Der Bieszczady Nationalpark im Osten Polens ist eine der wenigen Berggegenden in Europa mit einer gut erhaltenen einheimischen Flora und Fauna. Ungefähr 80 % der Fläche sind von Wäldern bestanden. Im Bieszczady-Nationalpark sind relativ viele Arten beheimatet, die in anderen Teilen Europas als bedroht oder selten gelten. Bären, Wölfe, Wisente und Luchse sind ein besonders wertvolles Element der hiesigen Natur. Dass man aber tatsächlich einem Wolf begegnet, ist eher unwahrscheinlich, hat unsere Reiseautorin Heidrun Lange festgestellt.

Zwischen Wald und Wiesen geht es vorbei an Holzkirchen, Storchennestern und kleinen Schafherden. Wir sind in der Bieszczady. Der 1973 gegründete Park ist 292 Quadratkilometer groß und das reinste Naturparadies. Das Schutzgebiet befindet sich im polnischen Karpatenvorland. "4.000 Tierarten leben im Nationalpark, darunter Wölfe, Luchse, Bären, Großwild und Wisente", zählt Reiseleiter Leszek jene Tiere auf, nach denen Besucher immer als Erstes fragen.

Natur und Kultur

Eine Gegend nur für Naturliebhaber? Nicht nur. Es ist für Outdoorfreaks und Kulturliebhaber alles da. Die alten Holzkirchen zum Beispiel in Haczów und Blizne gehören zum Weltkulturerbe der UNESCO. Oder die Stadt Rzeszów besticht mit einer wunderschönen, restaurierten Altstadt, die zum Bummeln und Kaffeetrinken einlädt und interessante Führungen anbietet. So zum Beispiel die Untergrundtour, die durch alte, zu großen Teilen verbundene Kellergewölbe führt, die ein Labyrinth unter der Stadt bilden, das über die Jahrhunderte viele skurrile Schätze beherbergte.

Reise-Informationen
Der Bieszczady-Nationalpark befindet sich seit 1973 im Süden der Waldkarpaten. Durch den Nationalpark führen zahlreiche Wanderwege. Im Sommer können Besucher dort zu Fuß, mit dem Fahrrad oder hoch zu Ross die Landschaft mit Überresten einstiger Siedlungen erleben. Besucher übernachten in Ustrzyki Górne Pension.

Auskunft: Polnisches Fremdenverkehrsamt, 14199 Berlin, Hohenzollerndamm 151, Tel. +49 (030) 21 00 92 0, Fax. +49 (030) 21 00 92 14.

Anreise: Mit dem Flugzeug: Ab München täglich mit Lufthansa nach Rzeszów oder über Warschau täglich mit der LOT nach Rzeszów und von dort weiter mit Mietwagen. Oder ab verschiedenen Städten nach Krakau und von dort ebenfalls weiter per Mietwagen (ca. 230 km bis Sanok; knapp 3 Stunden). Mit dem Auto: Von Deutschland auf der A4, z. B. Frankfurt, Erfurt, Görlitz, Wrocław, Katowice, Krakpów, Rzeszów und weiter nach Sanok (1.190 km, 12 h); lohnt sich nur mit Zwischenübernachtungen z. B. in Krakau oder Breslau. Mit der Bahn: Im Nachtzug über Prag bis Krakau, dann bis Rzeszòw. Von dort mit Linienbussen oder Abholung durch den Veranstalter. Per Flugzeug von Berlin bis Warschau oder von anderen Flughäfen bis Krakau. Von dort weiter mit der Bahn.

Pauschalreisen:

Die Stadt Sanok hat ein Heimat-Museum mit vielen Ikonen, die als Heilige verehrt werden. Von hier gibt es Wanderwege und Radtouren in die Bergregionen des Bieszczady-Gebirges. Kurz nach Sanok verschwinden die letzten Häuser. Das Grün gewinnt die Oberhand. Viele Buchen und einige Tannen wachsen bis 60 Meter hoch, dazwischen gedeihen mannshohe Blattkräuter. Über allen Baumwipfeln und Bergen erhebt sich der Tarnica, mit 1.346 Metern der höchste Berg der polnischen Karpaten. Dahinter folgen bis zur ukrainischen Grenze 300 Quadratkilometer unberührte Natur. Es ist das eigentliche Kernstück des kleinen, aber einzigartigen Parks.

