Der 31. Dezember ist eigentlich der Gedenktag an Papst Silvester I. (Papst von 314 bis 335). Für viele ist Silvester aber ein Höhepunkt des Jahres. Ein fröhliches Fest, das mit Musik, Tanz, Essen, Trinken und dem traditionellen Feuerwerk begangen wird. Dagegen waren früher eine Vielzahl von Regeln und Bräuchen einzuhalten, sollte das neue Jahr erfolgreich werden, weiß unser Autor Ernst-Albert Meyer.

Für uns heute ist es einfach. Wir wünschen uns und anderen zum Jahreswechsel ein erfolgreiches, gesundes neues Jahr und glauben, dass es auch eintritt. Doch früher war das schwieriger: Jeder, der auf ein gutes neues Jahr hoffte, musste als Voraussetzung dafür am Ende des alten Jahres unbedingt bestimmte Dinge "abgearbeitet" haben. Dazu gehörten ein aufgeräumter Haushalt und die Beseitigung allen Schmutzes im Haus. Keine Arbeit durfte unerledigt liegen bleiben und alle Schulden waren zu begleichen. Auch ausgeliehene Dinge sollte man noch im alten Jahr zurückgeben.

Strenge Regeln für den Erfolg

Wer im neuen Jahr keine Erkältung bekommen will, sollte am Neujahrstag "ein reines Hemd anziehen". Auf Frohsinn und Heiterkeit im nächsten Jahr konnte nur der hoffen, wer zu Neujahr süße Speisen zu sich nahm. Und als Voraussetzung für Gesundheit musste man sich am Neujahrstag in einer Schüssel waschen, in der Goldstücke lagen. Beruflichen Erfolg hatte ein Handwerker im neuen Jahr nur, wenn er zu Neujahr für kurze Zeit sein Handwerkszeug in die Hand nahm. Bauern, die im nächsten Jahr auf eine reiche Ernte hofften, mussten zu Neujahr vor dem Kirchgang von allen Getreidesorten etwas in ihre Tasche tun und während des Gottesdienstes darin "herumkramen".

Fischschuppen in der Geldbörse

Genau wie für Weihnachten so waren auch für den Silvesterabend bestimmte Speisen und Getränke ein "Muss", sollte das kommende Jahr positiv verlaufen. An erster Stelle stand zu Silvester Fisch. Er war ganz wichtig, um im neuen Jahr von Unglück verschont zu bleiben. Als beliebtester Fisch galt damals der Karpfen. Einige seiner Schuppen legte man in die Geldbörse, dann war sie im nächsten Jahr immer prall gefüllt. Auch Schweinefleisch war zu Silvester erlaubt. Dann bleibt einem im nächsten Jahr das Glück treu.

Schwein bringt Glück, Äpfel soll man meiden

Deshalb schenkten sich die Menschen zum Jahreswechsel als Glücksbringer auch kleine Schweinchen aus Marzipan, Metall oder Porzellan. Häufig backte die Hausfrau ein Schwein aus Kuchenteig. Es wurde mit brennenden Kerzen zu Silvester auf den Tisch gestellt und dann verzehrt. In einigen Regionen Deutschlands gehörte zum Silvester-Schweinebraten Grünkohl. Auch Mohnspeisen waren beliebt, z. B. die Mohnklöße in Schlesien und der Steiermark. In Dresden gab es zum Silvesterabend Hirsebrei, in Holstein Reisbrei, in Thüringen mit Heringen gemischte "Fleischgemengsel" und in Württemberg Heringssalat. Manche Speisen, wie z. B. Erbsen und andere Hülsenfrüchte, waren zu Silvester verpönt. Und Äpfel sollte man ganz meiden. So glaubten die Menschen in Hessen, dass Äpfel zu Silvester gegessen zu bösen Geschwüren am ganzen Körper führen. Bei den Getränken war der Silvester-Punsch Pflicht, vor allem, um damit das neue Jahr zu begrüßen. Das Wort "Punsch" kommt aus dem Hindustanischen und bedeutet "Fünf". Deshalb musste ein guter Punsch früher aus fünf Zutaten bestehen: Arrak oder Rum, Wasser, Tee, Zucker und Zitronensaft.

