Wie wichtig gut qualifiziertes Personal im Bereich respiratorischer Erkrankungen ist, hat sich spätestens mit der COVID-19-Pandemie gezeigt. Atmungstherapeut:innen haben hier ihren Beitrag für die inner- und außerklinische Behandlung von spontanatmenden sowie beatmeten Menschen mit Atemwegs- und Lungenerkrankungen geleistet. Auch ambulant tätige Ärzt:innen können Aufgaben an Atmungstherapeut:innen delegieren.
Das medizinische Tätigkeitsfeld der Atmungstherapie ist noch relativ neu, aber bereits seit mehreren Jahren steigt die Nachfrage nach spezialisiertem Fachpersonal, das die steigende Zahl kanülierter und häufig noch beatmeter Patient:innen professionell versorgen kann, stetig an [1] – vor allem im außerklinischen Bereich. Die Atmungstherapie bedient dabei nicht nur die steigende Nachfrage nach qualifiziertem Personal, sondern kann die Versorgung neurologisch und pneumologisch beeinträchtigter Patient:innen verbessern.
Aufgaben der Atmungstherapeut:innen
Die Atmungstherapie ist eine Weiterbildungsmöglichkeit für Pflegekräfte, Logopäd:innen und Physiotherapeut:innen. Die Tätigkeiten umfassen das Spektrum der Pneumologie und damit überschneidende Gebiete, wie die neurologische Frührehabilitation, sowie die Versorgung außerklinisch beatmeter Patient:innen (adult wie pädiatrisch). Unter Supervision und durch Delegation einer Ärzt:in wird selbstständig ein Tätigkeitsfeld, u. a. in der Beatmungsmedizin, übernommen, Diagnostik und Therapie eng miteinander verknüpft und Patient:innen mit Atemwegs- und Lungenerkrankungen fachkompetent versorgt. Oftmals getrennt ablaufende Prozesse laufen so in einer Schnittstelle zusammen (siehe Abb. 1) [2–4].
Die Befundung und Diagnostik umfassen u. a.- Blutgasanalysen,
- Polygrafien und Polysomnografien,
- transkutane Kapnometrien,
- Spirometrie- und Peak-Cough-Flow-Messungen,
- Bronchoskopien,
- Miteinbeziehen von Röntgenbefunden,
- Auskultation der Lunge.
- Atemwegs- und Sekretmanagement,
- atemtherapeutische Maßnahmen,
- pneumologische Rehabilitation,
- Raucherentwöhnung,
- Aerosoltherapie,
- Sauerstofftherapie,
- Trachealkanülenmanagement,
- Schulung und Anleitung von Patienten, Angehörigen und Personal,
- Palliativbetreuung zur Symptomkontrolle.
- Weaning (Beatmungsentwöhnung) von einer invasiven oder nicht-invasiven Beatmung,
- Einbindung ins Entlassmanagement,
- Einstellung auf eine Heimbeatmung bei frustranem Weaning,
- Umstellung von einer invasiven Beatmung auf eine nicht-invasive Beatmung.
In Deutschland sind die Fallzahlen der heimbeatmeten Patient:innen erheblich gestiegen. Die regelmäßige Evaluation einer erneuten Entwöhnungsmöglichkeit vom Respirator nach Entlassung aus dem Krankenhaus oder auch die Umstellung von einer invasiven auf eine nicht-invasive Beatmung ist dringend notwendig [4, 5]. Auch Erkrankungen wie die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) spielen eine zunehmende Rolle in der Gesellschaft [6]. Die Versorgung all dieser Patient:innen bedarf nicht nur eine notwendige Expertise, sondern auch ausreichend Zeit. Ausgebildete Atmungstherapeut:innen können hierbei unterstützen und entlasten. In der außerklinischen Versorgung wurde die notwendige Qualifikation zur Versorgung beatmeter Patient:innen bereits in der S2k-Leitlinie ‚Nichtinvasive und invasive Beatmung als Therapie der chronischen respiratorischen Insuffizienz‘ [7] und in der ‚Durchführungsempfehlung zur invasiven außerklinischen Beatmung‘ der DGP und DIGAB sowie des MDS und des AOK-BV [8] verankert.
Das Tätigkeitsfeld der Atmungstherapie wurde in Deutschland von der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) 2004 eingeführt [4, 9, 10]. Seit 2011 bietet als weiterer Anbieter die Deutsche Gesellschaft für pflegerische Weiterbildung (DGpW) die Ausbildung an. Weitere Informationen können den Internetpräsenzen pneumologie.de und dg-pw.de entnommen werden.
