Die Abklärung möglicher importierter Infektionen nach Fernreisen begegnet auch Hausärzt:innen immer öfter. Besonders häufig sind gastrointestinale Beschwerden während oder nach Tropenreisen. Harmlose und selbstlimitierende Erkrankungen sind hier von gravierenden Infektionen abzugrenzen, wobei eine Stufendiagnostik hilfreich sein kann. In diesem Beitrag wird ein Überblick über das diagnostische und therapeutische Vorgehen bei gastrointestinalen Infektionen nach Fernreise vorgestellt.

Bei Fernreisen in die Tropen und die Subtropen sind Durchfallerkrankungen am häufigsten – sie reichen von harmlosen selbstlimitierenden Infektionen bis zu schweren Krankheitsbildern wie Typhus. Reiseassoziierte Durchfälle kommen bei bis zu 60 % der Reiserückkehrer aus Industrienationen vor, besonders nach Aufenthalten in Asien, Afrika sowie Süd- und Mittelamerika [1, 13]. Infektiöse Ursachen einer Reisediarrhö können viraler, bakterieller und parasitärer Genese sein (vgl. Tabelle 1) [5]. In vielen Fällen leichter Erkrankungen erfolgt keine mikrobiologische Diagnostik. Einige bedeutsame Erreger gastrointestinaler Infektionen sind jedoch meldepflichtig. So wurden im Jahr 2018 nach Angaben des Robert Koch-Instituts in Deutschland etwa 700 Fälle von Shigellose und knapp 100 Typhus/Paratyphus-Infektionen diagnostiziert. Im Bereich der Parasitosen war Giardia lamblia mit etwa 3.500 gemeldeten Infektionen führend, wobei etwa 55 % der Erkrankungen auf Reisen akquiriert wurden [11].
Man sollte zudem nicht vergessen, dass auch die Malaria, von der etwa 900 importierte Infektionen gemeldet wurden, mit einer Durchfallsymptomatik einhergehen kann (vgl. Kasuistiken). Auch die impfpräventable Hepatitis A (298 gemeldete, im Ausland erworbene Fälle) spielt eine Rolle [12].


Kasuistiken

Fall 1

Ein Medizinstudent stellt sich zwei Tage nach Rückkehr von einer dreiwöchigen Reise durch Kamerun vor. Er klagt über ausgeprägte wässrige Diarrhöen seit dem Morgen des vorigen Tages sowie über hohes Fieber bis 39,7 °C. Er fühlt sich sehr krank und hatte sich am Vorabend bereits in einer Kliniknotaufnahme vorgestellt, wo die Diagnose "Diarrhö nach Tropenreise" gestellt wurde und dem Patienten Ciprofloxacin oral verschrieben wurde.

Welche Differenzialdiagnose ist wichtig?

Die weitere Diagnostik einer Blutprobe ergab, dass der Patient an einer schweren Malaria tropica durch Plasmodium falciparum mit einer Parasitämie von 4 % erkrankt war. Die Malaria ist eine potenziell tödlich verlaufende Erkrankung, die neben Fieber auch zu Diarrhöen und anderen unspezifischen Symptomen führen kann. Bei jedem Fieber nach Tropenreise muss daher umgehend eine Malaria mittels Mikroskopie einer Blutprobe ausgeschlossen werden!

Fall 2

Eine Frau sucht etwa drei Monate nach einem mehrwöchigen Aufenthalt in ländlichen Regionen Äthiopiens ärztlichen Rat. Sie berichtet über wässrige Durchfälle sowie peranalen Abgang "wurmähnlicher Strukturen", die ihr im Stuhl aufgefallen seien. Es wird eine Bluteosinophilie von 8 % festgestellt. Auf spezifische Nachfrage berichtet die Patientin, mehrfach in äthiopischen Restaurants Rindfleischgerichte verzehrt zu haben, wobei das Fleisch nicht immer vollständig durchgebraten schien.

Welche Verdachtsdiagnose stellen Sie?

In der mikrobiologischen Stuhluntersuchung fanden sich bereits makroskopisch wurmartige Strukturen, die als Proglottiden eines Bandwurms identifiziert wurden. Mikroskopisch konnten die Proglottiden als Teile des Rinderbandwurms Taenia saginata identifiziert werden, im Stuhl fanden sich darüber hinaus zahlreich Taenia-Eier. Die Patientin wurde mit Praziquantel oral behandelt, was zu einer vollständigen Rückbildung der Symptomatik führte. Eine vier Wochen später durchgeführte parasitologische Stuhluntersuchung zeigte einen Normalbefund.

