Schaffe ich das, kann ich das? Als Hausärztin und ggf. auch Mutter eine eigene Praxis führen mit alleiniger Verantwortung für Patient:innen und Personal, Wegfall des geregelten Einkommens und der sozialen Sicherheit, das damit verbundene finanzielle Risiko stemmen? "Ja, das schaffen Sie!", sagt Runa Niemann, systemischer Coach, Steuerberaterin und Fachberaterin im Gesundheitswesen.

Es gibt viele gute Gründe, sich als Hausärztin selbstständig zu machen. Sie wollen selbstbestimmt, eigenverantwortlich und unabhängig arbeiten? Das geht in der eigenen Praxis. Hierdurch können Sie Beruf und Familie vereinbaren, so wie Sie es sich wünschen. Denn Sie bestimmen, wann und wie viel Sie arbeiten möchten, soweit die Mindestversorgung der KV gewährleistet ist. Bis auf ggf. Notdienste, die auch extern besetzt werden können, gibt es keinen Wochenend- oder Nachtdienst. In Ihrer eigenen Praxis bestimmen Sie die Sprechstundenzeiten. Damit bietet Ihnen die Niederlassung in der eigenen Praxis die Möglichkeit, Beruf und Familie gut unter einen Hut zu bekommen.

Lohnt sich die Niederlassung finanziell? Zwar ist der Verdienst in der klinischen Anstellung in der Regel durch die vielen Dienste nicht schlecht. In der eigenen Praxis können Sie Ihr Einkommen aber beeinflussen durch die Festlegung Ihrer Sprechzeiten und können sich über eine gute Praxisorganisation und die Einbindung von qualifiziertem Personal, z. B. einer Versorgungsassistentin in der Hausarztpraxis (VERAH), Entlastung verschaffen. Sie haben es selbst in der Hand.

Je nachdem, welche Form der Selbstständigkeit Sie wählen, ergeben sich unterschiedliche Effekte, die im Folgenden vorgestellt werden sollen.

1. Einzelpraxis

In der Einzelpraxis sind Sie auf sich alleine gestellt, tragen die alleinige Verantwortung für Praxisabläufe, Verwaltung und Personal. Die Risiken bei Ausfall durch Krankheit, Schwangerschaft oder andere nicht planbare Umstände schultern Sie alleine. Dafür bietet Ihnen die Einzelpraxis die größte Unabhängigkeit.

Kauf einer Einzelpraxis

Die abgebende Hausärzt:in sucht eine Nachfolger:in und bietet die Praxis zum Kauf an, meist hat sie eine konkrete Kaufpreisvorstellung. Folgende Kriterien gilt es nun zu prüfen: Alter und Ausstattung der Praxis, Standort, Anteil Kassen-/Privatpatient:innen, Praxisfläche und –miete, Anzahl und Alter des Personals.

Für die Prüfung benötigen Sie die folgenden Unterlagen: Gewinnermittlung der letzten 3 Jahre, ein Anlageverzeichnis, Personalübersichten, Mietvertrag, die KV-Quartalsabrechnungen der letzten 3 Jahre.

Haben Sie sich auf einen Kaufpreis geeinigt, dann gilt es, eine finanzierende Bank zu finden. Wir empfehlen, verschiedene Kreditangebote einzuholen. Ist auch die Finanzierung sichergestellt, muss ein Kaufvertrag aufgesetzt werden. Vorausgehend ist das Nachbesetzungsverfahren nach § 103 SGB V, wonach der Kassensitz ausgeschrieben werden muss.

Eine auf Heilberufe spezialisierte Steuerberater:in kann Ihnen bei der Bewertung der Praxis behilflich sein und eine Wirtschaftlichkeitsrechnung erstellen. Deshalb ist es gut, eine Berater:in bereits in dieser frühen Phase zu konsultieren. Auch bei der Prüfung der Kreditangebote und beim Aufsetzen des Kaufvertrags ist es empfehlenswert, sich durch Expertenrat abzusichern.

2. Berufsausübungsgemeinschaft

Die Berufsausübungsgemeinschaft (BAG), früher Gemeinschaftspraxis, verteilt Risiken, Verantwortung und Praxisführung auf mehrere Köpfe. Dies bedingt selbstredend die Tatsache, dass Sie nicht mehr alleine entscheiden. Haben Sie also z. B. bestimmte zeitliche Vorstellungen, um Beruf und Familie zu vereinbaren, sollten Ihre Kolleg:innen mit Ihnen auf einer Linie sein. Alles muss mehr oder weniger abgestimmt werden: die Einstellung von Personal, die Investition in ein neues Ultraschallgerät und nicht zuletzt der Verdienst der einzelnen Kolleg:innen (Gewinnverteilung und Entnahmen). Diese Form der Berufsausübung bietet auf der anderen Seite die Möglichkeit, sich beispielsweise bei Krankheit und Urlaub gegenseitig zu vertreten, was ggf. auch im familiären Alltag vorteilhaft sein kann. Außerdem können Verwaltungstätigkeiten in der Praxis aufgeteilt werden: Eine Kolleg:in kümmert sich z. B. um Personalangelegenheiten und Praxisabläufe, die andere um die Finanzen und Buchhaltung. Auch das finanzielle Risiko (Praxiskauf und Investitionen) wird geteilt. Ebenso laufen Praxiseinnahmen (für Kassen- und Privatpatient:innen) in einen Topf. Dieser gilt nach einem gerechten Schlüssel aufgeteilt zu werden.