Zusammenarbeit mit außerklinisch tätigen Ärzt:innen
Aufgrund der Umstrukturierung und Vorgaben für außerklinische Intensivpflegedienste zur Steigerung der Qualität in der Versorgung (nicht-) invasiv heimbeatmeter Patient:innen [7, 8] setzen auch bereits einige Pflegedienste ausgebildete Atmungstherapeut:innen ein. Die atmungstherapeutische Betreuung findet hierbei stets unter Supervision und durch Delegation der behandelnden Ärzt:in statt. Im Arbeitsalltag einer Intensivstation kann dies bedeuten, dass eine Patient:in bspw. nach einem hämorrhagischen Schlaganfall aus dem Akuthaus in eine Rehabilitationsklinik verlegt wird. Bei prolongiertem Weaning wurde die Patient:in zudem tracheotomiert und ist bei ventilatorischer Insuffizienz überwiegend vom Respirator abhängig. Vorbekannt werden Komorbiditäten, wie ein arterieller Hypertonus und eine COPD, beschrieben. Durch die enge Zusammenarbeit des Teams wird versucht u. a. eine Spontanatemfähigkeit zu trainieren. Gelingt dies aufgrund der Erkrankungsschwere nicht, ist ein Einstellen auf ein Heimbeatmungsgerät fachkompetent möglich.
Nach Entlassung aus der Rehabilitation oder dem Akuthaus ist ein Fortführen der kontinuierlichen Therapie bei verbleibenden Einschränkungen der Respiration notwendig. Sauerstoffpflichtige und/oder beatmete Patient:innen mit bspw. Dysphagie benötigen weiterhin die notwendige Expertise und ausreichende Behandlungszeit, um fortführend an den bestehenden Einschränkungen zu arbeiten und ggf. bei progredienten Erkrankungen auf Verschlechterungen reagieren zu können. Auch die Betreuung von pädiatrischen Patient:innen nimmt hier einen sehr großen Stellenwert ein. Da die ambulanten Therapien häufig durch Angehörige begleitet werden und/oder im häuslichen Umfeld stattfinden, ist die Angehörigenarbeit ein fester Bestandteil. Die enge Zusammenarbeit mit der behandelnden Ärzt:in ist auch hier Grundvoraussetzung. Unter Supervision und durch Delegation kann so in Absprache mit dieser eine Therapie stattfinden. Die pulmonalen Funktionen können überwacht und der zuständigen Ärzt:in kommuniziert werden. Das Fortführen und die Anleitung atemtherapeutischer Maßnahmen sowie der korrekte Umgang mit Heimbeatmungsgeräten, Sauerstoff und Inhalativa sind täglicher Bestandteil. Aufgrund eines fundierten Wissens können diese Patienten engmaschig und individuell betreut werden.
Rechtliche Aspekte der Delegation ärztlicher Aufgaben
Die Atmungstherapie ist eine Weiterbildung im Rahmen eines bereits erlernten Berufes. Ausgehend hiervon erfolgen die Behandlungen auf Verordnung einer Ärzt:in. Die persönliche Leistungserbringung ist eines der wesentlichen Merkmale der ärztlichen Tätigkeit. Dies bedeutet nicht, dass jede Leistung höchstpersönlich von einer Ärzt:in selbst erbracht werden muss, sondern dass die Leistungserbringung mindestens ihrer Aufsicht und fachlichen Weisung unterstehen muss. Ärztlich vorbehaltene Leistungen können in Teilen an nichtärztliche Mitarbeiter:innen delegiert werden. Die Entscheidung, ob und an wen sie eine Leistung delegiert, muss die Ärzt:in von der Qualifikation der jeweiligen Mitarbeiter:in abhängig machen [11]. Durch die Weiterbildung zur Atmungstherapeut:in erlangen Atmungstherapeut:innen fundiertes Wissen und eine Expertise im Bereich Atmung/Beatmung und können somit gewisse Aufgaben auf Grundlage einer ärztlichen Delegation übertragen bekommen und damit ausführen.
Ausblick
Das enorm breite Spektrum in der außerklinischen Versorgung an verschiedensten Erkrankungen, gepaart mit einer immer höheren Arbeitsverdichtung hat zur Folge, dass Patient:innen, die aufgrund ihrer Erkrankungssituation sich nicht selbst äußern können, eine des Öfteren unbefriedigende, nicht ausreichend bedarfsgerechte Versorgung zuteilwird. Der enorme Zuwachs an heimbeatmeten Patient:innen stellt viele Kolleg:innen verschiedener Fachrichtungen vor Herausforderungen. Die Weiterbildung zur Atmungstherapeut:in vermittelt das notwendige therapeutische Handwerkszeug, um u. a. auch als Ansprechpartner:in bzw. Vermittler:in für respiratorisch eingeschränkte Patient:innen zu fungieren.
Die atmungstherapeutische Arbeit ist ein Novum – dies steht außer Frage. Es zeigen sich Für- und Gegenstimmen, die durchaus konstruktive Anregungen hervorbringen und offen, losgelöst von Vorurteilen, diskutiert werden sollten [4, 12, 13, 14]. Aufgrund der rechtlichen Rahmenkompetenzen ist die Arbeit als Atmungstherapeut:in essenziell vom Vertrauen in die Kernkompetenz sowohl durch den Arbeitgeber als auch durch die zuständige Ärzt:in abhängig.
Christina Rohlfes
Interessenkonflikte: Die Autorin hat keine deklariert.
Erschienen in: doctors|today, 2020; 1 (1) Seite 48-50