Die Nutzung und Verbreitung elektronischer Medien und Anwendungen ist in den vergangenen Jahren stetig gewachsen. Aktuell werden zunehmend Anstrengungen vorgenommen, über Digitalisierung von Prozessen auch das ärztliche Handeln zu unterstützen und die Patientenversorgung zu optimieren. Die moderne Praxis-EDV bietet zahlreiche Funktionen zur Patientensteuerung. Derzeit ist jedoch unklar, in welchem Maße diese in der täglichen Praxis genutzt werden. Eine Umfrage soll Aufschluss geben und Verbesserungspotential aufzeigen.

In einer vom IGES-Institut im Auftrag der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) durchgeführten repräsentativen Erhebung wurde der Digitalisierungsgrad in deutschen Arztpraxen erfasst. Die Erhebung wurde in mehr als 2.000 deutschen Arztpraxen durchgeführt. Den aktuell veröffentlichten Daten zufolge nutzen 76 % der Arztpraxen ihre Patientendokumentation mehrheitlich oder vollständig digitalisiert. Termine und Wartezeiten werden in etwa der Hälfte der Praxen digital organisiert. Etwa 85 % der Praxen kommunizieren mit anderen Ärzten und Psychotherapeuten fast ausschließlich papierbasiert. Die Kommunikation mit Krankenhäusern erfolgt in 93 % papierbasiert [1].

Die Umfrage

In Zusammenarbeit mit Ärzten und Experten, die einheitliche Möglichkeiten der Unterstützung von Arbeitsabläufen durch verschiedene Praxis-EDV-Systeme identifiziert haben, wurde eine Rechner-unterstützte persönliche Befragung (Computer Assisted Personal Interviewing, CAPI) zur Erfassung von Praxismerkmalen mit Multiple-Choice- und offenen Fragen (Mixed Methods) in Zusammenarbeit mit dem Monheimer Institut für Marken- und Medienforschung GmbH & Co. KG entwickelt. Inhaltlich wurden drei Themenbereiche erfasst:

1. die Nutzung der EDV für die Erstellung von Patientenlisten

2. die Nutzung der Praxis-EDV zur Unterstützung von Disease-Management-Programmen (DMP) und

3. die Nutzung der Praxis-EDV zur Optimierung der medikamentösen Therapie auf Patientenebene.

500 Ärztinnen und Ärzte im gesamten Bundesgebiet wurden prospektiv durch Außendienstmitarbeiter der Apontis Pharma GmbH & Co. KG um ihre Teilnahme gebeten. Die erhobenen Daten wurden anonymisiert erfasst und mittels deskriptiver Statistik ausgewertet.

274 Ärztinnen und Ärzte nahmen an der Befragung teil. 70 % der Befragten waren Fachärzte für Allgemeinmedizin, 28 % hausärztlich tätige Internisten (1 % ohne Angabe).

Zu welchem Zweck wird die EDV genutzt?

Obwohl die elektronischen Voraussetzungen mit der Praxis-EDV vorliegen, erfolgt die Nutzung der verfügbaren Möglichkeiten nur in einem geringen Maße. Eine Übersicht darüber, zu welchen Zwecken in den befragten Praxen EDV-basierte Listen geführt werden, können Sie Abbildung 1 entnehmen. Durch den Ausbau der Recall-Funktionen könnten sowohl Maßnahmen für DMP-Patienten als auch Vorsorgemaßnahmen und erforderliche Impfungen strukturierter und regelmäßig unterstützt werden. In 2/3 der Praxen werden die eingeschriebenen DMP-Patienten regelmäßig über die Praxis-EDV dokumentiert, aber um DMP-Patienten zu identifizieren wird in nur 10 % die Praxis-EDV herangezogen. Dabei bietet die Praxis-EDV die Möglichkeit, über die Eingabe von Suchkriterien potentielle DMP-Patienten herauszufiltern. Die Entscheidung über die Aufnahme in ein DMP ist zwar eine ärztliche Tätigkeit. Die Vorauswahl könnte aber delegiert werden und mit Hilfe der Praxis-EDV erfolgen. Dadurch könnten vermutlich mehr Patienten als bisher von DMP-Programmen profitieren. Laut der Umfrage trifft die Entscheidung bei der Auswahl der Patienten nur in 10 % die MFA nach Sichtung von Tageslisten in der Praxis-EDV. Auch die Führung von Chronikern oder Geriatrie-Patienten erfolgt nur bei einem Fünftel der befragten Ärzte über die Praxis-EDV.

EDV unterstützt Verordnung?

Die Gründe für eine Zusammenfassung von mehreren Substanzen in einer Tablette sind vielfältig und entsprechen im Wesentlichen evidenzbasierten Erkenntnissen, die die Basis von Leitlinienempfehlungen sind [2]. Allerdings wurden die aktuellen Leitlinienempfehlungen nicht als Grund für eine Therapieanpassung genannt. Dies könnte an einer mangelnden Information liegen.

Nur 8 % der Befragten nutzen die Praxis-EDV regelmäßig zur Identifizierung von Patienten, bei denen die Therapie vereinfacht werden könnte. Es wäre wünschenswert, dass Leitlinienempfehlungen stärker in der Praxis umgesetzt und die Möglichkeiten der vorhandenen digitalen Werkzeuge stärker genutzt werden, um die Patientenversorgung leitliniengerecht zu optimieren.

Offenbar sind viele Funktionen, die zu einer Erleichterung im Praxisalltag führen können, nicht bekannt. Hier ist ein Potential für die Optimierung von Arbeitsabläufen vorhanden, das nur in geringem Umfang ausgeschöpft wird. Eine stärkere Nutzung könnte die Patientensteuerung optimieren und zu einer Zeitersparnis führen, wenn diese überwiegend digital und nicht analog erfolgt. Die Nutzung entsprechender Funktionen sollte Bestandteil regelmäßiger Fortbildungen – z. B. beim Aktualisieren der Praxissoftware – sein. Dies könnte zu einer besseren Patientenversorgung beitragen. Inwieweit diese Hypothese haltbar ist, sollte Gegenstand weiterer Untersuchungen sein.


Literatur
1. Krüger-Brand HE: PraxisBarometer Digitalisierung: Ausgebremst durch etliche Hürden. Dtsch Arztebl 2019; 116 (46): A-2112 / B-1730 / C-1690
2. Williams et al., ESC/ESH Guidelines for the management of arterial hypertension. European Heart Journal 2018; 39, 3021–3104



Autoren:
Dr. med. Thomas Schramm (1)
Judith Krause
Dr. rer. nat. Andrea Noetel (2)
Dr. med. Olaf Randerath (2)

1) Kardiologische Praxis, Köln-Rodenkirchen
2) APONTIS PHARMA GmbH & Co. KG

Interessenkonflikte: Frau Dr. Noetel und Herr Dr. Randerath sind in der Medizinischen Abteilung der APONTIS PHARMA GmbH & Co. KG beschäftigt.


Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2020; 42 (12) Seite 50-53