Irland ist immer eine Insel der Überraschungen: Grün-blumige Wiesen, glasklare Seen und Bäche, ausgedehnte Hügelketten, weite Moor- und Sumpflandschaften. Viel bereist ist vor allem der wilde Westen des Eilands. Weniger bekannt ist der Südosten, obwohl man hier mehr Sonnenstunden als anderswo auf der Grünen Insel zählt. Und auch hier begegnet man unverfälschter Natur aus Wäldern, Hügeln und Feldern sowie verträumten Dörfern und geschäftigen Kleinstädtchen, berichtet unser Reiseautor.

Eine der Überraschungen ist der Rock of Cashel, der zu den bekanntesten Wahrzeichen Irlands gehört. Sechzig Meter ragt der Kalksteinfelsen, auf dem einst Könige und Bischöfe Hof hielten, mit seinen mittelalterlichen Gemäuern und trutzigen Ruinen steil aus der Ebene im Südosten der "Grünen Insel" hervor. Die einen meinen, der Teufel hat ihn ausgespuckt; andere glauben, er sei in grauer Vorzeit der Schlafplatz von Feen und Geistern gewesen.

Geschichte und Geschichten

Gerüchte besagen, dass in Irland auf rund 200 Bewohner:innen ein geschichtsträchtiges Bauwerk entfällt. Egal, wohin der Weg führt: Da ein Schloss mit weiter Parklandschaft, dort eine Burg mit Türmen und Zinnen, ganz zu schweigen von den efeuumrankten Abteien und Kirchhöfen wie aus einem Rosamunde-Pilcher-Film.

Irland atmet Geschichte, besonders im historischen Osten der Insel. Nacherleben lässt sie sich am besten im Irish National Heritage Park in Ferrycarrig im County Wexford. In einer Sumpflandschaft wurden auf einer Fläche von 14 Hektar zwischen Weiden und Bächen, zwischen feuchtem Grasland und Haselnussgehölzen 9.000 Jahre irischer Vergangenheit erlebbar gemacht – von den Anfängen der Besiedlung bis hin zur Ankunft der Normannen im 12. Jahrhundert. Der Guide, ein altertümlich kostümierter Parkmitarbeiter, führt durch 16 archäologische und historische Stätten, die in liebevoller Gestaltung zum Beispiel das Leben in einem Steinzeitdorf, in einem frühchristlichen Kloster oder auf dem Hof eines Wikinger-Schiffsbauers zeigen. Bei einer nachgestellten urzeitlichen Kochstelle wird dann den wissensdurstigen Besuchern gezeigt, wie in einem holzummantelten Wassertrog mit rotglühend-heißen Steinen einst Fleisch gegart wurde.

Wo die Wikinger landeten

Hier in der Region, wo um das Jahr 850 die Wikinger landeten, entstand mit Waterford die älteste Stadt Irlands. Heute etwa 50.000 Einwohner:innen zählend, ist der quirlige Ort stolz auf seine lebendigen Gässchen und verwinkelten Plätze, auf seine alten Gemäuer mit dem Reginalds Tower aus dem 12. Jahrhundert. Unterdessen beherbergt die ehemalige Münzstätte im Turm das sehenswerte Medieval Museum.

Will die Irland-Besucher:in hautnah eintauchen in die Vergangenheit des Landes, dann sollte sie auf schmalen, mauer- und heckenbegrenzten Straßen bis zur Waterforder Insel fahren. Eine Fähre bringt sie über den River Suir. Nach wenigen Minuten ist Waterford Castle erreicht – ein Traumschloss, dessen Ursprung auf das 16. Jahrhundert zurückgeht. Bis 1958 waren Insel und Schloss über Jahrhunderte im Besitz der Familie Fitzgerald. Heute ist Waterford Castle eines der bekanntesten Schlosshotels des Landes. Wunderschöne Inneneinrichtungen mit elisabethanischen Kaminen, Original-Stuckdecken, Himmelbetten, wertvollen Antiquitäten und Gemälden vermitteln den Glanz vergangener Zeiten. Waterford Castle mit seinen prachtvollen, komfortablen Zimmern und Suiten, mit seiner 18-Loch-Golfanlage ist so das rechte Reiseziel für Ölmillionäre und Wirtschaftsbosse, die sich ein Bild vom schönen alten Europa herbeizaubern möchten. Ähnlich in Barberstown Castle, im Russborough House, im Kilkenny Castle oder im Dunbrody House – teils Hotels, teils der Öffentlichkeit zugängliche Schlossanlagen.

Ein Leuchtturm verabschiedete Auswanderer

Erlebnisse ganz anderer Art vermittelt ein Trip auf die Hook-Halbinsel. An klein-bunten Anwesen und ausgedehnten Weideflächen vorbei geht es auf kurvenreichen Wegen zur rauen Felsküste. Auf dem Kap grüßt schon von Weitem das schwarz-weiß gestreifte Hook Lighthouse, dessen Leuchtfeuer Schiffen und Booten noch heute bis zu 50 Kilometer weit übers Meer den Weg weist.

Der erste Signalturm von Hook wurde wohl einst von Mönchen eines nahe gelegenen Klosters betreut, um die Seeleute mit Gottes Hilfe vor den gefährlichen Felsen an der Küste der Halbinsel zu warnen. Die räuberischen Wikinger dankten ihnen dafür, indem sie bei ihren Raubzügen einen großen Bogen um das klösterliche Leucht-Anwesen machten. Nachgewiesen ist der Bau eines späteren Leuchtturmes Mitte des 13. Jahrhunderts. Sein mittelalterliches Mauerwerk wurde in das heutige Lighthouse integriert. Die Mönche nahmen ihre Aufgabe jedenfalls so ernst, dass sie noch bis 1641, so sagen es alte Aufzeichnungen, Tag für Tag das Brennholz für das Leuchtfeuer den Turm hinauf schleppten.

Übrigens dürfte der Urgroßvater des amerikanischen Präsidenten J. F. Kennedy, namens Patrick Kennedy, 1848 den Leuchtturm von Hook – einen der ältesten der Welt – als letzten Gruß Irlands gesehen haben. Er wanderte während der Großen Hungersnot (1845–1849) aus dem bei New Ross gelegenen Dorf Dunganstown, dem Stammsitz der Kennedy-Familie, nach Boston in die Neue Welt aus.

Reise-Informationen: Irland
Auskünfte gibt die Tourism Ireland, 60329 Frankfurt; anfrage@tourismireland.com; www.ireland.com.
  • Anreise: Aer Lingus u. a., Beratung/Buchung: www.aerlingus.com. Irish Ferries, www.irlandfaehre.de.
  • Literatur: Reiseführer "Irland", Michael Müller Verlag, 26,90 €; "Baedeker Reiseführer "Irland", DuMont Reiseverlag, 26,95 €; Reiseführer "Irland/Nordirland", Reise Know-How Verlag, 19,90 €; Reise-Taschenbuch "Irland", DuMont Reiseverlag, 18,90 €; "Polyglott on tour Irland"; Verlag Gräfe und Unzer, 13,90 €.



Autor
Ulrich Uhlmann

Erschienen in: doctors|today, 2023; 3 (1) Seite 64-66