Welche Hygienefragen spielen für die ärztliche niedergelassene Praxis derzeit eine Rolle, wo muss der Praxisinhaber sich aktuell engagieren? Was ist generell zu beachten, um in der Arztpraxis hygienisch einwandfrei zu arbeiten?

Hygiene spielt eine herausragende Rolle in der medizinischen Praxis – sowohl im stationären wie auch im ambulanten Bereich. Nicht zuletzt durch eine reißerische Berichterstattung der Medien über Hygieneprobleme in medizinischen Einrichtungen wurde die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf dieses Thema gelenkt. Auch die zunehmende medizinische Problematik multiresistenter Keime, z. B. in Form der 2012 neu klassifizierten „Multiresistenten Gram-negativen Erreger“ (MRGN), zwang den Gesetzgeber in jüngster Vergangenheit, umfassende und detaillierte Vorgaben u. a. für die medizinische Praxis festzulegen. Gleichzeitig werden jedoch auch Fortschritte in der Eindämmung bzw. bei der Handhabung von Kolonisation oder Infektionen mit sogenannten „Problemkeimen“ erkennbar.

Anbruch- oder Verfallsdatum vermerken

Ein wichtiges Thema der Praxishygiene ist der richtige Umgang mit Medikamenten, der zu den sensiblen Bereichen der Arztpraxis zählt. Zur notwendigen Vorbereitung für das Aufziehen von Spritzen zum Beispiel oder zum Vorbereiten von Infusionen gehört eine hygienische Händedesinfektion ebenso wie eine Wischdesinfektion der Arbeitsfläche. Hierzu stehen unterschiedliche Desinfektionsmittel für Hände oder Oberflächen zur Verfügung, deren Anwendungsvorgaben individuell beachtet werden müssen (Menge, Einwirkzeit). Des Weiteren müssen die Medikamente, die zur Applikation vorbereitet wurden, eindeutig beschriftet sein und dürfen nicht länger als 1 h vor der Anwendung (Injektion intravenös und intramuskulär) fertiggestellt werden. Angebrochene Gebinde müssen das Anbruchdatum oder – zur einfacheren Handhabung – das Verfallsdatum tragen. Es gilt stets zu beachten, ob der Hersteller ausdrücklich auf den Einmalgebrauch hinweist und damit bei einer Mehrfachentnahme die Haftung an den Anwender übergibt. Für den Praxisinhaber bedeutet dies, dass er sich bei der Nutzung von Großgebinden über die eigenen Prozesse und deren Sicherheit im Klaren sein muss. Dies kann neben Medikamenten auch Packungen mit Verbandmaterial betreffen, die nach einer ersten Entnahme nicht mehr als steril angesehen werden können.

Hände: fünf Kontrollpunkte

An allererster Stelle der Hygienemaßnahmen ist die Händehygiene zu nennen. Der sachgerechte und effiziente Einsatz von Händewaschen, hygienischer Händedesinfektion und Handschuhen gewährleistet einen Großteil der guten Hygiene. Händewaschen ist zu Beginn und am Ende des Arbeitstages, nach Toilettenbenutzung, vor dem Essen, nach Niesen, Schnäuzen und Husten sowie bei Verschmutzung der Hände notwendig. Um Schädigungen der Haut zu vermeiden, sollte das Waschen der Hände auf das sinnvolle und notwendige Maß beschränkt werden. Für die Händedesinfektion dienen die mittlerweile international ausgewiesenen „fünf Kontrollpunkte“ als wichtige Orientierung: 1. vor und nach jedem Patientenkontakt, 2. vor invasiven Maßnahmen, 3. vor dem Kontakt mit Körperstellen, die vor Kontamination geschützt werden müssen, 4. nach dem Kontakt mit patientennahen Oberflächen sowie 5. – und das ist besonders wichtig – nach dem Ausziehen der benutzten Handschuhe. Erwiesenermaßen sind unsterile medizinische Handschuhe zu einem relevanten Anteil durch Löcher und Risse beschädigt und bieten damit keinen umfassenden Schutz. Nutzen sollte man Handschuhe beim Umgang mit (potenziell) infektiösen Materialien, bei möglichem direkten Kontakt mit kontaminierten Körperstellen sowie bei Verletzungen an den eigenen Händen zum Eigenschutz.

Zur Desinfektion von Flächen und Gegenständen wie auch der Hände dürfen nur Lösungen aus Originalgebinden von Desinfektionsmitteln verwendet werden, die in der Liste des „Verbunds für angewandte Hygiene“ (VAH) aufgeführt sind. Desinfektionsmittel dürfen keinesfalls um- oder aufgefüllt werden, da hier eine erhebliche Kontaminationsgefahr besteht und der Gesetzgeber dies nur unter ganz bestimmten Auflagen erlaubt. Falls in der Praxis Instrumente aufbereitet werden müssen, unterliegen die dazu eingesetzten Vorgänge, Geräte und Prozesse strengen Richtlinien, die das Robert Koch-Institut 2012 nochmals verschärft und konkretisiert hat. Nicht selten stellt sich die Frage, ob diese aufwendigen Strukturen im eigenen Arbeitsbereich vorgehalten werden sollen. Die Aufbereitung durch ein beauftragtes Unternehmen oder der Einsatz von Einmalinstrumenten können dem individuellen Bedarf besser angemessen sein.