Sie sollten die Form der Zusammenarbeit gut vorbereiten und im Vorfeld der Entscheidung abstimmen, wie Sie sich die gemeinsame Praxisführung und die Verteilung des Praxisgewinns vorstellen können. Wir empfehlen, die verschiedenen Punkte für die Zusammenarbeit frühzeitig vertraglich festzuhalten. Denn bereits in den Vertragsverhandlungen zeigen sich Übereinstimmungen und Gegensätze sowie die Bereitschaft zu Kompromissen, die Sie wie in jeder Beziehung eingehen müssen. Ein Gemeinschaftspraxis-Vertrag sollte immer von einer spezialisierten Rechtsanwält:in begleitet und erstellt werden.

Kauf eines Praxisanteils einer bestehenden Gemeinschaftspraxis

Der Weg in eine bestehende Gemeinschaftspraxis entspricht in vielen Punkten dem Kauf einer Einzelpraxis (s. o.). Die einzelnen Schritte sind somit: Bewertung des Praxisanteils, Kaufpreisberechnung, Finanzierung, Kaufvertrag Anteilskauf und der Vertrag über die gemeinsame Berufsausübung.

Kauf einer Einzelpraxis und Gründung einer Gemeinschaftspraxis

Sie kaufen mit einer Kolleg:in eine Einzelpraxis und teilen sich den Kassensitz ggf. nach dem Jobsharingprinzip oder Sie versuchen, einen weiteren Kassensitz durch Antrag bei der KV zu erwerben. Hier gilt es zu prüfen, ob die vorhandenen Praxisräumlichkeiten für zwei Ärzt:innen parallel arbeitend geeignet sind oder ob nur ein zeitlich versetztes Arbeiten möglich ist. Die Einigung über Arbeitszeitmodelle ist für diese Gestaltung eine wichtige Voraussetzung. Auch bei zeitversetzten Modellen können Praxiszeiten erweitert werden, z. B. an Mittwochnachmittagen oder in den frühen Abendstunden. Somit können für Patient:innen mehr Sprechzeiten angeboten werden und damit Einnahmen gesteigert werden. In dem Vertrag über die gemeinsame Berufsausübung sollte deshalb die Arbeitszeit ein besonderes Augenmerk erhalten. Auch hier gilt: Ein Gemeinschaftspraxis-Vertrag sollte immer von einer spezialisierten Rechtsanwält:in begleitet und erstellt werden.

3. Praxisgemeinschaft

In der Praxisgemeinschaft ist jede Ärzt:in eigenverantwortlich tätig und arbeitet auf eigene Rechnung (Kassen- und Privatpatient:innen). Wie in einer klassischen Einzelpraxis. Anders als bei der Gemeinschaftspraxis arbeitet somit jede Ärzt:in für sich.

Die Praxisgemeinschaft ist eine reine Kostengemeinschaft, d. h. gemeinsame Kosten für gemeinsames Personal, Mieten u. a. Praxisgemeinkosten werden auf die Mitglieder der Kostengemeinschaft nach einem Schlüssel verteilt. Dennoch bleibt in dieser Form der Gemeinschaft das höchstmögliche Maß an Selbstständigkeit erhalten. Natürlich gibt es mögliche Vertretungsregelungen auch für eine Zusammenarbeit in Form der Praxisgemeinschaft, allerdings gelten dann die Regeln wie zwischen nicht verbundenen Praxen. Dennoch gilt es, mit der Kolleg:in die Details der Kostenteilung im Vorfeld abzustimmen, um zukünftige Konflikte zu vermeiden.

Einstieg in eine Praxisgemeinschaft

Der Einstieg in eine Praxisgemeinschaft ist eine Mischung aus Einzelpraxis und Gemeinschaftspraxis. Sie einigen sich mit der Abgeber:in des KV-Sitzes auf den Kaufpreis. Vorausgehend ist das Nachbesetzungsverfahren nach § 95 SGB V, wonach der Kassensitz ausgeschrieben werden muss. Es folgen Finanzierung und Kaufvertrag. Alsdann steigen Sie in den Praxisgemeinschaftsvertrag ein. Dabei sind die gemeinsamen Kosten zu definieren und der Verteilungsschlüssel festzulegen.

Fazit: Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Selbstständigkeit als Hausärzt:in ein Abenteuer ist, das sich lohnt. Ein bisschen Mut, die Geschicke selbst in die Hand zu nehmen, gehört dazu. Dafür bekommen Sie frei gestaltbare Arbeitszeiten und ein Einkommen, das Sie selbst steuern können.

Woman‘s Networking Lounge: Ein starkes Netzwerk für Medizinerinnen
Das Thema dieses Beitrags war gleichzeitig Teil der Webinar-Reihe "Gründungsberatung für Medizinerinnen", welches von der Woman‘s Networking Lounge veranstaltet wurde. Die Woman‘s Networking Lounge hat sich der Idee verschrieben, Frauen innerhalb einer Berufsgruppe bei ihren spezifischen beruflichen Herausforderungen zu unterstützen und hat sich hierbei insbesondere auf Ärztinnen spezialisiert. Austausch und Information innerhalb eines starken Netzwerks stehen an erster Stelle. In verschiedenen Webinaren referieren Expert:innen zu verschiedenen Themen rund um Gründungsberatung, Unternehmergeist, Privatliquidation oder Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Zu den beiden letztgenannten Themen finden am 10. März bzw. am 6. April 2020 die nächsten Webinare statt. Weitere Informationen finden Sie auf der Website.



Autorin

Runa Niemann

Steuerberaterin bei ADVITAX Steuerberatungsgesellschaft mbH,
Fachberaterin Gesundheitswesen (IBG/HS Bremerhaven),
systemischer Coach
Rostock

Erschienen in: doctors|today, 2021; 1 (2) Seite 48-50