehrt natürlich! Würde ich selbst ein Team für die Arztpraxis zusammenstellen, würde ich mir zwischen 17 und 63 alles mit ins Boot holen. Dann fallen schon mal auch nicht alle gleichzeitig aus z. B. durch Schwangerschaft, Heirat, Wechseljahre oder Ruhestand.

Praxisbeispiel: Gerade in der Arztpraxis ist es wichtig, dass das Team mit Blick auf die Kund:innen (Patient:innen) vielfältig aufgestellt ist. Wenn ein 14-Jähriger zu einer Untersuchung kommt und eine 63-jährige MFA ihn fragt, ob er raucht oder Drogen nimmt, dann sorgt das meistens nicht gerade für eine informative Antwort. Hier kann eine 19-jährige Kolleg:in eher Brücken schlagen. Genauso ist das, wenn die sportliche MFA mit Kleidergröße XS der übergewichtigen Frau Müller mit Rollator gegenüber erklärt, sie könne sie ja so gut verstehen …

Weiterbildung zahlt sich aus

Beim Thema Mitarbeiterfortbildung sollten sich in der Hausarztpraxis alle beteiligen. Das erhöht die Kompetenz des Einzelnen und fördert gleichzeitig das Team. Optimalerweise absolviert jeder im Praxisteam mindestens einmal im Jahr eine Fortbildung, passend zum eigenen Tätigkeitsschwerpunkt wie z. B. zu Hygienemanagement oder für die eine Diabetes-Patientenschulung. Jeder bringt von seinem Kurs in die nächste Teamsitzung einen 10-Minuten-Slot mit. Das tut demjenigen gut, der vor Ort war, aber auch die anderen, die nicht dabei waren, profitieren. Die Kolleg:innen sehen so auch, dass die Kursteilnehmer:in nicht nur zum "Kaffeeklatsch" unterwegs war. Gleichzeitig erkennt jede Kolleg:in, wie schwer oder nicht schwer es ist, selbst zehn Minuten frei zu sprechen. Dieses formlose Reporting muss nicht perfekt strukturiert sein. Wichtig ist es, dass man die anderen am neu erworbenen Wissen teilhaben lässt. Davon profitiert auch die Praxis insgesamt: Ein Teammitglied geht auf eine bezahlte Schulung und die anderen werden kostenfrei mitgeschult.

Praxisbeispiel: Teamarbeit heißt, dass auch die Chef:in aktiv miteinbezogen wird. Wenn dieser z. B. im Meeting mitbekommt, dass eine Kolleg:in von der Untersuchung am diabetischen Fuß berichtet, dann wird vielleicht auch klar, dass diese Person bei der Behandlung unterstützen könnte. Für die anderen Praxismitarbeiter:innen bedeutet das, dass sich der Terminkalender der Ärzt:in entspannt.

Gleichzeitig ergeben sich Möglichkeiten, frei werdende Kapazitäten für eine Neubesetzung zu nutzen, die das ganze Team voranbringt.

Führungsrolle annehmen

Es ist wichtig, dass die Chef:in im entscheidenden Moment Klartext redet. Deswegen sollte sich die Praxisinhaber:in auch nicht auf der Kollegenebene "einsortieren". Sie muss in der Chefrolle bleiben. Die Hierarchie sollte dabei natürlich kein Gefälle von 0 auf 100 haben!

Es geht darum, die Führungsrolle wahrnehmen zu können, zu wollen und das auch zu tun. Wenn sich z. B. eine Kolleg:in nach mehrmaligem netten Hinweis nicht an Absprachen hält, müssen Vorgesetzte eingreifen können.

Praxisbeispiel: So kann die Chef:in ohne Namen zu nennen im Meeting darauf hinweisen, dass es Probleme gibt, weil nicht alle im Team Handschuhe tragen, und dass sich das ab sofort ändern muss. Das ist deutlich effektiver, als wenn die Hygienebeauftragte zum tausendsten Mal darauf hinweist, wie wichtig das aus Hygienegründen ist.

Gleichzeitig sollten die Mitarbeiter:innen sich an zentralen Entscheidungen beteiligen können. Das kann helfen, für anstehende Veränderungen mehr Zustimmung im Team zu finden. Jede Praxis braucht eine Kolleg:in, die sich um solche administrativen Fragen kümmert und die Praxisinhaber:in entlastet, z. B. die Praxismanager:in.

Praxisbeispiel: Bei der Urlaubsplanung oder dem Dienstplan für eine zusätzliche Mittagssprechstunde überlegt man gemeinsam, wie die Lösung aussehen kann. Jeder trägt in den Arbeitsplan/Kalender ein, was für ihn optimal wäre. Schnell zeigt sich, wo die Überschneidungen liegen. Nun wird im Team analysiert. Was problemlos funktioniert, wird "auf Grün gestellt". Manche Überschneidungen klären sich von allein, wenn z. B. die Kollegin, die in den Osterferien bevorzugt berücksichtigt ist, in den Herbstferien anderen den Vortritt lässt. Sonst hilft es, die Fakten herauszuarbeiten.

Eine Mitarbeiter:in freut sich mal wieder über ein verlängertes WE dank Feiertag, die andere Kolleg:in hätte an diesem Brückentag keine Betreuung für ihr Kind oder die Pflege der Eltern. Oder eine Mitarbeiter:in würde gerne mehr Mittagspausen durcharbeiten, weil sie eine sehr lange Anfahrt hat, andere Kolleg:innen nutzen die entfallende Mittagspause eher für einen früheren Feierabend etc. Sie zeigen sich auch bereits mit einer durchgearbeiteten Mittagspause pro Woche zufrieden.

Gegenseitige Wertschätzung

Die anderen im Team müssen mich nicht lieb haben, sondern akzeptieren – und sollten mich wertschätzen! Nun ist es aber gerade für uns Frauen nicht immer einfach, den Kolleg:innen auch mal unschöne Wahrheiten mitzuteilen. Frei nach dem Motto: Dann ist die Kolleg:in vielleicht sauer, mache ich es also selbst.

Praxisbeispiel: Wenn unpopuläre Entscheidungen getroffen werden, kann das auch dazu führen, dass Mitarbeiter:innen gehen. Das ist hart, aber nicht zu verhindern. Klassischerweise ist das z. B. der Fall, wenn Entscheidungen als Eingriff in die Privatsphäre missverstanden werden. Beispielsweise wenn Kolleg:innen gehen, weil sie keine Handschuhe bei der Arbeit in der Praxis tragen möchten, obwohl das aus Hygienegründen notwendig ist.

Weiterbildungstipp
Praxisnahe Schulungen für MFA, die stets am Ball bleiben wollen, gibt es z. B. unter: www.pkv-institut.de


Literatur:
Für mehr Zufriedenheit im Job: Was Arzt- und Zahnarztpraxen jetzt für MFAs und ZFAs tun können. PKV-Institur, April 2022: http://www.pkv-institut.de/magazin/artikel/fuer-mehr-zufriedenheit-im-job-was-arzt-und-zahnarztpraxen-jetzt-fuer-mfas-und-zfas-tun-koennen


Autorin

© PKV GmbH
Iris Schluckebier

Praxisberaterin & Coach
PKV-Institut: Fachl. Beirat und Referentin, u. a. IhF/VERAH-Referentin

Erschienen in: doctors|today, 2022; 2 (9) Seite 62-64