Die Zöliakie ist eine autoimmunologisch bedingte Enteropathie, bei der die Schleimhaut des Dünndarms mehr oder minder stark geschädigt wird. Die extraintestinalen Manifestationen können fast alle Organe betreffen, auch die Haut.
- Schilddrüse: Autoimmunthyreoiditis
- Pankreas: Typ-1-Diabetes
- Nebennierenrinden-Unterfunktion (M. Addison)
- Lunge: Hämosiderose, allergische Alveolitis
- Leber: Primär biliäre Zirrhose, Autoimmunhepatitis, Hepatopathie (erhöhte Transaminasen bis Leberversagen)
- Herz: Myokarditis, Kardiomyopathie
- Polyglanduläres Autoimmunsyndrom
- Lymphozytäre Autoimmungastritis
- Darm: M. Crohn, Mikroskopische Kolitis
- Niere: IgA-Nephritis
- Osteopathie (Osteoporose/Osteomalazie)
- ZNS: Ataxie, Epilepsien, psychische und psychiatrische Erkrankungen, intrazerebrale Verkalkungen
- Genetische Erkrankungen: Ullrich-Turner-Syndrom, Williams-Beuren-Syndrom; Trisomie 21
Ausgelöst wird die Zöliakie durch das Klebereiweiß Gluten bei genetisch prädisponierten Personen. Die genetische Disposition besteht in der nahezu 100 %igen Positivität der Zöliakiepatienten für die genetischen Marker HLA-DQ2 und/oder -DQ8.
Wie häufig ist die Zöliakie?
In den letzten Jahren ist scheinbar eine echte Zunahme der Zöliakie in Deutschland zu beobachten. Hier liegt die Prävalenz nach einer kürzlich publizierten Studie bei 0,9 % [1]. Die Methodik und Bewertung der Ergebnisse dieser Studie sind nicht unwidersprochen [2, 3]. In einer biopsiegeprüften Studie aus dem Jahr 2002 ergab sich eine Häufigkeit von 0,2 bis 0,3 % [4].
Diagnostik und Behandlung
Diagnostiziert wird eine Zöliakie durch den serologischen Nachweis zöliakiespezifischer Antikörper und die histologische Bestätigung der Dünndarmschleimhautveränderung. Zöliakiespezifische Antikörper sind IgA- und IgG-Antikörper gegen Gewebstransglutaminase-2 (tTG) und Endomysium (EmA). Ein selektiver IgA-Mangel (Bestimmung von Gesamt-IgA) muss vorher ausgeschlossen werden, da bei dessen Vorliegen Endomysium- und Transglutaminase-IgA-Antikörper nicht nachweisbar sein können. Zur Vorfelddiagnostik genügt die Bestimmung eines Antikörpers (tTG oder EmA); beide sind genügend sensitiv und hinreichend spezifisch. Es besteht allerdings keine 100 %ige Übereinstimmung der beiden genannten Antikörper, sodass die Bestimmung beider Antikörper eine bessere Aussage erlaubt. Die Bestimmung von Antikörpern gegen deamidierte Gliadinpeptide ist für die Primärdiagnostik nicht geeignet. Schnelltests mit Kapillarblut, Speichel- oder Stuhltests können gar nicht zur Zöliakie-Diagnostik empfohlen werden.
Die derzeit einzige Behandlungsmöglichkeit der Zöliakie ist eine lebenslange glutenfreie Kost.
Komorbiditäten sind häufig
Die Zöliakie ist mit einer Reihe (meist autoimmunologischer) Erkrankungen assoziiert (siehe Kasten). Bei den Hauterkrankungen sind es die Dermatitis herpetiformis, die Alopecia areata, die Psoriasis und die Vitiligo. Obwohl Shuster und Marks 1965 postulierten "the skin is the mirror of the intestine" [5] und später den Begriff "Dermatogenic enteropathy" prägten [6], gibt es in der Fachliteratur kaum signifikant nachweisbare Beziehungen zwischen Haut-
erkrankungen und Zöliakie [7], auch wenn es diesbezüglich Einzelmitteilungen gibt. So berichtet eine kleine Studie mit 6 Kindern im Alter von 2,5 Monaten bis 10 Jahren von ekzematösen Hautveränderungen, bei denen in der Dünndarmbiopsie histologisch eine partielle Zottenatrophie bestand [8].
Dermatitis herpetiformis Duhring
Die Hautvariante der Zöliakie ist die Dermatitis herpetiformis Duhring. Sie ist gekennzeichnet durch in Gruppen stehende herpesähnliche Bläschen, die oft stark jucken (Abb. 1). Die Hautveränderungen können alle Körperregionen betreffen. Diagnostiziert wird die Erkrankung durch den Immunfluoreszenz-Nachweis von granulären IgA-Ablagerungen an der Basalmembran in der papillären Dermis. Die dazu notwendige Hautbiopsie wird mit einer Stanze durchgeführt. In nahezu allen Fällen einer Dermatitis herpetiformis besteht eine Zöliakie, sodass die Behandlung ebenfalls in einer glutenfreien Kost besteht. Adjuvant kann das antibiotisch wirksame und entzündungshemmende Arzneimittel Dapson (4,4′-Diaminodiphenylsulfon) eingesetzt werden.
