Seit dem 4. August 2011 gilt in Deutschland ein neues Infektionsschutzgesetz (IfSG). Alle Bundesländer sind nun verpflichtet, Hygieneverordnungen zu erlassen. Außerdem sind damit die bestehenden Empfehlungen des Robert Koch-Instituts (RKI) für alle gesundheitlichen Einrichtungen bindend. Welche Neuregelungen auch die ärztliche Praxis betreffen und was der Hausarzt beachten sollte, lesen Sie im folgenden Beitrag.

Viele Vor- und Zwischenfälle haben die hygienischen Zustände in Gesundheitseinrichtungen in den Blickpunkt des öffentlichen Interesses gerückt. Immer häufiger kommt es in diesem Zusammenhang auch zu juristischen Klärungen der Sachverhalte. Aus Sicht der Patienten ist die Hygiene ein äußerst wichtiges Qualitätskriterium geworden, das einen ähnlich hohen Stellenwert wie die ärztliche Leistung besitzt. Die Vorgaben der neuen Gesetze (vgl. Übersicht 1) tragen dieser Sachlage Rechnung und haben die Überwachungsfrequenz ärztlicher Praxen hierzulande deutlich ansteigen lassen.

Nicht nur wer in seiner Praxis auch ambulante Operationen (dazu zählt auch „Kleine Chirurgie“) durchführt, sondern jeder niedergelassene Arzt sollte wissen, dass

  • die gesetzlichen Vorgaben sowie die Hygieneempfehlungen des RKI umzusetzen sind;
  • ein aussagekräftiger Hygieneplan erstellt und vorgehalten werden muss;
  • er die Meldepflichten kennen muss;
  • alle Praxismitarbeiter sich in Sachen Hygiene regelmäßig fort- und weiterbilden müssen und
  • sog. „Hygienebeauftragte“ zu benennen sind, die sich um die Umsetzung der Hygiene in der Praxis kümmern.

Wichtige Paragraphen im Infektionsschutzgesetz

Das Infektionsschutzgesetz (IfSG) löste Anfang 2001 das Bundesseuchengesetz aus dem Jahre 1961 ab und wurde im Sommer 2011 – nicht zuletzt als Reaktion der Politik auf einige „Hygieneskandale“ – überarbeitet. Eine Reihe von Paragraphen in diesem Gesetz beinhalten hygienisch relevante Vorgaben.

§ 36 IfSG ist neben den Kliniken auch für niedergelassene Praxen von maßgeblicher Bedeutung. Er besagt, dass Arzt- und Zahnarztpraxen sowie Einrichtungen sonstiger Heilberufe, in denen invasive Eingriffe vorgenommen werden, durch das Gesundheitsamt infektionshygienisch überwacht werden können. Bis zum Jahre 2001 war nur eine sogenannte „ereignisbezogene Begehung“ – also aufgrund eines konkreten Verdachtes oder einer Anzeige – möglich. Weiter sieht dieser Paragraph die innerbetriebliche Festlegung von Hygieneplänen mit konkreten hygienischen Inhalten sowie Verfahrensanweisungen zur Infektionshygiene auch in Einrichtungen für ambulantes Operieren vor, welche den Kontrollbehörden auf Verlangen vorgelegt werden müssen.

Für Praxen ist § 6 IfSG ebenfalls relevant. Er beinhaltet die namentliche Meldung bei Verdacht, Erkrankung oder Tod durch bestimmte Infektionskrankheiten (vgl. Übersicht 2). Seit 2012 wird die Ausweitung der Meldepflicht auf Röteln, Mumps, Windpocken und Keuchhusten beraten. Zusätzlich sieht § 6 auch eine Meldepflicht bei gehäuftem Auftreten nosokomialer Infektionen vor. Ein meldepflichtiger Infektionsausbruch kann schon bei zwei oder drei Fällen vorliegen, wenn Hinweise für eine Übertragung von Patient zu Patient vorhanden sind. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn es (wie nicht selten im Frühjahr) zu massenweisem Auftreten von Norovirus-Erkrankungen kommt.

§ 7 IfSG listet die Krankheitserreger auf, bei denen eine namentliche Meldepflicht besteht, wenn der direkte oder indirekte Nachweis auf eine akute Infektion hinweist. Neu hinzugekommen ist die Meldepflicht von MRSA in Liquor und Blutkultur. In Hessen unterliegt zudem seit 2012 das Auftreten sog. Carbapenemasen resistenter ESBL-Bakterien (extended-spectrum Beta-Lactamasen) einer Labormeldepflicht.