Wichtige Krankheitsbilder

Bei der Abklärung gastrointestinaler Infektionen eines Reiserückkehrers sollte man die Art der Reise, deren Dauer, die Jahreszeit, das Reiseland und den Zeitpunkt der ersten Symptome erfragen. In Abhängigkeit des Agens lassen sich vereinfacht vier Bereiche zusammenfassen: bakterielle, virale, parasitäre und toxinabhängige gastrointestinale Erkrankungen. Die Inkubationszeit ist bei toxinabhängigen Erkrankungen mit wenigen Stunden die kürzeste, gefolgt von viralen und bakteriellen Erkrankungen (Stunden bis Tage). Parasitäre Erkrankungen hingegen verursachen meist erst nach zwei oder mehr Wochen erste Beschwerden.Lebensmittelvergiftungen stehen typischerweise im Zusammenhang mit dem Verzehr bestimmter Speisen. Diese können z. B. durch Toxine von Staphylococcus aureus oder Bacillus cereus bedingt sein. In den Tropen kommt es nach Verzehr von Riff-Fischen häufig zu der Erkrankung Ciguatera, die neben Diarrhöen und Erbrechen auch mit neurologischen Symptomen einhergehen kann [3].

Bei Inkubationszeiten von wenigen Tagen ist primär an bakterielle, aber auch an virale Erreger zu denken [6]. In der Routinediagnostik haben sich neben kulturellen Verfahren zum Nachweis bakterieller Erreger wie Campylobacter, Salmonella und Yersinia in den letzten Jahren zunehmend molekulardiagnostische PCR-Tests etabliert, wodurch immunologische Antigentests an Bedeutung verloren haben [10]. Zur Diagnostik pathogener Escherichia-coli-Stämme wie den enterotoxinbildenden E. coli (ETEC) oder den enteroinvasiven E. coli (EIEC) werden vornehmlich PCR-Verfahren eingesetzt, ebenso wie für den Nachweis von Viren. Blutbeimengungen im Stuhl sind ein wichtiges differenzialdiagnostisches Kriterium und können auf Campylobacter, EIEC oder Shigella hinweisen.

Wichtig sind neben der klassischen Enteritis auch gastrointestinale Infektionen wie Hepatitis A und E mit langer Inkubationszeit und deshalb häufig fehlender Assoziation zur Reise. Symptome sind meist eine unklare Beeinträchtigung des Allgemeinzustands, ein Ikterus oder eine Transaminasenerhöhung, gelegentlich findet sich ein Zusammenhang mit besonderen Lebensmitteln (z. B. importierten Datteln) [4]. Bei persistierender Diarrhö (über zwei Wochen) ist auch an parasitäre Erreger zu denken und eine mikroskopische und gegebenenfalls PCR-basierte Diagnostik anzufordern [9]. Bei speziellen Indikationen kann auch eine serologische Diagnostik und ein Differenzialblutbild (Eosinophilie?) sinnvoll erscheinen (z. B. bei Verdacht auf Wurminfektionen) [8].

Therapie

Enteritiden sollten in Abhängigkeit der Krankheitsschwere therapiert werden. Im Regelfall reicht bei milden und moderaten Verläufen eine symptomatische Therapie aus, die vor allem in einer ausreichenden oralen Flüssigkeitsaufnahme besteht [2]. Motilitätsmindernde Therapien (z. B. durch Loperamid) werden nicht regelhaft empfohlen, da diese auch die Clearance von Erregern aus dem Gastrointestinaltrakt verzögern können. Bei gleichzeitiger Applikation von Antibiotika scheint auch ein höheres Risiko für die Entstehung resistenter Keime zu bestehen [7]. Vor allem bei hämorrhagischer Gastroenteritis sollte keine Loperamid-Therapie erfolgen. Falls erforderlich (z. B. ausgeprägte Diarrhöen vor langem Rückflug), sollte die Patient:in initial 4 mg (zwei Tabletten) einnehmen, im Bedarfsfall ist dies auf maximal 16 mg täglich zu steigern. Antibiotika sollte man nur bei schweren Diarrhöen und deutlicher Beeinträchtigung des Allgemeinzustands einsetzen. Fluorchinolone (z. B. Ciprofloxacin) sind aufgrund des Nebenwirkungsprofils (Rote-Hand-Briefe in den vergangenen Jahren!) und der steigenden Resistenzraten nicht mehr uneingeschränkt Mittel der ersten Wahl. Zwar kann Ciprofloxacin in der empirischen Behandlung häufig wirksam sein [13], besonders bei in Südostasien erworbenen Infektionen sollte man aufgrund der dort hohen Fluorchinolon-Resistenzen jedoch eher das Makrolid-Antibiotikum Azithromycin bevorzugen.