Alopecia areata
Die Alopecia areata ist eine Autoimmunerkrankung (Abb. 2a, b). Mädchen haben etwas häufiger eine Alopecia areata als Jungen (Verhältnis 1,5 : 1) [11]. Außer mit Schilddrüsenerkrankungen, Vitiligo und Atopien kann die Alopecia areata auch mit einer Zöliakie assoziiert sein. Abb. 2a zeigt einen kindlichen Patienten mit florider Zöliakie, dessen Läsionen nach einem Jahr glutenfreier Kost abgeheilt waren. Es sollten deshalb bei Patienten mit Alopecia areata bei einer Labordiagnostik die zöliakiespezifischen Antikörper mitbestimmt werden. Eine Alopezie im Haarwirbelbereich kann auch bei der Incontinentia pigmenti (Bloch-Sulzberger-Syndrom) vorkommen.
Psoriasis
Die Schuppenflechte ist eine gutartige, aber nicht heilbare Hautkrankheit. Es gibt verschiedene Verlaufsformen. Die häufigste ist die Psoriasis vulgaris. Schätzungsweise sind in Deutschland 2 bis 3 % der Bevölkerung von dieser Hautkrankheit betroffen. Wahrscheinlich handelt es sich auch um eine Autoimmunkrankheit. Die Behandlungsversuche sind vielfältig: Klimatherapie, äußerliche Wirkstoffe (Dithranol, Abkömmlinge von Vitamin D3, Tazaroten – ein Abkömmling von Vitamin A, Kortikoide), innerliche Wirkstoffe (Ciclosporin, Acitretin, Fumaderm, Methotrexat, Kortikoide) und "alternative" Heilverfahren, wie die traditionelle chinesische Medizin und ayurvedische Anwendungen. Bei 0,2 bis 4,3 % der Patienten mit Psoriasis besteht eine Zöliakie [12]. In einer Studie wurden Mukosaveränderungen bei 22 Patienten mit Psoriasis in Dünndarmbiopsien im Vergleich zu einer Kontrollgruppe mit 20 Gesunden gefunden [13]. Allerdings wurden die Biopsien nur stereomikroskopisch beurteilt, was die Aussage doch erheblich einschränkt.
Offenbar kann eine glutenfreie Ernährung bei einigen Patienten mit Psoriasis die Hautaffektionen bessern [14, 15]. Vor Beginn einer solchen Diät sollte jedoch durch Bestimmung der zöliakiespezifischen Antikörper eine Zöliakie ausgeschlossen werden.
Vitiligo oder Weißfleckenkrankheit (Leucopathia acquisita)
Die Vitiligo ist eine erworbene Pigmentstörung, bedingt durch die Zerstörung der Melanozyten in Haut und Schleimhäuten. Die Pathogenese ist noch unklar. Vieles spricht für einen Autoimmunprozess [16]. In Deutschland leiden etwa eine Million Einwohner an dieser Hauterkrankung (Abb. 3).
Die Vitiligo ist mit anderen Autoimmunerkrankungen assoziiert. Das sind im Besonderen die Autoimmunthyreoiditis, der Typ-1-Diabetes, die Autoimmungastritis, die Alopecia areata und scheinbar auch die Zöliakie. Eine Vitiligo wurde bei Zöliakiepatienten in 0 bis 9,1 % gefunden [17–21].
Es empfiehlt sich deshalb bei einer routinemäßigen Blutabnahme bei Vitiligo-Patienten auch die zöliakiespezifischen Antikörper mitzubestimmen. Im positiven Fall ist eine Gastroduodenoskopie mit Dünndarmbiopsie zur Sicherung der Diagnose zu empfehlen. Bei bestätigter Zöliakie und streng glutenfreier Kost ist die Chance einer Repigmentierung gegeben [26].
Besteht serologisch kein Hinweis auf eine Zöliakie, kann mit dem an einer Vitiligo Erkrankten der Behandlungsversuch mit einer mehrmonatigen glutenfreien Kost besprochen werden. Khandalavala und Nirmalraj beschreiben einen Fall einer Repigmentierung bei einer in den USA aufgewachsenen 27 Jahre alten Inderin unter einer glutenfreien Diät. Paraklinisch wurde bei der Patientin ein "metabolisches Profil" u. a. mit BSG, Blutbild und TSH bestimmt, aber keine zöliakiespezifische Diagnostik durchgeführt [27].
Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert
Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2020; 42 (16) Seite 34-38