Der mit den Hirschen redet

Es ist eine ideale Gegend, auf Eigenbrötler zu treffen. Waldemar Wikowsky verbringt viele Tage im Jahr hier in seiner Hütte bei Wetlina. Diese Abgeschiedenheit ist sein liebster Fleck. Zehn Jahre ist es her, seit sich einige Holzschnitzer zusammenschlossen und die Galerie ins Leben riefen. Mit Werkstatt im Freien. Lindenholz, Hobel, Schraubenzwinger in allen Größen liegen auf dem Tisch. Holzspäne kringeln sich auf dem Fußboden. Im Innern stehen Skulpturen und andere Schnitzereien, jedes ein Unikat. Hinterm Holzhaus grast Hirsch Karlos. So nennt ihn Waldemar. Denn er ist einer, der mit den Hirschen reden kann. Die Hirschkuh Katerine, die in zehn Metern Entfernung die Situation zu beobachten scheint, reagiert auf das Rufen ihres Namens. Futter bekommen die Wildtiere keines. Spricht er auch mit Wölfen und Bären? Waldemar zieht die Stirn in Falten und lacht spitzbübisch. Wölfe hat er fast noch nie zu Gesicht bekommen. Still und heimlich ziehen sie durch die Berge. Um die Hütte sind so manche Nacht Wölfe gestrichen. Morgens sieht man die frischen Abdrücke. Aber angegriffen haben sie in den zehn Jahren, die er hier herkommt, noch keinen. Nachts, ja da hört er sie oft heulen. Und Braunbären sind ebenfalls eher vorsichtige Tiere. Ganz offensichtlich haben sich Mensch und Tier hier angepasst. Nur wenn die Wölfe wieder mal ein Schaf gerissen haben, dann sind die Menschen verärgert. Touristen, die sich an die markierten Waldwege halten, werden Wolf & Co kaum zu Gesicht bekommen.

Entvölkerte Gegend als Platz für die Tierwelt

Diese Abgeschiedenheit hat die Gegend der "Aktion Weichsel" zu verdanken. Ein unrühmliches Kapitel der polnischen Geschichte und eine schreckliche Zeit. Nach der Zwangsumsiedlung der Bewohner dieser Gegend wurden Häuser und Kirchen verbrannt, Friedhöfe zerstört. Ende der Vierzigerjahre war Bieszczady fast entvölkert. Und genau darum steht man plötzlich vor einer Kirchenwand oder umgestürzten Grabsteinen. Der Reiseleiter erzählt, dass hier Juden und Christen, griechisch-katholische und orthodoxe, friedlich zusammenlebten. Er zeigt auf Karten von Bieszczady, auf denen die einstigen Dörfer noch verzeichnet sind, insgesamt 60.000 Menschen lebten hier.

Auf den Berghängen sind Terrassen erhalten, auf denen einst Apfel- und Kirschbäume standen. Jetzt haben sich Birkenwälder, Robinien und Ahorn breitgemacht. Ein Schreiadler sitzt auf einem der Bäume. Der Greifvogel ist in Europa fast ausgestorben, doch hier in diesem Schutzgebiet in den Auen und Laubhölzern hat er kaum Feinde. Am Solina-Stausee hat sich in den letzten Jahren vieles verändert. Die Gäste kommen zwar noch nicht in Strömen, aber Yachten, Jollen und ein kleiner Ausflugsdampfer pendeln im Hafen. Es gibt Campingplätze und ordentlich ausgestattete Ferienobjekte.

Vom Solina-See aus schlängelt sich der Fluss San durch eine dicht besiedelte, aber durchweg flache Gegend. Bestens geeignet für Familien. Ob beim Rafting oder Kanufahren, paddeln kann man auf dem Wasser prächtig. Die Bewältigung von Strömungen fordert allerdings sportlichen Ehrgeiz heraus.



Autorin:
Heidrun Lange

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2018; 40 (14) Seite 66-68