Diese Aspekte sollte der Hygieneplan berücksichtigen:

Personalhygiene

Instrumentenaufbereitung und Sterilgutlagerung

Reinigung und Flächendesinfektion

Wäschehygiene

Abfallhygiene

Infektionsschutz des Patienten

Infektionserfassung und Meldepflichten

Vorgehen bei hygienisch-mikrobiologischen Untersuchungen

Schulungen (regelmäßig)

Der Hygieneplan

Die genannten Informationen und Vorgaben müssen in einem Hygieneplan zusammengefasst und aktuell dokumentiert werden. Sowohl § 36 Infektionsschutzgesetz als auch die TRBA 250 schreiben einen solchen Plan für jede Arztpraxis vor. Damit ist eine Sammlung der praxisinternen Richtlinien zum Beispiel zur Desinfektion und Reinigung gefordert, in der Angaben über die Reinigungsfrequenz der relevanten Bereiche, die eingesetzten Desinfektionsmittel oder die vorgesehenen Schutzmaßnahmen für das Personal niedergelegt sind. Der Hygieneplan muss in regelmäßigen Abständen überarbeitet und aktualisiert werden und er sollte jedem Mitarbeiter der Praxis bekannt und leicht zugänglich sein. Der Hygieneplan kann in papiergebundener wie auch in elektronischer Form erstellt werden. Er muss sich nur an wenigen formalen Vorgaben orientieren; Orientierungshilfen halten die kassenärztlichen Vereinigungen oder auch einige Hygiene-Institute bereit.

Wichtig sind die konkrete Angabe von verantwortlichen Mitarbeitern für die aufgeführten Tätigkeiten sowie die Angaben zum Überarbeitungsstatus (Datum der Erstellung sowie geplantes Revisionsintervall im Sinne gelenkter Dokumente). Ergänzend zu diesem zentralen Dokument müssen Reinigungs- und Desinfektionspläne erstellt und in allen relevanten Bereichen wie Sprechzimmer, Labor, Funktionseinheit oder Patiententoilette sichtbar ausgehängt werden. Besonders hier ist es wichtig, die Angaben zu den eingesetzten Reinigungs- und Desinfektionsmitteln aktuell zu halten. Denn spätestens wenn die aufsichtführende Behörde zu einer Begehung in den Praxisräumen erscheint, können veraltete Angaben zu unangenehmen Fragen führen. Nach dem neuen Infektionsschutzgesetz können Gesundheitsamt oder Gewerbeaufsichtsamt nicht nur ereignisbezogen Begehungen durchführen, sondern diese als routinemäßige Kontrollen auch unangemeldet vornehmen. Stellt die Behörde hierbei gravierende Mängel fest, können erhebliche Auflagen oder sogar die Schließung der Praxis drohen. Es ist deshalb ratsam, die genannten Verhältnisse und Voraussetzungen für das Hygienemanagement in der Praxis zu schaffen. Letztlich werden so auch die interessierten Patienten in ihrer Wahrnehmung bestärkt, dass hier gute Medizin mit der nötigen hygienischen Sorgfalt zum Wohle des Patienten erbracht wird.

Rangfolge der Verbindlichkeit

Umfangreiche Informationen zum Thema hygienisch einwandfreies Arbeiten im medizinischen Bereich hält das Robert Koch-Institut (RKI) auf seiner Website bereit (www.rki.de). Durch das RKI beziehungsweise die „Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention“ (KRINKO) am RKI werden verbindliche Vorgaben zu nahezu allen relevanten Themen der Praxishygiene erstellt. Eine Rangfolge der Verbindlichkeit erleichtert dem Anwender die Einschätzung von hygienischen Anforderungen. Hier unterscheidet die KRINKO zwischen Kategorie Ia (ein „Muss“ in der Umsetzung, da ausreichend evidenzbasiert) bis zur Kategorie III, in der eindeutige Befunde zu den Aussagen nicht vorliegen und eine klare Verpflichtung zur Umsetzung fehlt. Ergänzend finden sich dazu noch die Aussagen der sehr wichtigen Kategorie IV, die im engeren Sinne gesetzliche Vorgaben darstellen und unbedingt umgesetzt bzw. eingehalten werden müssen.

Diese Informationen und Kategorien ergeben ein Bild der derzeit sinnvollen und vorgegebenen Hygienemaßnahmen im jeweiligen Arbeitsbereich. Wenn eine Neuorganisation des Hygienemanagements in der Praxis ansteht oder spezielle Fragen für die konkrete Umsetzung bestehen, kann die Unterstützung durch einen Fachmann wie den Krankenhaushygieniker oder eine Hygienefachkraft eine wertvolle Hilfe sein.


Stefan Knapp


Kontakt:
Dr. med. Stefan Knapp
Facharzt für Anästhesie, Krankenhaushygieniker
Institut für Medizinische Diagnostik GmbH
55218 Ingelheim

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2014; 36 (1) Seite 27-28