Einen Blick in die Zukunft wagen

Die Frage nach der Zukunft beschäftigt seit Generationen jedes Jahr zu Silvester die Menschen. Da früher das Denken und Handeln vom Aberglauben bestimmt war, hofften viele, zu Silvester durch bestimmte Orakel einen Blick auf ihre Zukunft werfen zu können. Die sogenannten "Zwölf Nächte", die Tage vom 25. Dezember bis 6. Januar, galten damals als besonders schicksalsträchtig und als eine Zeit, in der viele böse Geister ihr Unwesen trieben. Deshalb war Silvester der geeignete Tag, Fragen an das Schicksal zu stellen: Fromme Leute stachen mit einer Nadel oder einem Messer seitlich in das Gesangbuch oder die Bibel und schlussfolgerten aus der aufgeschlagenen Stelle auf Freud oder Leid, Glück oder Unglück im nächsten Jahr.

Auch heute noch beliebt ist das Bleigießen. Dabei wird flüssiges Blei durch einen alten, ererbten Schlüssel in eine Schüssel mit Wasser gegossen. Aus den entstandenen Figuren werden dann Hinweise für die Zukunft "herausgelesen". Oder jeder versieht eine Nussschale mit einem kleinen, brennenden Wachslicht und lässt sie dann auf Wasser schwimmen. Aus dem Zusammentreffen oder Sich-Meiden der Schalen schließt man auf Sympathie oder Antipathie zwischen den Anwesenden. Erlischt das Wachslicht, ist das ein böses Omen: Es bedeutet den Tod der betreffenden Person.

In der Gegend von Brünn versteckte man, ohne dass es die Teilnehmer des Orakels sehen konnten, verschiedene Gegenstände unter Töpfen. Dann wurde jeder einzeln hereingerufen und durfte drei Töpfe hochheben. Deckte der Teilnehmer mehrere Male denselben Gegenstand auf, z. B. Geld, wird er im neuen Jahr reichlich davon besitzen. Findet er wiederholt Brot, wird er Speise und Trank im Überfluss haben. Wer aber einen Kamm aufdeckte, den erwartet keine gute Zukunft. Um etwas über das Wetter des nächsten Jahres zu erfahren, wurde mit einem Messer in ein frisches Brot gestochen. Nach einiger Zeit zog man das Messer heraus. Aus der Feuchtigkeit bzw. Trockenheit der Klinge wurde eine Wetter-Prognose vorgenommen.

Wie das neue Jahr begrüßt wurde

So wie heute trafen sich auch früher am Silvesterabend befreundete Menschen oder Familien, um gemeinsam zu feiern. Alleinstehende suchten eine der Wirtschaften auf, um Geselligkeit zu finden. In der Gemeinschaft wurde mit Essen, Trinken, Singen und den beschriebenen Bräuchen das alte Jahr verabschiedet und das neue Jahr begrüßt. Punkt 0.00 Uhr beglückwünschte man sich. In den Städten begaben sich die Menschen lärmend auf die Straßen und riefen sich ein "Prosit Neujahr" zu. Aus dem Erzgebirge ist ein seltsamer Brauch überliefert: Bevor die Kirchenglocken das Ende des alten Jahres verkünden, steigen alle auf Tische und Stühle und springen beim letzten Glockenschlag herab. Dabei spricht jeder die Worte: "Grüss dich Gott, du neues Jahr! Viel Segen, Fried und Glück, das bringst du doch wohl mit." Wer diesen Spruch nicht aufsagt, darf sich nicht wundern, wenn er im neuen Jahr nicht viel Glück hat. Um das ganze Jahr vom Bösen verschont zu bleiben, schrieb man am Neujahrstag oder am 6. Januar mit geweihter Kreide die Namen der Heiligen Drei Könige C(aspar) + M(elchior) + B(althasar) über die Türen. In der Neujahrsnacht schossen die Bauern in die Obstbäume oder über die Viehställe. Erstere wollte man damit zu reicher Ernte anregen und mit Letzterem das Vieh vor Krankheit schützen.


Ernst-Albert Meyer


Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2019; 41 (20) Seite 88-89