Knochenbrüche bei älteren Menschen sollten zum einen so versorgt werden, dass eine rasche Belastbarkeit ohne lange Phasen der Immobilität erreicht wird. Dies spricht für eine Operation. Zum anderen sind bei einem Eingriff jedoch höhere Komplikationsraten aufgrund altersspezifischer Umstände zu erwarten. Lebensqualität und Operationsrisiko müssen also von Fall zu Fall sorgfältig gegeneinander abgewogen werden.

Zu den typischen Frakturen des älteren Menschen gehören die Fraktur am distalen Radius, die Wirbelkörperfraktur, die Humeruskopffraktur und die hüftgelenksnahe Fraktur. Aber auch Tibiakopffrakturen oder Frakturen im Bereich liegender Endoprothesen sind beim älteren Patienten keine Seltenheit.

Ziel der Therapie sollte eine möglichst gute Funktion der betroffenen Extremität sein, um einen hohen Grad an Mobilität zu erhalten. Dabei ist eine belastungsstabile Situation anzustreben, da ältere Patienten eine Teilbelastung oder Entlastung oft nicht einhalten können. Daher bieten sich beim älteren Patienten oft operative Lösungen an. Die Komplikationsrate ist dabei im Vergleich zu jungen Menschen jedoch hoch und liegt bei über 80-Jährigen bei 51 % [9].

Diese Komplikationsrate wird durch verschiedene Faktoren beeinflusst. Zu erwähnen sind die abnehmende Knochendichte, die Inzidenz der Osteoarthrose, abnehmende neuromuskuläre Fähigkeiten, Komorbiditäten und Medikationen, vorhandene Implantate sowie die Ansprüche des Patienten an die Funktionalität eines verletzten Gelenkes.

Knochendichte

Die verringerte Knochendichte ist in der Alterstraumatologie unter zweierlei Gesichtspunkten bedeutsam. Zum einen steigt mit abnehmender Knochendichte die Inzidenz von Frakturen, zum anderen wird mit abnehmender Knochendichte die Verankerung von Implantaten (Osteosynthesematerialien) im Knochen erschwert.

In vielen Fällen ist die Fraktur das erste Symptom der Osteoporose. Aus diesem Grunde sollte man bei einer Fraktur in höherem Lebensalter die Knochendichte bestimmen und bei entsprechenden Befunden ggf. eine medikamentöse Therapie oder Prophylaxe beginnen.

Arthrose

Mit zunehmendem Lebensalter steigt die Inzidenz degenerativer Prozesse am Muskel- und Skelettsystem. Das bedeutet, dass bei Osteoarthrose und entsprechend schweren Verletzungen (z. B. stark dislozierte Tibiakopffrakturen) die Indikation zur Implantation einer Totalendoprothese früher gestellt werden kann als bei einem gesunden Gelenk.

Neuromuskuläre Entwicklung

Abnehmendes Balancevermögen und propriozeptive Defizite gehen mit einer erhöhten Sturzneigung einher. Auf diese Weise trägt die neuromuskuläre Entwicklung zur steigenden Verletzungsinzidenz im Alter bei. Außerdem wird durch die neuromuskuläre Involution die Therapie vieler Verletzungen erschwert. So ist das Gehen an Unterarmgehstützen zur Entlastung der unteren Extremität bei vielen alten Menschen nicht möglich.

Was die operativen Techniken angeht, so müssen hohe Ansprüche an die Stabilität von Osteosynthesen gestellt werden. Daher sind winkelstabile Implantate oder Endoprothesen von großem Nutzen.

Die sinkende Aktivität älterer Menschen bedeutet aber auch, dass die Materialeigenschaften einer Endoprothese nicht von gleicher Bedeutung sind wie für einen aktiven 60-jährigen Patienten.

Allgemeine Morbidität

Mit steigendem Lebensalter steigt auch die allgemeine Morbidität (Diabetes mellitus, pAVK, koronare Herzkrankheit, Herzrhythmusstörungen, COPD etc.). Außerdem steigt die Wahrscheinlichkeit der Einnahme gerinnungshemmender Medikamente (z. B. Marcumar®). All diese Faktoren können zur Folge haben, dass eine unmittelbare schnelle operative Versorgung nicht immer möglich ist.

Gerade bei multimorbiden Patienten sollte ein Operationsverfahren gewählt werden, das eine schnelle Versorgung gewährleistet. Eine längere Operationsdauer geht nämlich mit einer Erhöhung der Sterblichkeit um 17 % einher. Deshalb bevorzugen wir bei hochbetagten multimorbiden Patienten am Hüftgelenk die Implantation einer sogenannten Duokopfprothese, da diese Versorgung mit einer deutlich verkürzten Op.-Zeit einhergeht.