Bei parasitären Erkrankungen sollte man einen mikrobiologischen Erregernachweis anstreben. Während Metronidazol gegen Protozoen wie Entamoeba histolytica oder Giardia lamblia gut wirksam ist, hängt die Therapiewahl bei intestinalen Würmern von der verursachenden Spezies ab und sollte bei komplizierten Fällen in Rücksprache mit einem tropenmedizinischen Zentrum erfolgen.

Essentials: Wichtig für die Sprechstunde
  • Bei gastrointestinalen Infektionen von Reiserückkehrern sollte man Reiseland, -art, -dauer, Jahreszeit und Zeitpunkt des Auftretens der Symptome erfragen.
  • Vier Bereiche sind zu unterscheiden: bakterielle, virale, parasitäre und toxinabhängige gastrointestinale Erkrankungen.
  • In der Routinediagnostik haben sich zunehmend molekulardiagnostische PCR-Tests etabliert.
  • Die Antibiotikagabe ist nur bei schweren Diarrhöen angezeigt.
  • Vorsicht bei der Gabe von Fluorchinolonen (z. B. Ciprofloxacin) – wegen Nebenwirkungen (Rote-Hand-Briefe)!
  • Bei intestinalen Würmern sollte man in schwierigen Fällen mit einem tropenmedizinischen Zentrum zusammenarbeiten


Literatur:
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Friedman MA, Fleming LE, Fernandez M, et al. Ciguatera fish poisoning: treatment, prevention and management. Mar Drugs. 2008;6(3):456-479.
Gassowski M, Michaelis K, Marosevic D, Helmeke C, Wenzel J: Datteln als wahrscheinliches Vehikel in einem Hepatitis-A-Ausbruch unter Reiserückkehrern aus Marokko, 2018. Epid Bull 2019;25:215-220.
Giddings SL, Stevens AM, Leung DT. Traveler‘s Diarrhea. Med Clin North Am. 2016;100(2):317-30.
Jiang ZD and DuPont HL. Etiology of travellers’ diarrhea. J Travel Med. 2017;24:S13–S16.
Kantele A, Mero S, Kirveskari J, Lääveri T. Increased risk for ESBL-producing bacteria from co-administration of loperamide and antimicrobial drugs for travelers’ diarrhea. Emerg Infect Dis. 2016;22(1):117-120.
Khurana S, Sethi S. Laboratory diagnosis of soil transmitted helminthiasis. Trop Parasitol. 2017;7(2):86-91.
Okhuysen PC. Traveler‘s diarrhea due to intestinal protozoa. Clin Infect Dis 2001;33(1):110-4.
Platts-Mills JA, Liu J, Gratz J, Mduma E, Amour C, Swai N, et al. Detection of Campylobacter in stool and determination of significance by culture, enzyme immunoassay, and PCR in developing countries. J Clin Microbiol. 2014;52:1074-80.
Robert Koch-Institut. https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2019/Ausgaben/48_19.pdf?__blob=publicationFile
Rothe C. et al. Reiseimpfungen – Hinweise und Empfehlungen. Flugmedizin, Tropenmedizin, Reisemedizin 2020, 27. DOI 10.1055/a-1111-8105
Steffen R, Hill DR, DuPont HL. Traveler’s diarrhea: a clinical review. JAMA. 2015;313:71-80.



Autor:innen:

© Rüdiger Koop
Prof. Dr. med. Sören L. Becker

Dr. med. Fabian K. Berger
Dr. med. Sophie Schneitler
Ambulanz für Reise- und Tropenmedizin und Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene,
Universitätsklinikum des Saarlandes
66421 Homburg/Saar

Interessenkonflikte: Prof. Dr. med. Sören L. Becker erhielt Vortragshonorare von Astellas Pharmaceuticals, Becton Dickinson, MSD, Novartis und Pfizer. Er ist Mitglied eines Advisory Boards der Firma Pfizer.
Dr. med. Fabian K. Berger erhielt Vortragshonorare von MSD.
Dr. med. Sophie Schneitler ist Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Tropenmedizin und Globale Gesundheit e. V.


Erschienen in: doctors|today, 2020; 1 (1) Seite 52-55