Ältere Menschen mit Frailty (Gebrechlichkeit) sind gesundheitlich instabil und benötigen eine intensivere hausärztliche Zuwendung. Auch für Hausärzte ist es nicht immer gleich offensichtlich, ob ein Patient von Frailty betroffen ist. Somit stellt sich in der Praxis häufig die Frage, wie man Patientinnen und Patienten mit Frailty frühzeitig erkennen kann.
Jede Ärztin/Arzt kennt diese typischen Patientinnen wie aus dem Fallbeispiel. Frailty ist ein häufiges und komplexes geriatrisches Syndrom. Es bezeichnet einen Zustand erhöhter Vulnerabilität im Alter, bedingt durch einen übermäßigen Rückgang physiologischer Reserven und durch Dysregulationen verschiedener Organsysteme. Die funktionelle Homöostase kann, wenn Stressoren auf diese Personen einwirken, nicht mehr aufrechterhalten werden. Es kommt zu unerwartet geringen oder aber überschießenden körperlichen Reaktionen mit dem Risiko einer dramatischen Verschlechterung des Gesundheitszustandes [12]. Frailty ist ein wahres Chamäleon und macht sich in unterschiedlichen Gesundheitsdomänen bemerkbar, z. B. in einer Verschlechterung von Alltagsfunktionen, von chronischen Krankheiten, von mentalen und psychischen Kapazitäten oder in einer Einschränkung sozialer Fähigkeiten [1]. Es finden sich allerdings auch typische Merkmale und Auswirkungen von Frailty, die in der Praxis den Verdacht auf dieses Syndrom lenken (s. Tab 1).
Frailty-Verdachtsdiagnose in der Praxis und strukturiertes Vorgehen
Etwa 12 % der 65-Jährigen und Älteren sind von Frailty betroffen [20] – mit höherem Alter stark zunehmend. Um Frailty systematisch und frühzeitig aufzudecken, eignet sich der hausärztliche Zugang. In einem Praxistest mit über 500 Patienten zeigten sich hausärztliche Kollegen und Kolleginnen bei einem Viertel ihrer untersuchten Patienten jedoch überrascht, dass diese als frail einzustufen sind. Es zeigte sich eher eine Tendenz zu Unterschätzungen als zu Überschätzungen [15]. Daher empfiehlt die europäische ADVANTAGE-Gruppe zur Detektion und Prävention von Frailty ein einfaches Testverfahren [19]. In einem ersten Schritt gilt es, Frailty systematisch zu erkennen. Am bekanntesten sind die Fried-Kriterien (https://www.hs-gesundheit.de/fileadmin/user_upload/hochschule/Departments/DAG/Frailty_Phaenotyp_Fried_2001_hsg_Bochum_200504.pdf). Sie testen jedoch nur die körperlich-funktionellen Aspekte von Frailty [8]. Zudem ist ein Dynamometer zur Messung der Handgreifkraft-Performanz erforderlich. Einfach durchzuführen ist weiterhin der SOF-Test [7]. Die Komponente des Stuhl-Aufsteh-Tests gibt guten Aufschluss über die für die Alltagsmobilität erforderliche Kraft der Oberschenkelmuskulatur. Ein weiterer Test, die Klinische Frailty-Skala [18], beruht auf einer ärztlichen Einschätzung mithilfe von Piktogrammen. Noch kürzer sind die zwei Signalfragen (2-SF, siehe Kasten), die die Patienten bereits im Wartezimmer ausfüllen können. Nach einer eigenen diagnostischen Studie an über 300 hausärztlichen Patienten liegt die Rate der mit dem CFS, SOF und 2-SF korrekt Klassifizierten gemessen an dem komplexeren Referenztest Tilburg Frailty Indicator [9] ähnlich hoch. Drei von vier Patienten werden demnach mithilfe dieser Frailty-Instrumente korrekt eingestuft.
Bei Verdacht auf Frailty wird empfohlen, in einem zweiten Schritt das geriatrische Basisassessment (EBM GOP 03360) z. B. mit dem MAGIC-Test durchzuführen. Es dient dazu herauszufinden, in welchen Gesundheitsdomänen Probleme bestehen und wo sich ein Präventions-, Rehabilitations-, Therapie- oder Unterstützungsbedarf ergibt (Abb. 1).
Therapie bei Frailty
Wenn die Diagnose der Frailty gestellt ist, umfasst die therapeutische Intervention nahezu immer mehrere Komponenten. Ziele sind, Risiken bei der Arzneimitteltherapie und bei geplanten Operationen zu mindern, die Muskulatur zu stärken und für eine gute Ernährung zu sorgen. Wenn die Situation in Richtung Hilfsbedürftigkeit kippt, kann eine Vorstellung bei einer geriatrischen Einrichtung sinnvoll sein. Ein Medikationsreview ist sinnvoll, um eine Polypharmazie zu reduzieren und z. B. sturz-
auslösende Medikamente wie Neuroleptika, Antihypertensiva inklusive Diuretika zu identifizieren. Es gilt der Grundsatz: So wenig Medikamente wie möglich, so viel wie nötig. Bei der großen Gruppe der Psychopharmaka kann ein langsames Reduzieren erwogen und versucht werden. Hierzu bestehen "Ausschleich"-Schemata [11]. Ein speziell für Neuroleptika bei Patienten mit kognitiver Einschränkung entwickelter Algorithmus ist frei zugänglich [10]. Bei der Ernährung steht eine proteinreiche Nahrung im Vordergrund (1–1,5 g pro kg Körpergewicht), ggf. auch durch Nahrungsergänzung wie proteinreiche Trink-
nahrung oder Molke. Zudem ist bei Mangel eine Supplementation von Vitamin D3 zu empfehlen sowie eine antioxidanzienreiche Nahrung (Nüsse, Obst, Gemüse, Käse). Ein besonderes Augenmerk ist in der Praxis auch auf die Patienten zu werfen, die vor einer elektiven Operation stehen (z. B. hüftnahe Chirurgie, abdominale Eingriffe). Da Frailty ein Prädiktor für eine erhöhte operationsbedingte Mortalität ist, sollte im Vorfeld einer OP. in der Hausarztpraxis auf Frailty gescreent und präoperativ mit der "Prehabilitation" begonnen werden [2]. Eine Bewegungstherapie kann auch im sehr hohen Lebensalter noch durchgeführt werden, dabei geht es vor allem um die Besserung der Balance und Kraft. Hierzu werden auch spezielle Kurse von den Krankenkassen angeboten ("Sturz-Präventionskurse"). Der Erhalt oder die Verbesserung der Fitness durch Ernährung und körperliches Training sind nachweislich die effektivsten Bausteine und tragen erheblich zur Verhinderung von Hilfs- und Pflegebedürftigkeit bei [22, 14]. Falls die Frailty schon fortgeschritten ist oder die ambulanten Maßnahmen nicht ausreichen oder nicht ausreichend verfügbar sind, ist eine Kooperation mit einer geriatrischen Einrichtung sinnvoll. Es besteht die Möglichkeit, eine geriatrische Rehabilitation zu beantragen. Weiterhin gibt es ortsgebundene Angebote einer teilstationären Reha in einer geriatrischen Tagesklinik. In wenigen Fällen kann auch eine stationäre geriatrische Behandlung sinnvoll sein, gerade wenn die häusliche Versorgung akut gefährdet ist.

Interessenkonflikte: Die Autoren haben keine deklariert