Liegende Implantate

Aufgrund der steigenden Verletzungshäufigkeit und der steigenden Inzidenz der Osteoarthrose steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass die verletzte Extremität bereits mit einem Implantat versorgt ist. Das gilt sowohl für Osteosynthesematerial als auch für Endoprothesen. Bei liegendem Osteosynthesematerial muss dieses vor der Reosteosynthese erst entfernt werden. Minimal-invasive Op.-Techniken sind in diesen Fällen oft nicht möglich.

Individuelle Ansprüche an die Funktionalität des Gelenkes

Auch die individuellen Ansprüche des Patienten an das Gelenk müssen bei der Wahl des Therapieverfahrens berücksichtigt werden. Gerade der bewusstseinsklare Patient sollte unbedingt mit in die Therapieentscheidung einbezogen werden. Das gilt besonders für Frakturen an der oberen Extremität, da diese Frakturen die Mobilität des Patienten nicht so erheblich einschränken wie Verletzungen der unteren Extremität.

Hüftgelenksnahe Fraktur

Bei den hüftgelenksnahen Frakturen unterscheidet man Frakturen des Schenkelhalses von Frakturen der Trochanterregion.

Schenkelhalsfrakturen können nach ihrem Dislokationsgrad unterteilt werden (Pauwels, Garden). Eingestauchte nicht dislozierte Frakturen (Pauwels I) eignen sich grundsätzlich zur funktionellen Therapie. Aufgrund der Gefahr der sekundären Dislokation bevorzugen wir jedoch die primäre Verschraubung mit kanülierten Schrauben (Abb. 1).

Bei dislozierten Frakturen bietet sich beim älteren Patienten nur die Versorgung mit einer Endoprothese an (Abb. 2). Bei Schenkelhalsfrakturen bevorzugen wir dabei zementierte Schäfte, da ein hohes Risiko intraoperativer periprothetischer Frakturen besteht. Bei aktiveren Patienten erfolgt die Implantation einer Totalendoprothese. Bei hochbetagten oder multimorbiden Patienten wird die Implantation einer Duokopfprothese bevorzugt, da die Op.-Zeit kürzer ist.

Fraktur des distalen Radius

Bei Frakturen mit geringer Dislokation kann eine konservative Therapie mit Reposition und Gipsretention erwogen werden. Die Gipsbehandlung ist für viele ältere Patienten jedoch umständlich. Frakturen mit dorsaler Trümmerzone oder Mehrfragmentfrakturen werden offen reponiert und mit einer winkelstabilen Platte versorgt, bei der die Schrauben als Lastübertragungselement in der Platte verriegelt werden können (Abb. 3). Die Kräfte werden vom Knochen über die Gewindeverbindung auf die Platte übertragen. Auf diese Weise wird Stabilität erzielt, ohne die Platte auf den Knochen zu drücken.

Humeruskopffraktur

Eingestauchte Humeruskopffrakturen lassen sich nach kurzer initialer Ruhigstellung oft funktionell behandeln. Bei Mehrfragmentfrakturen kommen auch im Bereich des proximalen Humerus winkelstabile Osteosyntheseplatten zum Einsatz. Bei starker Dislokation und Osteoporose sollte primär die Indikation zur Implantation einer Fakturprothese gestellt werden. Lassen sich die Tubercula nicht sicher fixieren, sollte eine reverse Prothese implantiert werden.

Wirbelkörperfraktur

Typische osteoporotische Kompressionsfrakturen können perkutan mit injizierbarem Knochenzement stabilisiert werden. Dabei werden zwei verschiedene Verfahren unterschieden, die Vertebroplastie und die Kyphoplastie. Metaanalysen haben gezeigt, dass mit beiden Verfahren Schmerzfreiheit und eine Verbesserung der Lebensqualität zu erzielen ist [1]. Bei der Kyphoplastie wird der Wirbelkörper im Gegensatz zur Vertebroplastie in einen Ballon gedrückt und auf diese Weise der Knochen bis zu einem gewissen Grad aufgerichtet. Daher ist das Problem des Zementaustrittes bei diesem Verfahren weniger relevant. Durch Zementaustritt können ernsthafte Komplikationen wie z. B. neurale oder vaskuläre Schäden entstehen.

Rehabilitation

Oft muss nach einem operativen Eingriff die Rehabilitation durch pflegerische Maßnahmen unterstützt werden. Im Vordergrund sollte die Schulung koordinativer Fähigkeiten stehen. Nach einem Sturzereignis ist es zudem sinnvoll, nach der Sturzursache zu fahnden. Die Ursachenforschung sollte eine internistische und neurologische Synkopendiagnostik, Kontrolle der Medikamente (Sedativa), Visuskontrollen und Sturzursachen im häuslichen Umfeld (z. B. Teppichkanten) umfassen. Auch die Osteoporose sollte als Risikofaktor berücksichtigt werden.


Literatur
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Interessenkonflikte:
keine deklariert

Prof. Dr. med. Wolf Petersen


Kontakt:
Prof. Dr. med. Wolf Petersen
Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie
Martin-Luther-Krankenhaus
14193 Berlin

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2011; 33 (1) Seite 12-16