In § 9 IfSG wird auf die namentliche Meldung der Erkrankten an das Gesundheitsamt eingegangen. Dabei müssen weit genauere Angaben als nach dem alten Bundesseuchengesetz gemacht werden (u. a. Alter, Geschlecht, Wohnort und Infektionsquelle im Ausland).

Wichtig ist auch § 23 IfSG. Er schreibt die fortlaufende Erfassung, Aufzeichnung, Auswertung und Bewertung nosokomialer Infektionen und Krankheitserreger mit speziellen Resistenzen und Multiresistenzen in einer gesonderten Niederschrift vor und besagt, dass dem zuständigen Gesundheitsamt auf Verlangen Einsicht in die Aufzeichnung zu gewähren ist. Zusätzlich müssen die in der Praxis aufgetretenen nosokomialen Infektionen, welche im Zusammenhang mit invasiven Eingriffen stehen (i. d. R. postoperative Wundinfektionen), aufgezeichnet und bewertet werden. Diese Aufstellungen sind den Kontrollbehörden auf Verlangen vorzulegen, wobei sie indes zu deren Mitnahme nicht befugt sind.

Seit 2011 haben auch Leiter von Arztpraxen sicherzustellen, dass alle erforderlichen Maßnahmen getroffen werden, um nosokomiale Infektionen zu verhüten und die Weiterverbreitung von Krankheitserregern, insbesondere solcher mit Resistenzen, zu vermeiden. Außerdem wird beim RKI eine neue Kommission für Antibiotika, Resistenzen und Therapie (ART) einberufen, um in Zukunft genaue Vorgaben zur Antibiotikatherapie sowohl in Klinik und Praxis zu geben. Diese momentan noch nicht verfügbaren Empfehlungen sind dann für die Ärzteschaft normativ.

Landeshygieneverordnungen mit verbindlichen Regelungen

Nach neuer Gesetzeslage sind Landeshygieneverordnungen nun für alle Bundesländer verpflichtend. Im Wesentlichen richten sie sich nach den RKI-Vorgaben, sind jedoch landesspezifisch verbindlich und nur in wenigen Punkten bundeslandspezifisch. So können etwa in Baden-Württemberg auch Tierärzte als Hygieniker arbeiten, während Hessen in Kliniken mit über 600 Betten verbindlich zusätzlich sogenannte Hygieneingenieure vorschreibt. In den Landeshygieneverordnungen werden die Anforderungen an die Organisation der Hygiene dezidiert beschrieben. Diese Vorgaben (festangestellte Hygienefachkräfte, hygienebeauftragte Ärzte etc.) sind primär auf Krankenhäuser zugeschnitten, aber auch bezüglich der ambulant operierenden Praxen und Dialysen werden genaue Regeln festgelegt. Diese müssen z. B. hygieneverantwortliche Ärzte benennen und laut neuem Gesetz muss zusätzlich der Verbrauch an Antibiotika erfasst werden und Antibiotika-Leitlinien Anwendung finden.

KRINKO-Empfehlungen sind umzusetzen

Das RKI ist die zentrale Einrichtung der Bundesregierung auf dem Gebiet der Krankheitsüberwachung und -prävention und als Gesundheitsbehörde auch für die Hygienevorlagen zuständig. Im § 23 IfSG heißt es: „Beim Robert Koch-Institut ist eine Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) eingerichtet, die Empfehlungen zur Prävention nosokomialer Infektionen sowie zu betrieblich-organisatorischen und baulich-funktionellen Maßnahmen der Hygiene in Krankenhäusern und anderen medizinischen Einrichtungen erstellt.“ Die KRINKO gibt in regelmäßigen Abständen Empfehlungen zu speziellen Hygienethemen heraus, die auf wissenschaftlichen Studien beruhen. Im Jahr 1999 wurden erstmals einzelne Empfehlungen mit einer Evidenzkategorie belegt. Je höher die wissenschaftliche Beweiskraft der vorhandenen Studien ist, desto nachdrücklicher wird die Umsetzung der Maßnahme empfohlen. Die für den Praxisbereich wichtigsten Empfehlungen listet Übersicht 3 auf (Download aller aktuellen Empfehlungen unter www.rki.de).

Für die Praxis heißt dies in Zukunft, dass die KRINKO-Empfehlungen umgesetzt werden müssen. Lediglich wenn neuere wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen, kann in begründbaren Fällen davon abgewichen werden.



Autor:

Dr. med. Georg-Christian Zinn

Facharzt für Kinderheilkunde/Hygiene und Umweltmedizin
Ärztliches Qualitätsmanagement
Infektiologie (DGI)
Leitender Hygieniker Bioscientia
55218 Ingelheim/Rhein

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2012; 34 (12) Seite 26-28